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Frausein im Zeitalter der Manipulationen


"Ich musste unterscheiden lernen zwischen dem falschen Selbst, das meine Kultur und Religion mir als Frau aufgezwungen hatten, und dem wahren Teil meiner Weiblichkeit, den ich erhalten wollte."

(Anaïs Nin)

(Foto: Leopold Museum, Dez. 2018)

Tatsächlich ist es eine gewaltige Herausforderung, mit sich selbst zufrieden zu sein, also im Frieden mit dem Menschen zu sein, der "Mann", "Frau" oder "Divers" ist.

Bestimmt bin ich selbst in herausfordernden Situationen nicht immer im Frieden mit mir - in solchen Momenten, in denen ich meine Werte und Haltungen, mein "Ich-Bin" nicht so befreit leben kann, wie ich es mir selbst wünsche. Ich erlebe mich dann als angespannt und ich empfinde Müdigkeit, manchmal auch als Folge des mühsamen Abschüttelns der mir längst lästig gewordenen Konventionen. Mir fällt auch auf, dass ich Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen habe, die ihren inneren Dämonen ungehindert freien Lauf lassen und so auf ihre Umwelt kränkend einwirken.

Besonders Frauen neigen dazu, von sich selbst entfremdet zu sein, eben nicht "bei sich" zu sein - und um dieses Defizit zu kompensieren, treten viele von ihnen eine Flucht an.

Wir leben in einer Welt, in der die Gefahr der "Süchte" omnipräsent ist, weil sich Menschen innerlich leer fühlen und versuchen, diese Leere durch unterschiedliche Süchte zu kompensieren.

Die Sucht nach Anerkennung ist ein viele Frauen begleitendes Phänomen, das Frauen von ihrem wahren Selbst entfremdet, weil sie damit beschäftigt sind, ihrer Umwelt möglichst oft ein Lächeln für einen Auftritt und eine Rolle abzuringen.

In einem Interview mit Marie Bäumer, die Romy Schneider im Film "3 Tage in Quiberon" darstellte, taucht folgender, für mich bedeutsamer Satz auf: "Ich vermute, dass sie kein inneres und äußeres Zuhause hatte." Dieser Film schildert eine Zeit in Schneiders Leben, die sie mit einem Reporter und einem Fotografen verbrachte, wohl auch im Bestreben danach, um ihrem Publikum die Unterschiede zwischen der Schauspielerin und dem Menschen Romy Schneider aufzuzeigen. Dass sie im wahren Leben eine häufig gequälte Frau war, die ihre seelische Obdachlosigkeit wohl auch selbst allzu deutlich wahrnahm und die sich doch so sehr nach einem zufriedenen Leben abseits aller Auftritte und Rollen sehnte, muss wohl als realistischer Teil ihres so tragisch endenden Lebens gewertet werden.

Wenn unser Vertrauen in uns selbst und unsere Liebe zu uns selbst besser gelehrt und praktiziert würden, dann würde ein sehr großer Teil des Elends, unter dem so viele Frauen leiden, verschwinden.

Für dieses Selbstvertrauen sollte bestenfalls bereits in der Kindheit eine Basis geschaffen werden, denn das spätere Elend, das viele Frauen daran hindert, ihr wahres Sein, ihre wahre Weiblichkeit zu leben, hätte so kaum eine Chance, sich einen Weg in Gedankenwelten und weibliche Seelen zu bahnen.

Auch und gerade die gelebte Weiblichkeit wird nur dann von Freude und Lust gekrönt sein, wenn wir rechtzeitig begreifen, welche Faktoren unseren Weg zur wahrhaft gelebten Authentizität kreuzen: Kultur, Religion, Medien, Familie, Freunde, Arbeitswelt, menschliches Umfeld - hier überall lauern Gefahren, uns in unserem Sein verbiegen zu lassen, um sonderbaren Idealen zu entsprechen!

Und wie steht es denn eigentlich um den letzten "dunklen Kontinent", wie Sigmund Freud die weibliche Sexualität nannte?

Noch heute herrscht viel Unwissenheit über die weibliche Sexualität und gerade Freuds Theorien von der Weiblichkeit haben einigen Schaden angerichtet. (Mehr dazu in "Globales Gewissen (2), April 2017.)

In der filmischen Dokumentation "Viva la Vulva" kommen Künstlerinnen, Therapeutinnen und politische Aktivistinnen aus verschiedenen Kulturen zu Wort und beschreiben anschaulich, wie sich der lustfeindliche Umgang mit der Vulva durch alle Kulturen und durch alle Jahrhunderte zieht. Die Dämonisierung dieses Körperteils wurde im Zuge der Jahrtausende zu einem Schauplatz von tiefem Leid, das in der Angst des Mannes vor der Frau seinen Ausgangspunkt fand - sie zieht sich durch alle Kulturen und durch zu viele Religionen.

Was mich besonders schockiert, ist die Tatsache, dass in den meisten Sprachen Bezeichnungen für die Vulva als Schimpfwörter verwendet werden - übrigens auch von Frauen und von heranwachsenden Mädchen.

