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Neuer Anspruch an das Leben - von der Ohnmacht zur Befreiung





"Du sollst Vater und Mutter ehren", eines der zehn Gebote in der Bibel. Egal, wie sich Eltern ihrem Kind gegenüber verhalten?

Viele Erwachsene haben in ihrer Kindheit Schmerzen an Leib und Seele erlebt, zugefügt von den eigenen Eltern. Ein Mangel an guten Gefühlen für sich selbst und unterschiedliche Arten von Aggressionen, gegen sich selbst oder die Außenwelt gerichtet, sind die Folgen von psychischer und / oder physischer Gewalt.


Vor einigen Monaten habe ich ein Buch in einem offenen Bücherschrank gefunden, dessen Titel mich sofort angesprochen hat: "Vergiftete Kindheit - Elterliche Macht und ihre Folgen", Autorin: Susan Forward, Verlag: Goldmann

Zum damaligen Zeitpunkt habe ich neugierig darin geblättert, etwas hineingelesen und das Buch vorerst zur Seite gelegt; der Zeitpunkt, das Buch zu lesen, war wohl noch nicht ganz reif. Es erschien mir jedenfalls sehr interessant in Hinblick auf meine Elternarbeit, wie ich sie über viele Jahre in meinem Berufsleben er- und gelebt habe. Heute, einige Monate später, da ich mich an einer Lebenskreuzung befinde, die ich als sehr herausfordernd empfinde, lese ich mit immer mehr Selbsterkenntnis in diesem Fachbuch. Im Wesentlichen gibt es keine neuen Erkenntnisse über Eltern, die sich "giftig" verhalten, jedoch kann ich nun in aller Deutlichkeit Muster aus meiner eigenen Kindheit benennen, die mich immer noch hemmen in meinem eigenen Vorwärtskommen.

Als eine der weitreichendsten Folgen meiner Erziehung durch meine Eltern habe ich identifiziert, manchmal nicht rechtzeitig "Nein!" oder "Stopp!" sagen zu können: Es fällt mir nicht immer leicht, mich gegen die Erwartungen anderer an mich zu entscheiden.


In ihrem Buch zeigt Susan Forward auf, dass es bei vielen, oftmals auch beruflich sehr erfolgreichen Menschen, in Kindheit und Jugend zu sehr manipulativen Handlungen von Seiten der Eltern kam, die bis ins Erwachsenenleben nachwirken. Im äußersten Fall, nämlich bei Anwendung von körperlicher Gewalt durch ein Elternteil oder beide Eltern, ist auch zu beobachten, dass solche Handlungen von längst erwachsenen Kindern oft lange sogar verteidigt werden, wie Susan Forward auf eindrückliche Weise wiederholt belegen kann. Im vorliegenden Buch erinnern sich Erwachsene an elterliche Übergriffe, u.a. spricht ein Arzt, der Gordon genannt wird, während seiner therapeutischen Stunden davon, dass er bei "Fehlverhalten" von seinem Vater massiv verprügelt wurde.

Er wurde von seinem Vater, einem anerkannten Arzt, mehrmals wöchentlich mit einem Gürtel auf Rücken, Beine, Arme, Hände und Hinterteil geschlagen.

In seinen Sitzungen verschweigt Gordon, der aufgrund seiner unkontrollierbaren Wutausbrüche eine Therapie in Anspruch nimmt, das Verhalten seines Vaters zunächst; er neigt sogar dazu, den Prügelvater zu verherrlichen: "Ohne ihn wäre ich wohl nie Arzt geworden. Er ist der Größte. Seine Patienten halten ihn für einen Heiligen." Erst als Gordon von "Klapsen" spricht, die er als Kind für seine "Vergehen" bekam, lassen sich erste Risse in Gordons glorifizierender Sicht auf seinen Vater erkennen. Als Gordon von Susan Forward darauf hingewiesen wird, dass seine Frau, die Kinderärztin ist, solche Verletzungen anzeigen müsse, brechen Gordons Verteidigungsmechanismen für seinen Vater zusammen. Indem er erkennt, was ihm über Jahre angetan wurde, kann er gemeinsam mit der Therapeutin dazu übergehen, die Verbindung zwischen dem Verhalten seines Vaters und seinen Problemen als Erwachsener zu sehen.


