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Vom achtsamen Umgang mit Sprache























In Österreich ist es inzwischen schon längst gute Tradition, über "Wörter und Unwörter des Jahres" abzustimmen:

"Seit 1999 werden auf Initiative von Rudolf Muhr von der Universität Graz im Zuge des Projekts Österreichisches Deutsch auch in Österreich Wörter und Unwörter des Jahres ermittelt." (Quelle: Wiktionary)

Ähnliches findet auch in anderen deutschsprachigen Ländern statt, nämlich in Deutschland, in der Schweiz, in Liechtenstein und im deutschsprachigen Teil Italiens, also in Südtirol.

Als Unwort des Jahrhunderts gilt in Deutschland das Wort "Menschenmaterial" - dieses Wort bedeutet für mich eine absolut schmerzhafte und zynische Abkehr von jeglicher Menschenzugewandtheit und müsste weltweit als Unwort des Jahrhunderts gelten! Mit der Verwendung dieses Wortes wird klar, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt (hat): Einen Menschen als Material zu bezeichnen, unterstreicht auf erschreckende Weise die Entfremdung des Menschen von sich selbst! Der Mensch als Material, der / das benützt und gebraucht, respektive missbraucht wird, nur um einige Beispiele zu nennen: in Produktionsbereichen in Fabriken ebenso wie auf Baustellen, wo Menschen unter unwürdigen Bedingungen schuften; aber auch im militärischen Kontext, wenn Menschen zu Kanonenfutter gemacht werden. Auch im Profisport, gerade in Bereichen, wo es um unvorstellbar hohe Ablösesummen geht, werden Menschen zum Material, zu modernen Gladiatoren. Verwundert es in diesem Zusammenhang überhaupt noch, wenn Menschen - und das bedeutet in meinen Augen die schlimmste Erniedrigung eines Menschen überhaupt - als "Fickmaterial" gehandelt und misshandelt werden?

Wenn Sprache das Blut der Seele ist, dann leidet eine Person, die unsere Welt mit solchen Begriffen denkt, an Blutvergiftung!


Mit der deutschen Sprache und mit ihrer Verwendung beschäftige ich mich seit vielen Jahren. Schon früh habe ich meine Liebe zu meiner Muttersprache entdeckt. Bereits in der Volksschule fiel der Lehrerin auf, dass ich gerne geschrieben und gesprochen habe. Bis heute ist mir geblieben, dass ich gerne schreibe; beim Sprechen mache ich mich inzwischen etwas rar: Das Nachdenken in aller Stille steht mit zunehmendem Alter deutlich im Vordergrund.

Ich bin der Meinung, der Sprachgebrauch sagt einiges über einen Menschen aus. Viel zu selten sind wir uns auch darüber im Klaren, welche Konsequenzen Sprache hat: Nichts beeinflusst unser Leben eindrücklicher als das Anwenden von Sprache, denn unweigerlich damit verbunden sind unsere Reaktionen und unsere Handlungen.

Sprache als Spiegel der Gesellschaft - für den, der sich rein sachlich und analytisch damit beschäftigt. Sprache als Ausdruck der Seele - für den, der auch einen ganzheitlichen Blick auf dem Menschsein ruhen lässt. Beide Bereiche finde ich sehr spannend und so beschäftige ich mich auch persönlich sehr intensiv damit, was Sprache vermag. Da ich mit Sprache auch meine Haltung transportieren möchte, verwende ich in meinen Beiträgen die Gendersprache, allerdings nehme ich mir die Freiheit, sie in einer - aus meiner Einschätzung - gut lesbaren Variante einzusetzen.

Bereits jedes Denken ist eine Art Standortbestimmung für einen Menschen, auch, wenn er sich dessen nicht immer bewusst ist: Unser Denken formt uns und unsere Umwelt, ob wir das Gedachte nun für uns behalten - oder unsere Umwelt damit behelligen.


Wie verhält es sich mit unserem Zugang zur "Wahrheit" und zur "Ehrlichkeit"?

Nicht selten habe ich den Eindruck, dass die Begriffe "Wahrheit" und "Ehrlichkeit" nicht unterschieden werden.

