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Ein Viertel und ein weiteres Viertel ergeben: Reisefreuden (Teil 2)




Das Mühlviertel ist jenes Viertel, in dem meine Wurzeln liegen und in dem ich heute lebe.

Als Kinder fanden wir Ausflüge ins Mühlviertel schlicht und ergreifend zum Gähnen. Ausnahmen bildeten nur unsere Ferien bei Oma und Opa, Tante und Onkel - diese wurden oft von Herzen ersehnt und stets genossen.

Einige Jahrzehnte später hat mich große Begeisterung für dieses Stück Oberösterreich gefunden.


Obwohl es in guter Nähe liegt, sind Ausflüge ins Obere Mühlviertel dennoch nicht alltäglich für mich.

Doch nun ist es wieder einmal soweit! Auch diesmal ist der Wetterbericht nicht sonderlich günstig, die Schirme sind eingepackt, festes Schuhwerk haben wir auch dabei. Wir sind gut ausgestattet, der Rest ist wohl Glückssache.

Wir folgen mit dem Auto einer Bundesstraße, die an hübschen kleinen Dörfern des Mühlviertels entlangführt und landen pünktlich um die Mittagszeit in Aigen-Schlägl. Bier-Fans werden in dieser Gegend ganz sicher auf ihre Kosten kommen. Die Stiftsbrauerei Schlägl ist weithin für ihre bierigen Produkte bekannt und der Stiftskeller ist eine wahre Augenweide: Im Fasslraum kann man gar als kleine Runde in einem Fassl speisen und natürlich auch trinken - ganz normale Tische können jedoch ebenso gewählt werden. Es versteht sich von selbst, dass auch mit viel Liebe zum Bier gekocht wird.

Nach Stift Zwettl also diesmal Stift Schlägl: Es scheint, als sollten in diesem August unsere Füße immer wieder heiligen Boden berühren - vielleicht auch noch nicht zum letzten Mal, wer weiß ... Ich mache gerne eine Runde durch alle Räumlichkeiten, sie sind unterschiedlich gestaltet und es ist sicher für jeden Geschmack etwas Ansprechendes dabei. Überhaupt wird im Haus und auch vor dem Haus gerne dekoriert - je nach Jahreszeit. Diesmal sind es bunte Gießkannen, in der kühlen Jahreszeit hübsche Vogelhäuschen, aber immer der gleiche Baum. Da ich Schmuckes im Klosterladen erspäht habe, mache ich mir selbst ein Geschenk: Es ist eine türkisfarbene Libelle aus Ton, die ich günstig erstehen kann und die sich sicher wohl fühlen wird in einem meiner Blumentöpfe.



Unsere Reise führt nach unserer Rast nur einige Kilometer weiter, tiefer hinein in den Böhmerwald, dessen Wegenetz vor allem Radfahrerherzen höherschlagen lässt. Tatsächlich sind viele Radfahrer unterwegs, man sieht sie auch auf E-Bikes daherradeln. Hier gibt es den Schwarzenbergischen Schwemmkanal zu erwandern. Wir wagen einen Blick in den Himmel, Metereologe ist zurzeit tatsächlich ein herausfordernder Beruf! Wolken sammeln sich mal da, mal dort, türmen sich auf, dazwischen herrlicher blauer Himmel, und schwül ist es ebenso. Wie wird das bloß ausgehen?

Wir wählen einen Weg in ein Waldstück, der mir allerdings schon nach wenigen Minuten nicht der richtige zu sein scheint, denn laut einem Holztäfelchen würden wir nur über einen mehrstündigen Rundweg am gewünschten Ziel ankommen. Wir beschließen, unser Glück an anderer Stelle zu versuchen - und siehe da, nun sind wir richtig.


Gleich stellt sich ein gutes Gefühl bei mir ein, dieser Waldweg fühlt sich sofort richtig an.

Zu Beginn des Weges finden wir uns an einem kleinen Tümpel wieder. Ein leises Vibrieren ist zu vernehmen, wir erahnen freudig, was wir gleich entdecken werden: Und tatsächlich, hier tummeln sich mehrere Libellen, sie sausen durch die Luft, dicht an uns vorbei, manch eine hält kurz in der Luft an, doch so schnell habe ich meine Kamera gar nicht bereit, schon saust sie wieder weiter. Libellen sind wahre Luftkünstler, sie können abrupte Richtungswechsel vollziehen - auf mich wirken sie geradezu übermütig, ihre Gestalt begeistert uns. Lange beobachten wir ihr freudiges Hin- und Hertanzen.

Vor uns breitet sich weiter ein herrlicher Waldweg aus, immer wieder finden sich Plätzchen, an denen Sonnenstrahlen zart durch die Baumriesen, die hier zusammenstehen, einfallen. Alles wirkt sehr urig, naturbelassen, Moos überzieht in sattem Grün Baumstümpfe und Farne und Gräser machen das Wunder Natur perfekt. Wir entdecken auch einen längeren Baumstamm, auf dem mehrere Pilze eine Art Wendeltreppe geformt haben, auch dieser Anblick muss festgehalten werden.



