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Am DU zum ICH werden




Eine meiner schönsten Wanderungen in Österreich führte mich im Sommer 2018 an den Glanzer Grenztisch, der 2013 in wohltuender Weise in eine herrliche weite Landschaft eingebettet wurde. Inmitten von saftigen Obstwiesen, die zahlreichen Schmetterlingen Heimat bieten, und prächtigen Weingärten spürte ich eine tiefe Verbundenheit mit diesem Stück Erde, das wie der Garten Eden anmutet.

Der Grenztisch ist ein wahrer Grenzen-Überbrücker im Sinne verbindend erlebter Natur und Nachbarschaft.

Die ehemals harte, bewachte Grenze ließ in der Vergangenheit keine menschenzugewandten Begegnungen zu - in einer Region, in der es bis 1918 überhaupt keine Grenze gab. Der Grenztisch symbolisiert den Aufbruch in ein verständnisvolles Miteinander von Menschen auf Augenhöhe. Begegnungen in achtsamer und respektvoller Haltung fordern kein Verleugnen der eigenen Wurzeln und des eigenen Seins - sie fördern allerdings ein wechselseitiges Verständnis und ein offenes Aufeinanderzugehen.


Andererseits:

Grenzen setzen - Grenzen achten: Im Beziehungsleben stoßen wir immer wieder an Grenzen, an unsere eigenen wie auch an jene anderer Menschen. Nicht nur, was ein Verständnis füreinander betrifft, sondern auch in Hinblick auf unsere Geduld, die wir für den anderen aufbringen.

Und manchmal ist es auch an uns, ganz ehrlich kundzutun, dass es in einer bestimmten Weise nicht mehr weitergeht. Grenzen sind also auch unverzichtbar.


Wie Grenzen wirkungsvoll aufzeigen?

Diese Frage beschäftigt mich seit vielen Jahren und es eröffnen sich mir unzählige Momente und Situationen, um in mich und andere Menschen hineinzuhören und festzustellen, dass Grenzen etwas zutiefst Persönliches sein können. Sie sind individuell geprägt und können auch unserem eigenen Schutz dienen.

Oft ist es sehr schwierig, unsere inneren Grenzen, unser Unwohlsein klar zu definieren und deutlich auszusprechen. Die Angst, auf Widerstand zu treffen oder gar lächerlich gemacht zu werden, verhindert oft, zu sich selbst, zu seinem Wesen und den eigenen Wahrnehmungen zu stehen.

Zu oft hört ein hochsensibler Mensch, dass er "zu sensibel", "zu verletzlich", "zu ängstlich", "zu vorsichtig" sei. So, wie ein introvertierter Mensch häufig zu hören bekommt, er sei "zu still", "zu nachdenklich", "zu tiefgründig", usw. Dieses Wörtchen "zu" fühlt sich dann durchaus wie ein Peitschenhieb an und bewirkt so einen weiteren Rückzug eines Menschen, der sich oft wehrlos gegenüber derartigen Vorurteilen fühlt. Vor allem, wenn Kinder diesen unachtsamen Wertungen ausgesetzt sind, kann dies zu einer gravierenden Verschlossenheit führen, aus der sie mitunter kaum mehr herauszulocken sind.

Ein hochsensibler Mensch ist oft auch ein introvertierter Mensch. Diese Menschen füllen ihre Energielager häufig durch Rückzug, der allerdings in der Außenwelt - oft irrtümlich - mit Schüchternheit gleichgesetzt wird. Es ist aus Sicht dieser Menschen häufig nicht hilfreich, sich ihrer Umwelt zu erklären. Ich respektiere und teile diese Einschätzung durchaus und bin auch der Überzeugung, dass es bereits sehr viel Wissenswertes und Erklärendes in Fachartikeln und Foren zu lesen gibt.

Definitiv erleben es viele Menschen als riesige Herausforderung, soziale Beziehungen im Gleichgewicht zu halten. Doch erst im sozialen Miteinander kann ein Mensch wahrhaft vollständig werden - und sich als ICH am DU wahrnehmen.

Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es jedenfalls sehr effizient sein kann, sich auf ein Ansprechen von grenzüberschreitenden Handlungen oder Äußerungen einzustimmen - nicht immer ist die erste, manchmal unbedachte, spontane Äußerung hilfreich, um auf eigene Grenzen oder auf das Verletzen dieser Grenzen hinzuweisen. Fachliteratur, Seminare und Workshops sowie gut begleitete Selbstreflexionen verleihen oft Licht auf einem bewussten Weg durch den Kommunikationsdschungel. All die gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen sind besonders effizient, wenn man in Übung bleibt! Gelegenheiten bieten sich ja unzählige - im Privat-, wie im Berufsleben.


Auch Prägungen, besonders aus der Kindheit, wirken auf unser gesamtes Leben ein.

In meiner Kindheit (ich bin 1970 geboren) war es für eine Frau alles andere als selbstverständlich, sich als eigenständigen und vollwertigen Menschen zu erleben. Die Abhängigkeit von einem Mann, der seine Familie ernährte, war groß, und so haben viele Kinder aus solchen Beziehungen gelernt, das Alphatier Mann in all seinen Handlungen keinesfalls zu hinterfragen. Gesprochen wurde von uns Kindern nur, wenn wir gefragt wurden. Gleiches erlebten auch viele Ehefrauen, die ihren Männern gesellschaftlich alles andere als ebenbürtig waren. Im Übrigen befand sich auch die Rechtssprechung in vielen Bereichen noch im Mittelalter.


Heute achte ich auf eine erlebte Gleichwertigkeit zwischen Mann und Frau.

Manche Frauen meiner Vorgänger-Generation haben sich in Gepflogenheiten der sexuellen Revolution verirrt und dort ihre Blessuren gesammelt. Ich kann es kaum glauben, wie Frauen annehmen konnten, dass sie sich damals befreit haben?! Heute, mit einigem Abstand zur damaligen "Zeit der freien Liebe", kommentieren so manche siebzigjährige und ältere Frauen im Rückblick, oft auch nur ein Schmuckstück von Männern gewesen zu sein, das nach Belieben ausgetauscht wurde. Die gesamte Verantwortung für ihren Körper und mögliche unerwünschte Nachkommenschaft verblieb damals häufig allein bei den Frauen, die in Hinblick auf negative Auswirkungen von Hormonen mit dem Verlust ihres Wohlgefühls und manchmal auch ihrer Gesundheit bezahlt haben, weil sie sich vollkommen ahnungslos einer verantwortungslosen Pharma-Industrie ausgeliefert haben. Begegnungen auf Augenhöhe sehen anders aus ...


Um in einer Beziehung "am DU zum reifen ICH" zu werden, braucht es von beiden Partnern das Einfühlungsvermögen, den Willen und auch die Kraft, in einer Beziehung an einer Beziehung zu arbeiten. Wenn zwei Menschen dieses Wagnis im vollen Bewusstsein über viele Herausforderungen auf dem gemeinsamen Weg eingehen, bin ich sehr zuversichtlich, dass in vielen Momenten auf diesem Weg ein großartiges WIR erlebbar ist - ohne eine kostbare persönlichkeitsgebende Individualität des Einzelnen aufzugeben!


(Weiteres zu einem unerschöpflichen Thema, der Kommunikation, hier.

An dieser Stelle auch Aufschlussreiches zum Thema Frausein. )


Foto: C* - Der Grenztisch in der Gemeinde Glanz, Südsteiermark, Treffpunkt - Austausch - Nachbarschaft

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