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Liebe und Sexualität im 21. Jahrhundert - Reisen durch Länder und Kulturen



Wieder einmal habe ich einen erstaunlichen Themenabend erlebt, nämlich vor einigen Tagen auf ZDFinfo: "Liebe und Sex", beleuchtet in unterschiedlichen Ländern und Kulturen.

Schon mein Foto zum Titel - eine Herausforderung, denn weder wollte ich mich an Hautfarben orientieren, noch an den Geschlechtern der Liebenden, denn wir leben angeblich in Zeiten, wo Liebe keine Grenzen erfährt. Eine schöne Idee, aber, wie wir wissen, leider ein Irrtum! Davon konnte ich mich wiederum in den Dokumentationen überzeugen.

Ihren Ausgang genommen hat meine Reise in Israel. Israel offenbart sich als facettenreiche Gesellschaft - schillernd bunt und säkular, wie auch stark von (ultra-)orthodoxen religiösen Verboten und Geboten beeinflusst. Man muss nicht allzu genau hinblicken, um zu erkennen, wer in dieser Gesellschaft mit besonders strengen Richtlinien zu rechnen hat, sofern Religion in Familien eine Rolle spielt: Es sind Mädchen und Frauen, die unzählige Regeln und Gebote zu beachten haben. Gemeinsam ist den streng religiös lebenden Menschen, dass sie keinen vorehelichen Geschlechtsverkehr vollziehen dürfen. Am Beispiel einer streng religiös lebenden Familie wird deutlich, dass solche Ehen einzig deshalb geschlossen werden, um möglichst vielen Kindern ein Leben zu schenken. Der staunende Zuseher erhält Einblick in eine Zweizimmerwohnung, in der 20 Menschen hausen, das Ehepaar hat 18 Kinder gezeugt, der Vater spricht hoffnungsvoll von weiteren Kindern (dass einige Kinder im Keller des Hauses schlafen, wird auch in Kauf genommen). Seine Frau, die Mutter der Kinder, äußert sich zu diesem Thema gar nicht, sie wollte nicht vor die Kamera treten. Ich habe auch nicht schlecht gestaunt, zu hören, dass sich die beiden Eheleute vor der Hochzeit gerade einmal 15 Minuten gesehen und dabei festgestellt haben, ein ganzes Leben miteinander verbringen zu wollen: Eine durchaus gängige Variante einer Eheanbahnung unter orthodoxen Juden. Auch das Reinheitskonzept ist erwähnenswert; hat eine Frau ihre Regelblutung, müssen die Eheleute getrennt voneinander schlafen. Exakt sieben Tage nach Beendigung der Menstruation hat die Frau ein rituelles Bad vorzunehmen, erst dann darf sie sich dem Ehemann wieder nähern, Berührungen sind dann auch wieder erlaubt. Im Übrigen haben verheiratete Frauen, um in orthodoxen Familien als ehrbar zu gelten, entweder ein Kopftuch oder eine Perücke(!) zu tragen. Die (aus echten Haaren gefertigte) Perücke ist allerdings unter strengen Gelehrten umstritten und auch mir erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieser nicht: Haare zu zeigen, geziemt sich also - aber nicht die eigenen?

Natürlich gibt es auch für Männer Reinigungsvorschriften, doch ist bemerkenswert, dass Frauen als sexuelle Wesen immer noch ein Mysterium für viele streng religiös lebende Menschen darstellen (übrigens nicht nur im Judentum oder im Islam, sondern auch in christlich geprägten Ländern).

Sexuelle Aufklärung findet übrigens keinesfalls in den Familien statt, sondern von speziell geschulten Frauen, die vor einer Eheschließung konsultiert werden. Verhütung ist in orthodoxen und ultraorthodoxen jüdischen Familien strengstens verboten - wie wir dies etwa auch in Polen erleben, einem Land, das zu jenen Ländern zählt, in denen das Christentum sehr streng ausgelegt wird. Der Unterschied zwischen orthodoxen und ultraorthodoxen Familien besteht im Übrigen darin, dass ultraorthodoxe Juden weltliches Wissen ablehnen.