Neben unserem Weg können wir bereits Reste des Schwarzenbergischen Schwemmkanals erkennen, natürlich führt er an diesen Stellen normalerweise kein Wasser mehr. Je näher wir jedoch unserem Ziel kommen, desto deutlicher werden seine Ausmaße - trotzdem war seine Breite (etwa zweieinhalb Meter) und Tiefe (etwa einen Meter) einst nur auf die Beförderung von Holzscheiten ausgerichtet, die auf eine Länge von etwa einen Meter gekürzt wurden. Nicht sonderlich spektakulär also, dem Auge nach, was von diesem Kanal heute noch zu sehen ist - und doch war er ein so herausragend bedeutendes Bauwerk, dass er gegenwärtig noch als das "Das (s)achte Weltwunder" bezeichnet wird: Wo sich heute Radfahrer und Wanderer an einem weitläufigen Wald-Idyll erfreuen, wurde 1789 mit dem Bau einer nach vollständiger Errichtung (im Jahre 1824) insgesamt rund 52 Kilometer langen Triftanlage begonnen, Fürst Schwarzenberg erkannte einst die Notwendigkeit dafür. Die Genialität bestand in der technischen Überwindung der kontinentalen Wasserscheide am Rosenhügel zwischen Moldau/Elbe und Donau. Diese Anlage ermöglichte die Bewirtschaftung des Urwaldgebietes rund um den Plöckenstein und den Hochficht, so erfahren wir von einer Tafel, welche auch die Wege veranschaulicht, die das Brennholz für die Stadt Wien einst nahm. Man muss sich diese Distanzen erst einmal verdeutlichen - vom Böhmerwald nach Wien! Brennholz war damals knapp in einer so großen Stadt wie Wien. Die Angaben variieren in diesem Zusammenhang, aber wer kann sich heute überhaupt vorstellen, was 8 Mio. oder 14 Mio. Raummeter ausmachen? Diese Menge an Brennholz soll in rund 90 Jahren auf diese Weise ihren Weg gemacht haben. Der Schwemmbetrieb wurde rund um die Uhr durchgeführt, unterschiedlichen Angaben gemäß wurden ungefähr 800 - 1000 Beschäftigte für diese äußerst anstrengende Arbeit eingesetzt, darunter auch Frauen. Bei Neuhaus war Schluss mit dem Schwemmen, die Holzscheite wurden auf Schiffe verladen und fanden so ihren weiteren Weg in die Reichs- und Residenzstadt Wien.

Und hier noch zwei Zahlen, die ich erwähnenswert finde: Die letzten Schwemmen fanden in Österreich 1916, in Böhmen 1961 statt. Eine wunderbare Sache ist für mich auch, dass der Kanal nach der Wende mit vereinten Kräften österreichischer und tschechischer Helfer restauriert wurde. Man kann übrigens an bestimmten Tagen bei einer Schauschwemme erleben, wie das Holz früher transportiert wurde, bei solchen Anlässen wird auch die kulturelle Verbundenheit der tschechischen und österreichischen Bevölkerung deutlich.



Nach so vielen Informationen schwirrt mir der Kopf, wir wollen noch weiter, an den nahe gelegenen Moldau-Stausee. Um diesen zu erreichen, sind einige Kilometer Fahrt auf tschechischem Gebiet nötig, eine verlassene Gegend, in der nur vereinzelt ein paar verfallende Häuser ausgemacht werden können. Einst könnten sie durchaus mit einem gewissen Charme aufgewartet haben.

Beim See angelangt, stellen wir fest, dass viele Radfahrer mit einer Fähre auf das andere Ufer übersetzen möchten. Wieder einmal befinden wir uns inmitten eines Paradieses für Menschen, die gerne mit dem Fahrrad unterwegs sind. Oder mit dem Segelboot, denn solche können wir auch überall sehen, manche nur als kleine weiße Punkte. Die Fotos sprechen für sich - wir finden, man sollte ihn gesehen haben, diesen riesigen See. Überhaupt, mit so einem Wolkenangebot!

Immerhin, das Wetter ist weitaus freundlicher, als uns dies angekündigt wurde, die Gefahr eines Gewitters scheint am späten Nachmittag gebannt zu sein.


Es ist Zeit, die Heimreise anzutreten und wir haben schon eine Ahnung, wo uns noch köstliche Mehlspeisen erwarten werden. Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir allerdings noch nicht, dass eine fast überirdisch wohlschmeckende Haselnusstorte unseren Gaumen für alle Zeiten für sich einnehmen wird: Es dürfte schwierig werden, künftig dieses kulinarische Highlight zu toppen!


Wahrhaftig, es waren außerordentlich gut verbrachte Tage in zwei wunderschönen Vierteln - im Waldviertel in Niederösterreich und im Mühlviertel in Oberösterreich. Die schmucke Haustür in Zwettl, die GUTE TAGE verhieß - diese Tür hat uns wohl genau solche beschert. Mit großer Dankbarkeit blicke ich auf eine wundervolle Urlaubswoche mit tollen Reisezielen und letztendlich stets passendem Reisewetter zurück. Nass geworden sind wir nicht - und blauer Himmel für stimmungsvolle Fotos hat sich auch häufig genug gezeigt.


Fotos: C*

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