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Abschied in Würde



Basilika St. Laurenz, Enns, Oberösterreich

Zum Engel der letzten Stunde, den wir so hart den Tod nennen,

wird uns der weichste, gütigste Engel zugeschickt,

damit er gelinde und sanft das niedersinkende Herz des Menschen

vom Leben abpflücke und es in warmen Händen ungedrückt

aus der kalten Brust in das hohe, wärmende Eden trage.

Sein Bruder ist der Engel der ersten Stunde, der den Menschen zweimal küsset,

das erste Mal, damit er dieses Leben anfange,

das zweite Mal, damit er droben ohne Wunden aufwache

und in das andere lächelnd komme, wie in dieses Leben weinend.

(Jean Paul)


(Foto: mein gefühlter Garten Eden an der Südsteirischen Weinstraße)

Allerheiligen ist ein christlicher Gedenktag, an dem die Westkirche aller Heiligen gedenkt.

Zu Allerseelen gedenkt die römisch-katholische Kirche ihrer Verstorbenen, an diesen beiden Tagen findet auch die Gräbersegnung statt.

Viele Menschen denken besonders an diesen Tagen an ihre Verstorbenen; Gestecke, brennende Kerzen

und frische Blumen zieren die Gräber, Weihrauch verkündet die Anwesenheit eines Priesters, der die Gräber segnet.

Meine persönlichen Gedanken an geliebte Menschen, die nicht mehr um mich sind, sind nicht auf diese beiden Tage fixiert. Mein Weg führt mich auch nur noch selten an deren Gräber. Mein persönlicher Glaube schenkt mir die Zuversicht, dass Menschen am Ende ihres irdischen Weges ihr Leben in ein unsichtbares, geistiges Leben wandeln.

Es gibt immer wieder Phasen in meinem Leben, in denen ich besonders hartnäckig in mein Innerstes blicke, um zu erkunden, wie es um meinen Glauben an ein Wiedersehen mit geliebten Wesen bestellt ist. Ich meine, dass mein persönlicher Glaube an ein weiterbestehendes geistiges Leben wenig durch meine Erziehung beeinflusst ist, viel mehr habe ich mich intensiv als erwachsener Mensch im Rahmen meiner spirituellen Auseinandersetzung mit dem Leben in seiner Ganzheitlichkeit mit vielen Fragen beschäftigt. So kann ich auch eine Wiedergeburt der Seele nicht ausschließen.

Ja, es ist ein Danken, das sich mit meinen oft ambivalenten Gefühlen für geliebte Menschen auf den Weg macht: Dankbarkeit und Wehmut wechseln einander ab, dies durchaus auch in großer Emotionalität. Nicht selten ertappe ich mich bei Zahlenspielen, ich rechne nach, wie lange meine Lieben bereits aus meinem Leben entschwunden sind.

Ein mir äußerst wichtiges, auch von mir häufig hinterfragtes Kapitel des Lebens ist jenes der menschlichen Würde, dies in Zusammenhang mit medizinischen Erkenntnissen über das menschliche Leben an der Schwelle zum Tod.

Medizinische Forschungen und Erkenntnisse sowie Fortschritte in der Behandlung und Betreuung kranker Menschen, die zur Folge haben, dass in den natürlichen Lebenskreislauf des Menschen eingegriffen wird, lassen uns häufig in Situationen wiederfinden, in denen der Mensch einer ethischen Gratwanderung ausgesetzt ist.

Vielfach beschäftigen sich Intellektuelle aus den Bereichen Medizin, Philosophie und Theologie mit der Frage nach der Zumutbarkeit menschlichen Leides im Krankheitsfall: Die Medizin verfügt heute über vielfältige Mittel der Schmerztherapie, die ein unermessliches Leiden überflüssig machen, aber auch häufig aufgrund der gewählten Medikation zum schnelleren Krankheitsverlauf und damit zum Tod führen können und daher bei diversen Entscheidungsträgern in der Frage um Leben und Tod nicht unumstritten sind. Zweifelsohne bedarf es großen Fingerspitzengefühls in diesen Entscheidungen und Gesetzesformulierungen.