Beachtenswert ist, dass Tel Aviv als äußerst schwulenfreundliche Stadt gilt. In anderen Städten und Gebieten Israels weicht die Toleranz allerdings oft heftigen Anfeindungen. Seit 2002 kann man in Israel eine homosexuelle Partnerschaft eintragen lassen, es besteht auch ein Adoptionsrecht für Kinder.


Weiter ging es am Themenabend mit der Situation im bereits erwähnten Polen. Dort ergibt sich eine große Kluft zwischen der Stadt- und Landbevölkerung. Viele Regionen im Süden Polens haben sich zu sogenannten LGBTQ-freien Zonen erklärt, die konservativen und rechten Parteien sind für diese Entwicklungen verantwortlich. (Der Überblick über die Parteienlandschaft in Polen gestaltet sich übrigens eher unüberschaubar umfangreich.)

Konservative Christen gehen ohne partnerschaftliche Erfahrungen in ihr Eheleben, wie überhaupt die Römisch-Katholische Kirche sehr großen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben ausübt - auch mit sehr dramatischen Auswirkungen für Frauen, die ungewollt schwanger werden: Seit mehr als einem Jahr sind in Polen Abtreibungen verboten - nur, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist oder bei Vergewaltigung (die mit einem offiziellen Zertifikat nachgewiesen werden muss!) und Inzest darf eine Abtreibung vorgenommen werden. Dieses Gesetz halte ich für eine Entscheidung, die lebensgefährlich, frauenfeindlich und unerträglich ist! (Ein Seitenblick in die gegenwärtige Rechtslage in den USA: In vielen der 50 Staaten toben Auseinandersetzungen um die Abtreibungsfrage. In einigen Bundesstaaten, wie etwa Kentucky, Arkansas, Louisiana, Oklahoma und Texas, sind Abtreibungen (wieder) strengstens verboten - auch bei Vergewaltigung und Inzest darf nicht abgetrieben werden! Diese Situation ist zutiefst erschütternd, frauen- und menschenverachtend! Ich empfinde es als schmachvoll, dass Menschenrechte für Frauen vielerorts noch immer verleugnet und Frauen einzig als Gebärmütter missbraucht werden!)

In der Dokumentation ist auch die Weihe einer jungen Frau zu einer von etwa 4000 geweihten Jungfrauen weltweit zu sehen. Diese Jungfrauen werden in einer Zeremonie mit Jesus verheiratet. Ein Ring ist Zeichen einer "Ehe", die unauflöslich ist. Die Gesamtheit dieser geweihten Jungfrauen wird seit alter Zeit als "Ordo virginum" bezeichnet.

In Polen treibt auch ein sehr populärer Pfarrer sein Unwesen, der sich dazu berufen fühlt, mit einem kleinen Team, das seine Überzeugungen teilt, Aufklärungsfilme zu drehen: Lieblingsthemen sind dabei Fremdgehen, Masturbation, Sexsucht und die moralische Sicht darauf, wie man in Übereinstimmung mit der Bibel Sex zu vollziehen hat.


Ein Blick nach Japan macht klar, dass in diesem Land die Vereinsamung von Menschen bereits stark verwurzelt zu sein scheint. Das hat erschütternde Auswirkungen auf das Erwachsenwerden junger Menschen. Viele junge und auch ältere Menschen, hauptsächlich Männer, flüchten sich in mich befremdlich anmutende Begegnungen mit Wesen aus Komikwelten, weil sie keine Beziehungen zu realen Menschen mehr eingehen können. Sexualität, nicht Liebe, wird hier immer mehr zum Konsumgut; Gummipuppen, die individuellen Wünschen von Männern angepasst werden, stehen hoch im Kurs, während sich reale Ehefrauen von diesen Männern verabschieden.

