Bereits mit dem Eintritt in dieses irdische Leben steht fest, dass wir eines Tages sterben werden. Eine Gewissheit, die einzige Gewissheit im Leben!
Sterben - ein Leben in ein unsichtbares wandeln? Jene geliebten Menschen wiedersehen, die schon vorausgegangen sind?
Tod - und was kommt danach? Kommt überhaupt etwas danach? Der ewige himmlische Frieden, das ewige Licht, die ewige Ruhe?
Oder kann es sein, dass es einer Seele bestimmt ist, erneut eine irdische Erfahrung zu machen?
Trauern - wie lange dauert dieser Prozess? Wandelt mich dieser Prozess in einen tieferen Menschen?
Es gibt nichts, was uns das Fehlen eines geliebten Menschen ersetzen kann, man muss es einfach aushalten. Je schöner und einzigartiger unsere Erinnerungen sind, desto schmerzhafter erleben wir das Fehlen eines Menschen. An manchen Tagen scheint uns die Traurigkeit mehr niederzudrücken, als wir überhaupt ertragen können. Vielleicht wünschen wir uns noch einmal eine Begegnung mit einem geliebten Menschen? Nur noch diese einzige! Es mag uns beschäftigen, dass nicht alles gesagt werden konnte. Und ganz sicher taucht etwas auf, das in den Tagen, Wochen, Monaten "danach" gesagt werden möchte.
Wie kann ich meine Gefühle, meine Gedanken, meinen Dank diesem so vermissten Menschen noch nahe bringen? Ge*danke*n - können sie den Vorhang, der uns trennt, durchdringen?
Heuer habe ich das Trauern besonders intensiv erlebt. Ich habe Abschiede durchlitten, die mir viele Gefühle abverlangt haben. Ich habe meinen persönlichen Glauben an Gott infrage gestellt, wie ich auch tiefe Wutgefühle in mir wahrgenommen haben: Warum müssen Menschen, die sich so weitreichend, couragiert und warmherzig an andere verströmt haben, so sehr leiden?
Ich habe mich reizbar, schlaflos, erschöpft, apathisch und zurückgezogen erlebt. Mein Gewissen war belastet, auch mit dieser Frage: "Habe ich für diesen Menschen alles gegeben, was ich geben konnte?"
Jetzt bin ich soweit: Ich kann mich erinnern, ohne mich sofort vom Stachel der Trauer durchdrungen zu fühlen. Ich kann die schönen Erinnerungen als kostbare Geschenke annehmen - auch dafür bin ich dankbar.
Tränen dürfen fließen, doch immer öfter trockne ich sie mit einem Lächeln.
Seit einigen Jahren kenne ich die Vertonung von Rilke's Gedicht "Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen".
Leben - als ein Kreisen in einem ewigen Sein?
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß nocht nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
Foto C* - Zentralfriedhof, Wien, weitere Fotos in "Spuren des Lebens"