Es beschäftigt mich schon seit vielen Jahren: Können Männer sich gegenseitig vermitteln, wie Frauen "ticken"? Umgekehrt: Können Frauen sich gegenseitig vermitteln, wie Männer "ticken"?
Nicht zu vergessen, dass ohnehin jeder einzelne Mensch seine ihm ganz eigene Wesensart mit sich bringt!
Die Kommunikation zwischen Menschen bietet ein ungeahntes Ausmaß und großes Spektrum an Missverständnissen, die, wenn sie zu spät oder gar nicht geklärt werden, zu vielen Spannungen und Konflikten führen können. Jedenfalls zu Situationen, die vermeidbar wären, wenn Menschen verstehen und umsetzen könnten, was es bedeutet, wahrhaftig MITeinander zu sprechen - nicht übereinander!
Was fehlt denn eigentlich, um tatsächlich das zu hören, was vermittelt sein möchte? Was fehlt, um auch zwischen den Zeilen richtig lesen zu können? Was macht es uns so schwer, uns wahrhaftig in die Lage eines anderen Menschen zu versetzen?
Es gibt unzählige, zutiefst persönliche negative Glaubenssätze, die Selbstprogrammierungen gleichkommen und viele Menschen daran hindern, aus der Fülle ihres geistigen Potentials zu schöpfen. Mit Sicherheit bedeutet es lebenslanges soziales Lernen, wie wir in Beziehungen aufeinander zugehen können - der gerne von vielen Seiten getätigte Glaubenssatz im Sinne von "Ich kann mein Verhalten nicht ändern!" stellt für mich eine Bankrotterklärung an den freien Willen dar. Was ich in diesem Zusammenhang noch orte, ist das Beiseiteschieben der Verantwortung für eine von beiden Partnern zu tätigende Beziehungsarbeit!
Was bedeutet es eigentlich, wenn sich ein Paar trennt und sich folgende Begründung zurechtgelegt hat? "Wir haben uns auseinandergelebt."
Ich beobachte, dass dieses sogenannte "Auseinanderleben" von Partnern oft dann stattfindet, wenn die gemeinsamen Kinder das Nest verlassen haben. Offensichtlich passiert dies recht häufig, wenn sich zwei Menschen hauptsächlich (oder sogar ausschließlich) jahrelang nur als Eltern gesehen und vergessen haben, dass sie neben ihrer Elternschaft zuvor eine Paarbeziehung eingegangen sind.
Ich weiß durchaus um Situationen, in denen zumindest einer der beiden Partner anspricht, wenn hier Dinge in eine Schieflage geraten sind. Ab diesem Zeitpunkt müsste spätestens mit einer beidseitigen aktiven Beziehungsarbeit begonnen werden, die ganz sicher den Willen zur offenen und mutigen Kommunikation voraussetzt!
Sehr oft fällt die Zeit des Flüggewerdens von Kindern in jenen Zeitraum, der besonders für eine Frau eine sehr große Herausforderung ist: Wenn sich Vorgänge im Körper aufgrund des Klimakteriums verändern, geht dies häufig auch mit tiefgreifenden psychischen Veränderungen einher. Viele Frauen leiden jahrelang enorm unter verschiedenen Begleiterscheinungen der Wechseljahre. Stimmungsschwankungen, auch aufgrund von Schlafstörungen, sind ihnen selbst in höchstem Maße unangenehm, so können sich auf einmal auch sehr ausgeglichene Frauen als höchst emotional erleben. Die so wichtige ehrliche Bereitschaft zur geduldigen Auseinandersetzung mit dieser einschneidenden Lebensphase einer Frau fehlt häufig beim Partner, es bleibt oft bei bloßen Lippenbekenntnissen.
Im Übrigen erleben auch Männer ihren Wechsel, bei dem es ebenso zu hormonellen Veränderungen kommt, Verständnis und Geduld der Partnerin werden meistens durchaus vorausgesetzt. Das "Klimakterium virile" ist wohl bekannter als "Midlife Crisis": Bei Männern sind Beschwerden und Symptome jedoch eher schleichend, während Frauen ihre Beschwerden deutlicher sowie länger erleben und auch ansprechen.