"Unsere Eltern pflanzen sozusagen seelische und emotionale Samenkörner in uns, die mit uns wachsen. In manchen Familien sind es die Samen von Liebe, Respekt und Unabhängigkeit. In anderen sind es jedoch die Samen von Angst, Verpflichtung und Schuld." ("Vergiftete Kindheit - Elterliche Macht und ihre Folgen", Susan Forward)

Ist die Selbstachtung bei Erwachsenen beeinträchtigt, kann dies darauf hinweisen, dass mindestens ein Elternteil schlug, kritisierte oder auf andere Weise das Kind in ein Mangelbewusstsein dirigierte: "Du bist dumm!", "Du bist hässlich!", "Du warst kein Wunschkind!"

Es ließen sich unzählige Beispiele aufzählen, wie Eltern auf dramatische Weise in das Leben und somit in die Seele ihres Kindes eingreifen: Es sind nicht nur die auffälligen "Rabeneltern" oder "MisshandlerInnen", die als toxisch eingestuft werden müssen, es sind auch die ewigen "KonrolleurInnen", die auf beherrschende Weise ihrem längst erwachsenen Kind ein eigenes Leben erschweren: Zu unterscheiden ist zwischen

  • "direkter Kontrolle" ("Tu, was ich dir sage, sonst drehe ich den Geldhahn zu") und

  • der Form der "subtilen Kontrolle", der Manipulation (ein Beispiel: Eine Mutter versorgt die erwachsene Tochter ständig ungefragt mit Essen, sortiert Kleider aus, räumt Möbel um, etc.).

Nachzulesen sind diese Beispiele und Mechanismen ebenfalls im erwähnten Buch.


Ein weiteres interessantes Kapitel im Buch ist auch jenes, in dem die Therapeutin darauf hinweist, dass wir nicht vergeben müssen, um unser Leben befreit und erfüllt fortzuführen. Diese Sichtweise ist definitiv in der Hinsicht neu für mich, als dass ich sie in der Fachliteratur noch nie gelesen habe und damit setzt Susan Forward auch einen klaren Widerspruch zu vielen religiösen, philosophischen und psychologischen Prinzipien: Auf das Vergeben folgt nicht automatisch eine Verbesserung im (Gefühls)Leben von misshandelten Menschen, es kann sogar zur Vergebungsfalle führen; ein Ansatz, den ich tatsächlich auch schon in meinem eigenen Leben beobachtet habe: Ich schließe mich Forwards Sichtweise an, dass Vergebung nur dann angemessen ist, wenn Eltern etwas tun, um sie sich zu verdienen. Eine Bereitschaft zur Wiedergutmachung muss also erkennbar sein, Taten müssen folgen.

Meine Erfahrung ist: Bei einsichtslosen und toxischen Eltern kann eine nachvollziehbare Vergebung seitens des Kindes auch dazu führen, dass die Eltern an ihrem verletzenden Verhalten nichts ändern.


Fakt ist, Eltern haben das Recht auf ihre eigene Meinung, aber sie haben nicht das Recht, grausam zu sein oder ihr Kind verbal herabzusetzen.


Abschließend eine Definition von "Liebe" als Verhalten, die eine klare Einschätzung ermöglicht:

"Liebevolles Verhalten macht Sie nicht bedrückt und schafft keinen Selbsthass, sondern ist gut. Wenn sich jemand zu Ihnen liebevoll verhält, fühlen Sie sich akzeptiert, gemocht, wertvoll und respektiert. Echte Liebe schafft Gefühle von Wärme, Freude, Sicherheit, Stabilität und innerem Frieden." (Susan Forward)


Fotos: C*

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