Als erschreckende Entwicklungen werte ich ebenso, dass gewisse Schönheitsideale Frauen dazu treiben, ihre Geschlechtsorgane einer Operation zu unterziehen, um einer kommerziellen Norm zu entsprechen. Dabei ist es nicht immer der abwertende Blick eines Mannes, der Frauen zu solchen Behandlungen treibt. Ich beobachte und höre, dass sich viele Frauen selbst am meisten abwerten, was sich sogar bei Frauen zeigt, die ihren ausgeprägten Verstand nützen und sich auch durchaus auf einem Weg zu ihrem inneren Zuhause befinden. Einerseits gibt es vermeintlich sexuelle Freiheiten wie noch nie, andererseits hat die allgegenwärtige Pornoindustrie sexuelle Maßstäbe und Schönheitsideale eingeführt, die gerade für junge Menschen mehr Zwang als Lust hervorrufen.

Auch auf die Problematik der Genitalverstümmelung wird hingewiesen, ein Thema, das zu vielen Menschen überhaupt nicht bewusst ist.

Diese Dokumentation fordert auf wohltuende Weise Respekt vor der Frau und ihrem Recht auf (sexuelle) Selbstbestimmung!

Zweifelsohne forschte Freud zu einer Zeit, in der dem Kleinbürgertum ein sozialer Aufstieg gerade durch sexuellen Verzicht möglich schien. Damals lag das Heiratsalter in höheren sozialen Schichten sehr hoch, und Frauen hatten bis zur Eheschließung enthaltsam zu leben, was junge Männer in die Arme von Prostituierten, Dienstmädchen und von anderen "Ehrlosen" trieb.

Während einer Ehe war man häufig aus materiellen Gründen bemüht, die Kinderanzahl möglichst niedrig zu halten. Die Befriedigung sexueller Bedürfnisse blieb für bürgerliche Frauen also ein kompliziertes Terrain, während ihre Männer ihren sexuellen Genuss weiterhin dort suchten, wo sie ihn schon vor ihren Eheschließungen fanden.

Der Aufstieg der NSDAP in den 1930er Jahren bescherte der deutschen und österreichischen Frau ein neues Ideal der gelebten Weiblichkeit: Ein trautes Heim, ein liebender Mann und eine Schar glücklicher Kinder sollten einer hochgewachsenen, arbeitsamen, nordisch-blonden Frohnatur inmitten vieler Nachkommen am heimischen Herd eine Welt der Zufriedenheit erschaffen!

Viele Kinder zu gebären stand also im Mittelpunkt des neuen Frauenbildes, das, von NS-Bonzen erschaffen, bei ihren eigenen Frauen übrigens eher selten gepflegt wurde. Ausschlaggebend in den hochtrabenden, männlichen Visionen war, dass das Volk rein und sauber bleiben sollte, weshalb der Wunsch nach altarischem Blut und männlichen Nachkommen (die später als Kanonenfutter dienen sollten) äußerst salonfähig war!

Emanzipiert zu leben war jedoch zu dieser Zeit zumindest in Deutschland schon weit fortgeschritten, weshalb diese Errungenschaft nicht mehr so einfach ins Gegenteil verkehrt werden konnte - gerade Frauen der Oberschicht ließen sich nicht mehr zum "Heimchen am Herd" degradieren.

In "Die Frauen der Nazis" wurden mehrere Biografien bekannter Nazi-Gefährtinnen von Anna Maria Sigmund, einer promovierten Historikerin, sorgfältig recherchiert; es finden sich jede Menge interessante Einblicke.

Etwas anders waren die gesellschaftlichen Entwicklungen in der Schweiz, da noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Ideen der Gleichberechtigung gerade bei Frauen auf Abwehr trafen, etwa bei der Einführung des Wahlrechtes für Frauen: 1958 wurde der "Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht" gegründet, der sich erst 1971 auflöste. Begründet wurde die Idee zu diesem Bündnis von den "umgekehrten Suffragetten" u.a. auch damit, dass man im Frauenstimmrecht eine Bedrohung der bürgerlichen Werte sah. Die Gegnerinnen des Wahlrechtes waren übrigens durchaus gebildete Frauen, die ihre Aufgaben auch nicht vorrangig in der Versorgung ihrer Familien und in ihrer Arbeit für das Gemeinwohl sahen. Was auch immer ihre tatsächlichen Gründe für ihren Kampf gegen die Gleichberechtigung waren, sie waren in jedem Fall privilegiert durch eine erfolgreiche Heirat; auch befürchteten sie ein "Abrutschen" ihrer Gesellschaft, sofern man linken Werten Tür und Tor öffnen sollte. Vielleicht wollten diese Damen tatsächlich verhindern, dass die "einfachen Frauen", welche sie als von links manipulierbar einschätzten, zur Urne schritten. Übrigens beteiligten sich diese Aktivistinnen nach der Auflösung ihres Bundes durchaus rege am politischen Leben, auch machten sie dann fleißig von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Wo auch immer die Lust der Frau am unabhängigen, selbstbestimmten Frausein vorhanden ist, verbreitet diese bei nicht wenigen Männern auch im 21. Jahrhundert immer noch so große Angst, dass es auch zukünftig leider notwendig sein wird, Gewaltschutzzentren und Frauenhäuser weiter auszubauen.

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