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Spuren des Lebens



Vor kurzem begaben wir uns bei traumhaftem Wetter wieder einmal auf besondere Spuren des Lebens, inmitten eines riesigen Ortes, von dem man wahrhaft auch von einem Tummelplatz der Lebendigkeit schreiben kann: Der Wiener Zentralfriedhof ist ein Paradies für viele Tierarten und mit etwas Glück kann man Hamster ebenso beobachten wie Turmfalken, Seidenschwänze, Laubfrösche, Hasen, Rehe, Fasane und andere tierische Lebewesen.

Auch gilt dieser so vielseitige Friedhof als ausgedehnte Kunststätte für Bildhauer und Steinmetze: Einige Bildhauer schufen gar ihr eigenes Grabmal, wie etwa Alfred Hrdlicka. Mit einer Fläche von 2,5 km² fasst der Zentralfriedhof ca. 330.000 Gräber und gilt somit als einer der größten Friedhöfe Europas; rund 3 Millionen Verstorbene haben bislang hier ihre letzte Ruhe gefunden. Es gibt unfassbar große, pracht- und kunstvolle Grabstätten, genauso wie es trostlose und völlig ungepflegte Gräber gibt, beides erstaunt uns auf seine Weise.

Da Wien eine multikulturelle Großstadt ist, gibt es mehrere Bereiche für die Toten aus unterschiedlichen Kulturen und für jene Menschen, die diese Gräber und die darin Beerdigten gemäß ihren Traditionen und religiösen Riten pflegen. Ein Orientierungsplan gibt darüber Auskunft, wo die einzelnen Sektionen zu finden sind. Es ist durchaus üblich, dass es beispielsweise auf dem Areal der islamischen Gräber zu diversen Familientreffen kommt. Da wird es dann auch laut und fröhlich, Essen und Getränke werden auf den (mitgebrachten) Sitzgelegenheiten ausgebreitet. Inmitten der Grabstätten wird das Leben gefeiert und der Toten gedacht, das soll sich ja auch nicht ausschließen - und genau so ein Treffen können wir auch in gebührendem Abstand beobachten.



Unser Weg führt auch vorbei an einem Areal mit Baby- und Kindergräbern, diese sind schon aus der Ferne zu erkennen, viele bunte Windräder drehen sich, Teddybären und unzählige Engelfiguren, Spielzeugautos, Puppen und Fußbälle sind ebenso ein typischer Grabschmuck. An diesem Bereich muss ich rasch vorbeigehen, denn hier fühle ich großes Bedauern und Tränen aufsteigen - so viele ungelebte Leben, solch ein Schmerz bei Eltern, Geschwistern und Verwandten, Inschriften zeugen davon. Der Anblick ist kaum auszuhalten und so wenden wir uns dem Naturbereich zu, der Waldfriedhof grenzt an den Bereich der Kindergräber. Davor treffen wir eine freundliche Wienerin, die uns erzählt, dass die Rehe wieder einmal ihre mitgebrachten Rosenstöckchen kahlgefressen haben. Auch von anderen Besonderheiten des Friedhofes berichtet sie uns und sie weist in die Richtung, in der wir Falco's Ehrengrab finden können - dabei haben wir gar nicht erwähnt, dass wir danach ebenfalls Ausschau halten wollen.

Als wir unser Gespräch mit der freundlichen Frau beenden, wollen wir uns den Waldfriedhof näher ansehen. Plötzlich raschelt es im Laub und Geäst und unweit von uns stürmen vier Rehe an uns vorüber. Wir können es kaum glauben, eben haben wir von ihrer Anwesenheit erfahren, nun bekommen wir sie auch schon zu sehen. Sie sind ganz offensichtlich an Menschen gewöhnt, meine Fotoaufnahmen lassen sie völlig ruhig über sich ergehen, bevor sie sich in Richtung der Gräber weiterbewegen. Ob wohl wieder köstliche Rosenköpfchen auf der Speisekarte der Rehe stehen? Jedenfalls ist für uns jetzt klar, warum so viele Gräber durchwühlt wirken, denn auch das Wachs der Kerzen ist für so manche Tiere interessant ... Auch werden wir noch hören, dass ein Pärchen seinen Weg mit den Worten "Schau'n wir noch zu den Hamstern!" fortsetzt.


