Orte der Kindheit: Erinnerungen an solche wehen mich an, angereichert mit meinen Gedanken an den Protest aus frühen Kindheitstagen, als uns Kindern von unseren Eltern an den Wochenenden Tagesreisen zugemutet wurden. Damals, vor einigen Jahrzehnten, waren solche Ausflüge durchaus gefürchtet, denn wir empfanden Autofahrten als ermüdend und die Reiseziele der Eltern als langweilig. Sowieso hätten wir viel lieber in unseren geliebten Büchern gelesen oder unsere Lieblingssendungen im Fernsehen gesehen.
Viele, viele Jahre später haben unsere damaligen Ausflugsziele in meinem Leben einen völlig anderen Stellenwert eingenommen. Wehmut umfängt mein Herz, wie schnell sind sie nur verflogen, all die Jahre.
Von Jahr zu Jahr wird sie mir kostbarer, meine Lebenszeit, und ich möchte sie keinesfalls mehr als vergeudet empfinden. Und es zieht mich in die Vergangenheit - und gerade an jene Orte, die wir damals als Familie erkundet haben. Dabei wird mir deutlich, dass es in den 1970er und 1980er Jahren überhaupt keine Selbstverständlichkeit war, all jene Orte und Plätze meines so geliebten und schönen Heimatlandes kennenzulernen, wie wir es als Kinder erleben durften. Viele unserer Freunde konnten diese abwechslungsreichen Begegnungen mit Land & Leuten, Gaststätten & Genuss sowie Kunst & Kultur nicht erleben. Groß waren etwa manchmal die Augen meiner Schulfreudin, wenn ich nach den Ferien oder den Wochenenden von den "faden Ausflügen" berichtet habe.
In Vorbereitung meiner Reisen an meine Orte der Kindheit nehme ich immer wieder alte Straßenkarten zur Hand und bin ganz erstaunt, wie viele wunderbare Ziele mein Vater einst unterstrichen hat: Die vielen Farbkleckse auf den Straßenkarten bedeuten, dass wir an all diese Orte gereist sind.
Und nun, so viele Jahre später, ziehen sie mich also magisch an, diese Orte, denen ich auf den Straßenkarten folge. Die Entscheidung, wohin die Reise gehen soll, fällt rasch. Schon im Sommer habe ich mir gewünscht, einen ganz bestimmten und auch mystischen Ort wiederzusehen.
Der Wetterbericht verspricht traumhafte äußere Bedingungen, sie verheißen eine genussreiche Tagesreise ins hügelige weite Land Oberösterreichs, nördlich der Donau. Die Jausenbrote sind geschmiert, der Tee ist in der Kanne, die bunte Straßenkarte und - ganz wichtig - die Kamera sind eingepackt ...
Es kann losgehen!
Rasch lassen wir jene Orte mit dem Auto hinter uns, die für alltägliche Betriebsamkeit und Hektik sorgen und sooft den Blick auf all die Kostbarkeiten im Leben trüben.
Je weiter wir uns von der belebten Autobahn und von beliebten Autostraßen entfernen und je tiefer wir auf einsamen schmalen Straßen ins hügelige Land vordringen, desto weiter reichen unsere Blicke. Immer kräftiger wird die Schneedecke; die aus Granitstein erbauten, riesigen Bauernhäuser nehme ich inmitten der großen weißen Felder und Wiesen als einsam wahr. Vieles haben sie wohl schon erlebt, diese ehrwürdigen und wunderschönen alten Häuser, die einst von den Bauern selbst im sogenannten "Steinbloß-Stil" erbaut wurden. Nicht nur Wohnhäuser wurden aus Granitfeldsteinen errichtet, sondern auch sakrale Bauten, viele dieser Häuser haben schon seit einigen Jahrhunderten Bestand.
Was sich in der Gegenwart wunderschön in die hügelige Landschaft einfügt, zeugt allerdings von notreichen Zeiten früherer Jahrhunderte: Kalk war rar und teuer, ebenso wie die Arbeit der Steinmetze für einen Bauern oft nicht bezahlbar war. So entstanden aus der Not der damaligen Zeit Bauten, die in jüngster Zeit wieder begeistern und auch nachempfunden werden.
Im Westen befindet sich das Mühlviertel in guter Nachbarschaft zu Bayern, im Norden zu Südböhmen und im Osten und Südosten zu Niederösterreich.
Doch bis an seine Grenzen werden wir nicht vorstoßen, unser Ziel ist die Burgruine Waxenberg, auf der sich schon vor längerer Zeit gar imposante Wesen niedergelassen haben ... Die Kunde von einer neuen Heimat für die WÄCHTER DER ZEIT lässt Großartiges erahnen!
Nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass die dörflichen Wirtshäuser in dieser Gegend tatsächlich erst zum Wochenende hin wieder ihren Betrieb aufnehmen, hat sich unsere Jause im Rucksack als glückliche Entscheidung erwiesen. Frisch gestärkt wagen wir den kurzen Aufstieg zur Ruine, der allerdings aufgrund der rutschigen Schneeunterlage nicht unterschätzt werden sollte.
Nach wenigen Minuten, die wir für den Aufgang zur Ruine benötigen, erleben wir dann tatsächlich die erste wahrlich beeindruckende Begegnung mit den Wächtern der Zeit - ausgerechnet im Hungerturm dieser so mystischen Burgruine.
Andächtig nähern wir uns diesen stummen Wächtern und lassen die großen Gestalten auf uns wirken.
Das Ambiente des Hungerturms könnte kaum imposanter unterstrichen werden als mit diesen einzigartigen Wächtern, die hier vorübergehend, während der letzten Monate, eingezogen sind!
Nachdem ich mich den drei Gestalten mutig, aber mit ehrfürchtigem Abstand angenähert habe, stellen sie sich, eindrucksvoll in sich ruhend, der Begegnung mit meiner Kamera. Sie verfügen über jede Menge Geduld und Beharrlichkeit, als sie mir gestatten, ihren Anblick in mich aufzunehmen.
Nach einiger Zeit verlassen wir den Hungerturm, wir wollen ja noch ein kleines Stück weiter, denn es sollen uns noch weitere grandiose An- und Ausblicke erwarten.
Und tatsächlich, schon nach wenigen Metern, nur noch ein Schwenk nach links - und vor uns sitzen sie, jene drei Wächter der Zeit, die auf der Burgruine bereits heimisch geworden sind. Schnee und Kälte können ihnen nichts anhaben und wer sich traut, sich den Wächtern zu nähern, wird mit scheinbar nicht enden wollenden Rundum-Ausblicken ins wunderschöne Land belohnt! Eine großzügige Weite, die sich anfühlt, als könne sie auch Herzens- und Seelenräume weit öffnen.
Vom Bergfried aus lässt sich an manchen Tagen sogar das Berchtesgadener Land ausmachen - eine Landschaft, die ich auch noch sehr gerne erkunden möchte. Weitere Reisevisionen!
Besonders dankbar bin ich inmitten der exklusiven Begegnung mit Natur, Kunst und Kultur für die äußere Stille, die mich umgibt, und die mich auch zu echter innerer Ruhe führt.
Niemand stört in dieser Einsamkeit.
Die Wächter der Zeit, sie weisen an vielen Orten aller Kontinente auf die Gefahren für Mensch und Natur hin. Sie bewegen die Betrachtenden und bringen sie dazu, sich ihren Innenwelten zu stellen.
Und so verlasse ich die Burgruine viele Momente später in tiefen Gedanken, innig berührt von meiner Reise an Orte meiner persönlichen wie auch der historischen Vergangenheit.
Erfüllt mit Gedanken, die mich wohl noch lange begleiten werden ...
Als
Wächter der Zeit
sind wir Zeugen der erschöpften Menschheit.
An vielen Orten der Welt sind wir zugegen,
um Euch Menschen zur Umkehr zu bewegen.
Haltet ein, Euch gegenseitig zu bekriegen -
auch über die Natur werdet Ihr niemals siegen.
Als Wandelnde zwischen den Welten wollen wir gelten.
Ach Mensch, versäum' es nicht und betrachte die Welt in all ihrem Licht.
(C Stern)
Es folgt noch eine persönliche Anmerkung *)
*) Persönliche Anmerkung zum Schöpfer der "Wächter der Zeit", aus aktuellem Anlass, Jänner 2022:
Es gibt große Aufregung, die rund um einige Postings von Manfred Kielnhofer entstanden ist.
Ich teile die geäußerten Meinungen des Künstlers in keiner Weise und bedaure diese sehr, wobei es in den Darstellungen, die von Herrn Kielnhofer derzeit in unterschiedlichen Medien getätigt werden, sehr widersprüchliche Aussagen gibt.
Ich schätze allerdings seine Skulpturen, wie sie u.a. auf der Burgruine Waxenberg zu sehen sind.
Als politische Reaktion auf diverse Postings des Künstlers dürften seine Wächter der Zeit an mehreren Plätzen in Österreich vermutlich bald Vergangenheit sein.
(Fotos: C*)
Comments