Abseits der rechtlichen Möglichkeit einer Patientenverfügung, mit der bestimmte medizinische Behandlungen vorweg abgelehnt werden können, gibt es aktuell in Österreich vermehrt Anzeichen dafür, auch von Gesetzes Wegen ganz klar abzusichern, dass eine Schmerzlinderung bei schwer kranken Menschen vor eine Lebensverlängerung gestellt werden kann, was einer indirekten Sterbehilfe gleichkommt. Bei der passiven Sterbehilfe müssten lebensverlängernde Maßnahmen unterlassen werden.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich aus einer ursprünglich christlichen Idee, deren erste Spuren bis in die Frühzeit des Christentums zurückreichen, das Hospiz (lateinisch: "hospes": Gast, aber auch Gastgeber). Ausgehend von Frankreich und Irland gab es also nun eine Beherbergung inklusive Hilfe und Stärkung für Menschen, die sich auf der Durchreise in ein "anderes Land des Lebens" befanden.

Der intensiven Begleitung von Menschen während ihres letzten Lebensabschnitts durch Elisabeth Kübler-Ross sind weitreichende Erkenntnisse der Bedürftigkeit eines Menschen in dieser Situation zu verdanken. Frau Kübler-Ross bewirkte mit ihren Interviews mit Sterbenden eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sterben der Menschen - auch abseits ihrer vertrauten Lebensumgebung.

Die moderne Hospiz-Bewegung bedeutet heute auch Begleitung (auch in der Trauerbewältigung der Angehörigen) und Schmerztherapie.

Der Hospizbewegung ist auch zu danken, dass die Gesellschaft gar nicht umhin kann, sich mit vielen Fragen rund um ein Sterben in Würde auseinanderzusetzen.

In diesen Diskussionen fällt auch immer wieder der Begriff der "Wahrheit": Der Mensch hat ein Recht auf Aufklärung über seinen gesundheitlichen Zustand und hier sind die menschlichen Qualitäten jener Ärzte gefragt, die damit konfrontiert sind, Hiobsbotschaften zu übermitteln.

Ein Mensch, dessen Zeit gekommen ist, sein irdisches Leben zu beenden, hat jedes Recht, dies in würdevollem Rahmen tun zu dürfen, auch, was das Umfeld betrifft : Manche Menschen können nur gehen, wenn sie alleine sind. Andere brauchen ihre gewohnte Umgebung, wollen im Kreise ihrer Lieben in ihrem Zuhause sterben und können sich nicht von dieser Welt lösen, solange sie im Spitalsbett liegen.

Manche Menschen haben noch das Bedürfnis, etwas für sie Wichtiges mitzuteilen.

Sterben ist eine höchst individuelle Reise und wohl auch beeinflusst von Kultur, Religion und Persönlichkeit. Die Zeit vor dem letzten Schritt ist ebenso eine zutiefst individuelle Auseinandersetzung mit dem Leben, für viele auch in der Frage, ob wir uns ein geistiges Leben "danach" vorstellen können.

Andere Menschen blenden die Zeit des Abschieds sehr bewusst aus ihrem Leben aus, ich kenne allerdings auch Menschen, die sich intensiv damit auseinandersetzen und sei es, um bereits die gewünschte Zeremonie anlässlich ihrer Bestattung festzusetzen: Sie halten musikalische Wünsche fest, notieren ihre Blumenvorlieben, gestalten eine Gästeliste oder sie deponieren, dass sie eine Feuerbestattung wünschen. Mir persönlich ist die spirituelle Dimension des Lebens (und Sterbens) von Bedeutung, weniger der Abschied, den mir meine Mitmenschen bereiten.

Je nach persönlicher Überzeugung und Religionszugehörigkeit hinterfragen Menschen die Möglichkeit einer Wiedergeburt - manche entscheiden gar, ihr Leben sehr bewusst in Hinblick auf ihre Wiederkehr der Seele und ihr Karma zu verbringen. Der Glaube an Seelenwanderung ist inzwischen nicht mehr nur wesentlicher Bestandteil östlicher Weltreligionen, Philosophien und vieler Naturreligionen, er hat auch vor der abendländischen Kultur keineswegs Halt gemacht und hält durchaus auch Einzug in das Denken vieler Menschen, die sich einer christlichen Konfession zugehörig fühlen.

Letzlich ist der Umgang damit, ob wir überhaupt einen tieferen Sinn unseres Daseins erkennen können oder welcher religiösen oder philosophischen Anschauung wir uns zugehörig fühlen, sicherlich auch maßgeblich dafür verantwortlich, wie würdevoll wir damit umgehen können, dass uns der Abschied schon beim Eintritt ins Leben mitgegeben ist.

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