„Fanatismus ist sehr ansteckend.
Man kann ihn sich leicht zuziehen, während man versucht, ihn zu besiegen.“
(Amos Oz, israelischer Schriftsteller)
„Geistlose kann man nicht begeistern, aber fanatisieren kann man sie.“
(Marie von Ebner-Eschenbach )
In der Politik geht es schon seit längerem vor allem in Wahlkampfzeiten fast ausschließlich um Wortgefechte und -duelle, und man darf sich - wie diese Worte schon aufzeigen - in diesen Auseinandersetzungen auch keine Fairness mehr erwarten.
Besonders schlimm sind mir unzählige Wahlkampf-Ausschweifungen in Erinnerung, denen sich Donald Trump verschrieben hat. Seine primitive und menschenverachtende Rhetorik bleibt uns bedauerlicherweise auch in Zukunft nicht erspart!
Dass verbale Entgleisungen längst auch in die europäische Politik Einzug gehalten haben, zeigen Blicke in die breite Medienlandschaft: Berlusconi, Strache, Petry, Le Pen (Vater wie Tochter), um nur einige Namen jener zu nennen, die sich einer massentauglichen Bierzelt- und Stammtisch-Rhetorik bedienen. Dem Volk aufs Maul g'schaut!
Amerikanischer Wahlkampfstil ist auch, die Familie in den Focus der Öffentlichkeit zu stellen.
Im Duell um die Hofburg bedient sich Norbert Hofer der Massenmedien, fragwürdige Homestories sollen ihn als "ganz normalen Mann des Volkes" mit "ganz normaler Familie" (Frau , Kinder, Hund) zeigen: Es wird auf Emotionen gesetzt!
Bei TV-Duellen steht nicht die Sachpolitik im Vordergrund, sondern, durch Emotionen ZuschauerInnen zu gewinnen. Bei kurzen Antworten zählen nicht Inhalte, sondern rhetorische Tricks und in diesen ist Hofer besonders geschult. Diskussionsformate sind leider TV-Geschichte, es zählten Fachwissen und Argumente.
Norbert Hofer verfügt über viel NLP-Wissen, das allerdings sehr umstritten ist. Da ich mich selbst sehr kritisch und auch praktischerweise mit NLP auseinandergesetzt habe, weiß ich zu gut, dass es im Zuge des Programmierens (!) tatsächlich zu Manipulationen des Gegenübers kommt. So kann man Hofer jedenfalls als "rhetorischen Houdini" bezeichnen.
Sehr wahrscheinlich ist, dass auch Alexander Van der Bellen bestens geschult ist, doch bei ihm hat man den Eindruck, dass er sich darauf nicht verlassen möchte, was ihn manchmal auch hölzern wirken lässt - jedenfalls ist er weitaus authentischer als sein Wahlkampf-Gegner.
Hofer verliert in jenen Momenten seine magischen Kräfte, wenn er emotinal wird: Dann vergisst er Einstudiertes!
Van der Bellen's Auftritte leiden offensichtlich darunter, dass er sich von Hofer unter Druck setzen lässt: Auf unfaire Angriffe reagiert er oft aus einer Verteidigungsposition heraus, was Hofer als korrekten Menschen erscheinen lässt.
Die oft so wortgewaltigen Zauberer können nur dann entzaubert werden, wenn sie Gelegenheit erhalten, Verantwortung zu übernehmen. Von Donald Trump weiß man ja, dass er das Regieren mehr seinem Vizepräsidenten Mike Pence überlassen will. Er wird vor allem dann präsent sein, wenn er sich selbst in Szene setzen kann.
"Make America great again" ist Trumps Kernbotschaft, er vermochte mit einfachen, polternden Worten seine Wählerinnen und Wähler einzulullen: Er gibt vor, die marode amerikanische Infrastruktur sanieren zu wollen, was angesichts der leeren Staatskassa unmöglich scheint, noch dazu, wenn er die angekündigten Steuersenkungen durchziehen will.
Es fehlen u.a. intakte Stromleitungen, Straßen und Brücken, es fehlen Spitäler, Bildungsstätten und andere soziale Einrichtungen.
Dass sich Trump erfolgreich als Saubermann inszeniert hat, fern der ihm angeblich so verhassten Eliten, zeigt umso deutlicher, wie gut er seinen Schäfchen Sand in die Augen streuen konnte: Er selbst lebt den perfekten elitären Lebensstil, einzig seine banale Sprache ist diesem Lebensstil nicht angepasst.
Ich befürchte, dass wir uns noch in Geduld üben müssen, bis die Masse an Menschen bereit ist, wieder auf Sachlichkeit, Fairness, Kooperation und Solidarität zu setzen. Erst dann werden die Zauberstäbe der rhetorischen Houdinis ihre Wirkung verlieren!