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Ein Viertel und ein weiteres Viertel ergeben: Reisefreuden (Teil 1)




Schon lange habe ich einen Ausflug ins Waldviertel herbeigesehnt. Eigentlich erstaunlich, dass ich diese Gegend bislang noch nicht bewusst erlebt habe. In diesen Tagen wird mir ein erstes Kennenlernen gelingen - aber welch eines! Nämlich eines von dieser Art, dessen Erinnerung mich nicht mehr loslassen wird - der Wunsch, diese Gegend intensiver zu erleben, ist nun verankert.


Der Aufbruch in Richtung Waldviertel geschieht bei unklarer Wetterlage, aber wir sind guter Dinge. Und wir verspüren keine Eile, an einem bestimmten Ort zu landen. Und so tasten wir uns über das Mühlviertel an die Grenze zu Niederösterreich heran. Wir lassen Ortschaften wie Pregarten, Bad Zell und Königswiesen hinter uns und je näher wir dem Waldviertel kommen, desto höher liegen die Orte über dem Meeresspiegel. Wir erleben eine genussvolle Langsamkeit und so können wir uns auch auf unserer Fahrt mit dem Auto der sehr reizvollen Landschaft widmen. Die in manchen Gegenden des Mühlviertels so typischen Häuser im Steinbloß-Stil sind auch auf unserer Strecke vereinzelt zu sehen. Bei einer kleinen Dorfkapelle in der Ortschaft Haid, unweit von Königswiesen, legen wir eine kurze Rast ein. Ein freundlicher, schon in die Jahre gekommener Hofhund nimmt von uns gelassen Notiz und lässt mich gewähren, denn diese hübsche Kapelle muss unbedingt von allen Seiten mit der Kamera erfasst werden. Der Inschrift ist zu entnehmen, dass die frühere Holzkapelle der steinernen Kapelle endgültig 1880 weichen musste. Diese Kapelle ist auch denkmalgeschützt, was mich nicht verwundert.

Je weiter wir dem Waldviertel entgegenfahren, desto auffallender werden frühherbstliche Momente: Je deutlicher sich die Höhenlange verändert, desto dichter werden wir von Nebel und einsetzendem Regen eingehüllt. Diese Stimmung, so stellen wir fest, passt allerdings hervorragend zum Waldviertel, unserer Begeisterung können Nebel und Regen nichts anhaben. Mittlerweile macht sich deutlich Gusto auf Waldviertler Gerichte bemerkbar und so kehren wir in einem ausgezeichnet geführten alten Gasthof ein, dessen gemütliche, holzgetäfelte Gaststube genau unseren Vorstellungen von gelebter Gastfreundschaft entspricht: Wir sind noch früh dran und die ersten Gäste, so kann ich der großen Pendeluhr meine Aufmerksamkeit widmen. Ebenso entdecke ich, dass wohl einst ein gewisser Peter Alexander gerne in diesem Haus die Waldviertler Küche genossen hat.

Das Tagesmenü erweist sich als vorzügliche Wahl, Suppe, Salat und Schweinenussbraten munden hervorragend, wir wundern uns über die günstigen Preise der allesamt delikaten Gerichte. Auch das Tortenangebot ist äußerst verlockend, doch wir entscheiden, bezüglich Nachspeise in Zwettl unser Glück zu versuchen.

Inzwischen hat es auch wieder aufgehört zu regnen und der Nebel hat sich gelichtet. Nun könnte sich der Wetterbericht tatsächlich als stimmig erweisen ...



Auf geht's also in die Stadt Zwettl, deren Ambiente uns noch begeistern wird. Nur wenige Schritte vom Auto entfernt, tut sich ein imposanter bunter Brunnen auf dem von schmucken Häusern umgebenen Hauptplatz hervor, der von uns sofort Friedensreich Hundertwasser zugeordnet werden kann. Rasch ist auch eine Konditorei ausfindig zu machen. Die Gelegenheit, eine Waldviertler Mohntorte zu verkosten, erweist sich als günstig und man ist als Genießer versucht, die Verkostung ins Unendliche auszudehnen. Allein diese "Original Zwettler Mohntorte" ist die Reise definitiv wert! Danach jedoch sind zwecks Verdauung forsche Schritte angesagt, wir lenken diese zur Zwettl, die entlang der berühmten Stadtmauer verläuft (im obigen Bild allerdings ein kleiner Bach). Die Stadtmauer wird jeden begeistern, den alte Gemäuer faszinieren und so muss ich an mehreren Stellen meine Kamera zücken. 917 Meter Stadtmauer mit sechs Türmen und einem mächtigen Mauervorsprung sind noch erhalten, in dieses Ambiente fügen sich sanft Bauten weitaus jüngeren Datums ein.

