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Verabredung mit dem Leben


Ist es seltsam, gerade aus Anlass von Gräberbesuchen an Allerheiligen und Allerseelen über Verabredungen mit dem Leben nachzusinnen? Nur ein scheinbarer Widerspruch, wie ich meine.

Über viele Jahre waren mir Besuche von Friedhöfen nicht möglich, auch, weil mir an diesen speziellen Tagen rund um Allerheiligen stets zuviel Rummel herrschte. Die inszenierten Totengedenken sind nicht mein Fall, ich finde unter den vielen Friedhofsbesuchern keine Ruhe, um in Gedanken zu verweilen.

Um an meine lieben Verstorbenen zu denken, brauche ich weder einen Grabstein noch einen bestimmten Tag. Diese geliebten Menschen sind sehr oft in meinen Gedanken und in meine Dankbarkeit einbezogen. Manchmal halte ich auch Zwiesprache. Meine geliebten Menschen sind auf diese Weise lebendig. Wir leben zweimal ...


Seit ein paar Jahren gelingt es mir wieder, Friedhöfe zu besuchen, in aller Beschaulichkeit. Ich habe diese nämlich als Lebensräume entdecken dürfen - als wunderbare und friedliche Lebensräume für allerhand Getier. Möglich wurde mir diese Erfahrung durch einen Aufenthalt am Wiener Zentralfriedhof. Was gibt es dort nicht alles zu staunen! Diesen Besuch kann ich nur empfehlen - auch als Verabredung mit dem Leben.

Gestern war ich am späten Nachmittag wieder einmal auf einem Friedhof unterwegs. Es war ein stimmungsvoller Spaziergang, die vielen Lichter verwandelten das Areal in ein schönes Lichtermeer. Frische Blumen waren auf vielen Gräbern arrangiert, vielfach von Engelfiguren umgeben - diese vermitteln mir Ruhe und Frieden.

Ich weiß, dass die meisten Menschen eine Grabstätte brauchen, als einen Ort des Gedenkens an geliebte Menschen. Das respektiere ich in jeder Hinsicht.


Was verbinde ich selbst mit einem Grab?

Ein Grab ist eine Stelle für die körperliche Hülle von verstorbenen Menschen. Für eine Hülle, die dem Verfall preisgegeben ist. Das mir Wesentliche kann ich allerdings dort nicht finden.

In Hinblick auf Bestattungen hat sich in den letzten Jahren vieles verändert, die klassische Sargbestattung weicht immer mehr anderen Möglichkeiten. Am schönsten finde ich die Idee von Naturbestattungen, zu Land oder zu Wasser. Bei einer Baumbestattung wird die Asche des verstorbenen Menschen in einer biologisch abbaubaren Urne im Wurzelbereich eines Baumes beigesetzt. Ich finde den Gedanken tröstlich, nach meinem Tod wieder in den natürlichen Kreislauf des Lebens einzugehen, das passt zu mir - und ich liebe Bäume.

Das Wesentliche von mir bleibt ja ohnehin in den Herzen jener, denen ich nahe war.

Es erübrigt sich so auch eine Grabpflege, wer sollte das auch machen? Warum sollte mir jemand Blumen auf mein Grab legen? Ich möchte all diese Blumen, diese herzerwärmende Zugewandtheit von mir lieben Menschen, sehr gerne hier und jetzt, in der Gegenwart erhalten - und genießen. Nach meinem Tode ist dies nicht mehr möglich.

Ich möchte mich mit dem Leben verabreden - nicht mit dem Tod. Dieser ist unausweichlich, für jeden von uns. Der Tod ist die einzige Gewissheit in unseren Leben - aber er darf gerne noch ein bisschen auf mich warten.


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