Beiden ist wohl gemeinsam, dass es besonders in den Wechseljahren zu Sinnkrisen kommen kann, die mitunter auch Depressionen auslösen können. In diese Zeit fallen oft heftige Zerreißproben für Beziehungen, in der sich leider viele Paare scheuen, kompetente Hilfe in Anspruch zu nehmen! Gute Therapeuten haben die Fähigkeit, essenzielle Fragen zu stellen, die ein Gespräch wieder in den Fluss bringen können. In diesem Rahmen gibt es die Chance, wieder zu mehr Einfühlungsvermögen für den Partner zu finden, vielleicht auch all das am DU wieder mehr zu achten, was über die Jahre ganz selbstverständlich wurde - und in der Folge auch nicht mehr genug wertgeschätzt wurde.
Zeitgeist ist, dass der moderne Mensch dazu neigt, das, was nicht mehr funktioniert, zügig zu entsorgen: Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft - und das betrifft leider auch Beziehungen!
Vor einigen Jahrzehnten noch war es üblich, Dinge so pfleglich zu behandeln, dass sie möglichst lange funktionierten.
Eine Paarbeziehung einzugehen, geschah in der Generation meiner Großeltern aus anderen Motivationen als dies heute oft der Fall ist: Man war auch als Individuum darauf angewiesen, unser Land nach dem Krieg wieder aufzubauen. "Gemeinsam", so lautete das Motto, ohne allerdings diese Zeit naiv glorifizieren zu wollen! Diese Nachkriegszeit bedeutete eine harte Zeit der Entbehrungen und doch konnten die Menschen nach und nach auch ein stetiges Vorankommen erleben!
Und so wurden auch private Beziehungen maßgeblich unter diesem Aspekt eingegangen, nämlich, um gemeinsam eine solide Lebensgrundlage zu schaffen, auch für die Nachkommen, wobei die jeweiligen Aufgaben für Männer und Frauen genau vorgegeben waren.
Trennungen oder gar Scheidungen waren in dieser Zeit eher etwas Spektakuläres. Auch diesen Aspekt möchte ich nicht naiv sehen, denn nicht selten waren damit auch harte Prüfungen für Frauen verbunden: Um die persönliche Freiheit einer Frau war es damals nicht gut bestellt, nicht wenige Männer haben ihre Frauen als persönliches Eigentum behandelt. An Gleichberechtigung war in den meisten Bereichen noch nicht einmal zu denken!
Die Ehe meiner Eltern hat zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens massiv darunter gelitten, dass mein Vater meiner Mutter nicht gestattet hat, ihren geliebten Beruf auszuüben. Erst heute, einige Jahrzehnte danach, kann mein Vater zumindest ansatzweise verstehen, wie sich meine Mutter gefühlt haben muss. Nach der Geburt ihrer Kinder war meine Mutter "nur" noch Hausfrau und Mutter, was sie nicht ausgefüllt hat - ihre Verzweiflung über ihre Unfreiheit hat sie oft über uns allen ausgegossen.
Meine Beziehung zu meiner Mutter ist bis zum heutigen Zeitpunkt eine eher distanzierte, auch, wenn ich mittlerweile deutlich und mit Mitgefühl nachvollziehen kann, was sie über die Jahrzehnte zu einer verbitterten Frau gemacht hat.
An dieser Stelle ein paar Fakten, die Meilensteine in der österreichischen Gesetzgebung bedeuten:
1897 promoviert die erste Frau in Österreich (Medizin).
1918 erhalten Frauen das allgemeine Wahlrecht.
1975 stellt die Familienrechtsreform Frauen und Männer rechtlich gleich: Frauen dürfen ohne Zustimmung des Mannes arbeiten, über den Wohnsitz mitentscheiden und den Familiennamen wählen.
1989 werden Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft durch die Sexualstrafrechtsreform strafbar.
1991 Johanna Dohnal (SPÖ) wird im Jänner erste Frauenministerin unter Bundeskanzler Franz Vranitzky.
Ab 1979 war sie Frauenstaatssekretärin in der Regierung unter Bundeskanzler Bruno Kreisky; in dieser Funktion verbleibt sie bis 1990 in allen Regierungen und setzt sich unermüdlich für Frauenangelegenheiten ein.
Den meisten jungen Frauen ist wohl in der Gegenwart zu wenig bewusst, wie hart ihre Mütter und Großmütter dafür zu kämpfen hatten, um zumindest einmal eine gesetzliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu erreichen! Heutzutage ist es üblich, dass Frauen selbst entscheiden, ob sie am Erwerbsleben teilnehmen und in welchem Ausmaß. Dass es allerdings auch in Österreich noch große Ungerechtigkeiten beim Lohnniveau gibt, ist ein Unrecht, das im 21. Jahrhundert eine besonders große Schande ist!
Foto: C*