Es geht zurück zum Auto, wir setzen unsere Reise fort.



Das Stift Zwettl, etwas außerhalb der Stadt gelegen, zieht fortan unsere Aufmerksamkeit auf sich. Man kann Österreich übrigens guten Wissens als klösterreich betrachten; viele dieser Orte laden inzwischen auch durchaus recht werbewirksam dazu ein, sich aus dem Alltag zurückzuziehen und in der Stille zu verweilen, um sich existenziellen Themen und dem Gebet zu widmen. Meine Haltung zu institutionalisierten Religionen ist kritisch; aus meiner persönlichen Erfahrung eignen sich Räumlichkeiten in derart kunstvollen Prachtgebäuden auch kaum zum Gebet, aber jedenfalls sehr zum Staunen.

Stift Zwettl ist eine Zisterzienser-Abtei und besteht seit seiner Gründung im Jahr 1138, damit ist es das drittälteste Zisterzienserkloster weltweit. (An dieser Stelle übrigens mein Hinweis darauf, dass in Österreich die Begriffe "Kloster" und "Stift" heute meist ohne Unterschied verwendet werden.)

Im Eingangsbereich zur Anlage werden wir von einem zarten Birnenbaum begrüßt, der sein Dasein mitsamt seinen Früchten allerdings in Schieflage verbringt, so muss er jedenfalls einen Platz in meinen Erinnerungen erhalten! Nicht überraschend, dass wir uns einige Schritte weiter in einem sorgfältig gepflegten, prachtvollen Garten befinden. In Stiftsgärten sind solche Grün- und Zierpflanzenflächen tatsächlich zu erwarten!



Wir nähern uns der Stiftskirche, die von imposanten Engeln beschützt wird: Zumindest in der Vorstellung des Künstlers, dessen Fantasie diese dramatische Szene entsprungen ist, unterliegt Luzifer, der gefallene Engel, den mächtigen Himmelswesen. Ach, könnte das doch im realen Leben ebenso der Fall sein!

In der Kirche findet eine Führung statt, der Zutritt ist uns also nicht möglich.


Das gesamte Stiftsareal mitsamt seinen altehrwürdigen Gebäuden ist von beeindruckender Größe, besondere Beachtung verdient auch das Cellarium, dessen Gewölbe mit dem riesigen Kruzifix mich fesselt. Seit 2009 dient das Cellarium, das bis dorthin unterschiedliche Nutzungen erfahren hat, als liturgischer Raum.

Inzwischen zeigen sich am Himmel vermehrt blaue Stellen und auch die Temperaturen erinnern wieder an einen heißen Sommertag. Es gilt, noch einen Bereich zu entdecken, nämlich den wundervollen Kräutergarten, der etwas abseits liegt.



Das Herbarium ist terrassenförmig angeordnet, hier können sich Bienen und Schmetterlinge zwischen Wein- und Hopfenpflanzen, unzähligen Kräutern und bunten Blumen tummeln. Unbeschreiblich, wie es hier duftet, der feinwürzige Geruch von verschiedenen Minzesorten erfüllt in besonders intensiver Weise die Luft.

Wie heißt es so schön bei Pachomius: "Der Ort im Kloster, wo man Gott am nächsten ist, ist nicht die Kirche, sondern der Garten. Dort erfahren Mönche ihr größtes Glück." Wahrlich, es scheint, als sollte Pachomius damit recht behalten, denn das Herbarium wirkt liebevollst gepflegt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass sich die Bewohner des Stiftes hier besonders gerne aufhalten. Und ganz sicher ist ihnen auch schon das riesige Storchennest aufgefallen, das man vom Kräutergarten aus recht gut ausmachen kann. Hier, in diesem göttlichen Garten, sind auch so manche Engel nicht fern, wir können einige rund um das Gemäuer entdecken.


Es ist Zeit, die Heimreise anzutreten und wir sind sicher, dass es bald ein Wiedersehen mit weiteren Schätzen im Waldviertel geben wird. Unsere nächste Reise wird uns ins Mühlviertel führen, das Viertel, in dem auch meine Wurzeln liegen. Dabei werden wir wiederum auf Erzählenswertes stoßen, der Schlitten mit den aufgeladenen Holzscheiten kündigt einiges an ...


Fotos: C*

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