Wahrheit ist engstens verwandt mit wahrnehmen, Wahrheiten sind also subjektive Wahrnehmungen. Wenn wir also Wahrheiten als subjektive Wahrnehmungen begreifen, wird es möglich, offene Diskussionen ohne Anspruch auf "die eine Wahrheit" zu führen. Diese Erkenntnis scheint mir eine Möglichkeit zu sein, Diskussionen grundsätzlich wertschätzender zu gestalten. Ob eine Wahrheit (Wahrnehmung) tatsächlich auch eine Wirklichkeit abbildet, kann also immer Gegenstand einer Untersuchung sein. Wenn wir uns in unseren Gesprächen und Diskussionen in einer wertschätzenden Grundhaltung auf Augenhöhe begegnen wollen, wird es uns leichter fallen, ehrlich zu sein: In dieser Ehrlichkeit können wir auch andere an unseren Wahrnehmungen teilhaben lassen.


Ich wende Worte gerne zum Licht, das heißt, ich beleuchte sie gerne, um zu verdeutlichen, was sie - oft nicht gleich auf den ersten Blick - zum Ausdruck bringen. Achtsamkeit scheint mir eine gute Begleitung zu sein, wenn wir kommunizieren, ob wir dies nun mit Hilfe von Zeichensprache, mit geschriebener oder gesprochener Sprache tun. Besonders, als das Coronavirus - in seinen immer wieder wechselnden Varianten - und dessen mögliche Beherrschung die Menschen gerade in Österreich in zwei große Lager getrennt hat, ist mir ein Phänomen aufgefallen: Noch nie habe ich so viele Sofaexpert*innen erlebt, die mehr "wussten" als die ganze Ärzteschaft zusammen: Niemals hätte ich vermutet, dass es in Österreich jemals ein anderes Thema geben würde, welches Stammtisch-Fanatiker*innen (oft unter erheblichem Einfluss von Alkohol) noch begeisterter aufgreifen würden als dies beim Diskussionsthema rund um Flüchtlinge, Asylanten und Migranten immer wieder der Fall war. Wie sehr hat mir Elizabeth T. Spira in den vergangenen Jahren gefehlt, die leidenschaftlichen Maulheld*innen in ihren "Alltagsgeschichten" immer aufs Maul g'schaut hat.


Nicht ganz außer Acht möchte ich auch die Körpersprache lassen, die doch nicht immer mit der ausgesprochenen Sprache korrespondiert: Manchmal entlarvt die Körpersprache das mit ausgesprochenen Worten Dargebrachte als unehrlich, um nicht das Wort "Lüge" zu verwenden. Gestik, Mimik, Schnappatmung, Bewegungen und auch ein Lachen oder Erröten sagen mitunter mehr, als dies Worte vermögen.

Botschaften können auch mit dementsprechender Kleidung deutlich unterstrichen werden - und dies nicht erst, seit Kleidung mit Aufdruck von Symbolen und Worten quasi en vogue ist.

Etwas Ironie von meiner Seite noch zum Abschluss eines doch sehr ernsten Kapitels:

Sofaexpert*innentum ist bei Herrn und Frau Österreicher auch gut und gerne verbreitet, wenn es um diverse Fernsehübertragungen von Sportereignissen geht: Es müsste dieses Land schon längst unendlich reich an Weltmeister*innen und Olympiasieger*innen sein! (Was diese Menschen alles machen würden, um zu neuen Bestzeiten zu fahren, ist einfach phänomenal und würde sicher in jedem einzelnen Fall auch zum Siegerpodest führen. Also hoppauf, ran an die Bretter und an den Start, liebe Sportskanonen!)

Der Skisport (österreichisch: Schisport), Nationalsport Nummer eins, ist Herrn und Frau Österreicher heilig. Nur, bald wird sich diesen Sport fast niemand mehr leisten können ... (Aber das ist bekanntlich ein ganz anderes Kapitel, dieses möchte ich an dieser Stelle gar nicht öffnen.)

Einen sehr bekannten und populären ORF-Sportkommentator, der sich weltmeisterlich in jedes Ziel wedelte - korrigiere: redete -, konnte ich vor vielen Jahren einmal live beobachten, was er selbst in dieser Sportart so draufhatte: Ich war nicht gerade wenig überrascht, wie er sich auf meiner Lieblingspiste auf Skiern hangabwärts mühte ...


Foto: Ingrid, Pixabay.com

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