Wir wenden uns nach unserer Begegnung mit den Rehen in Richtung der Ehrengräber. Bald schon taucht eines der auffälligsten Gräber unter den Ehrengräbern auf, jenes von Hans Hölzel, besser und auch weltbekannt als Falco. Es ist sicherlich jenes Ehrengrab, das von den meisten Fans eines Künstlers besucht wird. Falco ist definitiv auch 25 Jahre nach seinem so tragischen Unfalltod unvergessen. Viel zu früh ist er verstorben, seinen Tod habe auch ich einst sehr bedauert. Es freut mich, dass Falco für viele Menschen mit seiner Musik unsterblich ist. Es gibt unzählige Titel, die ich 'rauf und 'runter gehört habe. Besonders ein Detail in Hinsicht auf seine Grabbeigaben erweckt meine Aufmerksamkeit - da hat dem Hans doch glatt jemand eine Zigarette dagelassen! Die Zigarette erinnert mich an Lotte Ingrisch, die ihrem geliebten Mann, Gottfried von Einem, gerne Wein mit ans Grab gebracht hat. Lotte Ingrisch war auch bekannt für ihre Vorliebe für Sterbe- und Jenseitsforschung. Dem Tod begegnete sie mit erwartungsvoller Faszination und großer Neugierde, das Leben ließ sie allerdings lange nicht aus, sie erreichte ein hohes Alter. Was ihre Einstellung zum Lebensende betrifft, würde ich gerne von Lotte Ingrisch lernen. Ich habe mich für ein Seminar zu diesem für mich so schweren Thema angemeldet, ich habe das Bedürfnis, meinen Ängsten vor Abschieden zu begegnen und zu lernen, wie ich sie besänftigen kann.

Auch ein unvergessener Künstler: Supermax, mit bürgerlichem Namen Kurt Johann Hauenstein; ihm ist ein schlichtes Grab gewidmet, aber ein sehr schöner Grabstein zeigt sein unverwüstliches Portrait, welches einen Fan hörbar begeistert.

Der Wiener Zentralfriedhof ist also nicht nur ein Ort, an dem sich die Natur teilweise recht ungebändigt zeigt, sondern natürlich auch ein Ort der Stille, des Gedenkens und der Kunst - und auch ein Ort ...



Nach einem ausgiebigen Spaziergang mit vielen Gelegenheiten für Fotos von Überraschendem, Berührendem, Kunstvollem und reichlich Sehenswertem wollen wir unbedingt eine genussreiche Rast in einer der wohl bekanntesten Konditoreien Wiens einlegen, in der die Tortenstücke zwar relativ zart und hochpreisig ausfallen, ihr Geld aus unserer Sicht allerdings jedenfalls Wert sind.

Mit der Straßenbahn geht es nach unserer köstlichen Rast zurück in den ersten Bezirk, vorbei an netten typischen Wiener Wirtshäusern, die teilweise über vorzügliche Speisenangebote verfügen (auch Schmankerl, die man üblicherweise nicht mehr in einer Speisekarte lesen kann, z.B. Rahmherz oder auch Altwiener Backfleisch), weiters vorbei am Belvedere und an der Albertina Modern.



Immer wieder lädt Wien vor allem in seiner prächtigen inneren Stadt ein, über Fassaden zu staunen ... Vor dem Stephansdom befinden sich "Raising Hands", in dieser Skulptur wurden eine Million 1-Cent-Stücke verarbeitet, die Künstlerin Julia Bugram will damit auf die Wichtigkeit von solidarischem Handeln und wertschätzendem Miteinander aufmerksam machen. Laut Presseberichten wiegt die Skulptur vier Tonnen, an den Klebearbeiten soll eine "breite Gesellschaft" mitgewirkt haben.

Unser Weg zurück zum Hauptbahnhof führt über ein kultiges Lokal im 1. Bezirk, in dem ich gerne ein Weilchen verweilen möchte, um das bunte Publikum und das Flair der Räumlichkeiten auf mich wirken zu lassen.

Zu später Stunde machen wir uns schließlich mit dem Zug auf unseren Heimweg. Einen schönen Tag durften wir wiederum in Wien verbringen, es wird hoffentlich bald wieder einmal eine Wiederholung für so einen gelungenen Tagesausflug geben ...

#reisen #staunen #Natur #Kunst Fotos: C*, "Raising Hands" vor dem Stephansdom, darunter die Karlskirche. Die Fassade der Firma Lobmeyr hat mich einfach begeistert, das Foto dient ausdrücklich keinerlei Werbezweck!

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