Bei sogenannten "Solohochzeiten" heiraten sich Frauen in pompösen Roben selbst - einem Ehe- und Familienleben fühlen sie sich nicht gewachsen. Dies alles ruft neuartige Unternehmer*innen auf den Plan, die sich u.a. als "Mietfreund*innen" anbieten, um wieder menschliche Umarmungen zu ermöglichen.


Nach einigen sehr aufschlussreichen und zugleich mich auch recht erschütternden Einblicken in unterschiedliche Länder und Kulturen kann ich nicht umhin, noch einige essenzielle und persönliche Gedanken anzuschließen.

Die Würde des Menschen muss unantastbar bleiben - allein diesem Aspekt ist mein Hinweis auf die vielerorts noch übliche Tradition (aus kulturellen und religiösen Gründen) der Beschneidung von Genitalien geschuldet. Ethische Fragen müssen im 21. Jahrhundert meiner Meinung nach auch dahingehend diskutiert werden, ob im Namen von religiösen Gesetzen Blut fließen darf? Es gibt ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und dieses sollte einerseits über dem Recht der Eltern und andererseits über dem Recht der Religionsgemeinschaften stehen. Mir ist klar, dass bei solchen Diskussionen sofort antisemitische oder antiislamische Motive unterstellt werden, dennoch dürfen sich auch in dieser Thematik Scheuklappen von den Augen lösen. Diese Fragen werden inzwischen tatsächlich diskutiert - im Übrigen mit sehr viel Leidenschaft. (In den USA ist die Zirkumzision unter etwa 75 Prozent der Männer verbreitet, übrigens unabhängig davon, ob ein Mann Jude, Muslim, Christ oder Atheist ist.)

Klar ist allerdings die Haltung einer medizinisch und ethisch aufgeklärten Gesellschaft in Europa zur Beschneidung von Mädchen - und dennoch passieren diese äußerst schmerzvollen und weitreichenden Eingriffe, die zu schweren gesundheitlichen Komplikationen führen können, noch immer und manchmal auch mitten unter uns: Aus Erfahrung weiß ich, dass es zu großen Eskalationen in Familien führen kann, wenn junge Mädchen dieser brutalen Tradition zugeführt werden sollen: Frauenhäuser, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen können Orte sein, an denen sich derart gefährdete Mädchen ihren Betreuerinnen anvertrauen. Dann ist es wichtig, die richtigen Schritte zu setzen, um diese Mächenvor Zugriffen zu schützen!


Gibt es eine allgemeingültige Definition für Liebe? Ich gehe davon aus, dass es unzählige Ansichten dazu gibt, was uns Menschen Liebe bedeutet. Für mich ist die Liebe eine einzige Reise, die nie zu Ende ist, es gibt immer Neues zu entdecken - an meinem DU wie auch an mir selbst. Fest steht für mich jedenfalls, dass eine in Liebe und Achtsamkeit gelebte Beziehung nur auf der Basis von absoluter Gleichberechtigung fußen kann! Als äußerst befremdlich empfinde ich, wenn sich ein Staat oder Religionsgemeinschaften über Menschen stellen und Regeln für sehr persönliche Lebensbereiche festlegen wollen: Wer wen wie liebt, das muss erwachsenen Menschen überlassen bleiben und darf niemals ein Grund für Benachteiligungen von erwachsenen Menschen sein, die nicht nach traditionellen Kriterien ein gemeinsames Leben leben möchten. Mit Sicherheit gibt es viele Bereiche im Familienleben, die Regeln und Gesetze brauchen, aber die Frage, wer mit wem eine Beziehung eingehen darf, ist ganz klar mit dem Hinweis auf das Persönlichkeitsrecht (Schutz der Privatsphäre, der Geheim- und Intimsphäre) zu beantworten.


Weiteres zum Thema Sexualität und Liebe hier, inklusive eines weiteren Hinweises auf eine sehenswerte Dokumentation.


Foto: Wokandapix, Pixabay.com

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