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Kunst und Kultur




Wiener Musikverein


Nichts prägt eine Gesellschaft so sehr wie ihre Kultur. Sie ist ständiger Begleiter des Lebens und beeinflusst unser Empfinden, Denken und Handeln. Sie ist Ausdruck unserer Werte und Tugenden, bildet die Basis für den Zusammenhalt einer jeden Gesellschaft und berührt die Existenzfragen des Lebens. Welchen Stellenwert haben Kunst und Kultur in einer Welt, in der vieles vom ökonomischen Profit abhängig gemacht wird? Wie kann die Bedeutung von Kultur in sämtlichen Bereichen des Lebens nachhaltig verankert werden? Und welche Ausprägungen von Kultur sind erstrebenswert, welche behindern den Fortschritt?


Obige Anregungen und Fragen habe ich einer Einladung zu einem Dialog über Kultur und ihre Reichweite entnommen (Academia Superior, Gesellschaft für Zukunftsforschung).

Sommerzeit - Festspielzeit in Österreich. Die Festspielstadt Salzburg lockt jährlich mit ihrem vielfältigen Schauspiel-, Opern- und Konzert-Programm BesucherInnen aus der ganzen Welt an.

Die Salzburger Festspiele, die seit 1920 stattfinden, gelten als das weltweit bedeutendste Festival der klassischen Musik und darstellenden Kunst. Mehr als 250.000 Menschen folgen jedes Jahr im Juli und August dem glanzvollen Ruf der Festspielstadt. Die SalzburgerInnen selbst haben dazu zunehmend eine ambivalente Haltung - die Freude über die Beliebtheit ihrer schönen Stadt weicht immer mehr dem Gefühl der Vereinnahmung, auch durch viele TouristInnen, die täglich durch die engen prachtvollen Gassen geschleust und geschoben werden.

Inwieweit die Salzburger Festspiele ein Friedensprojekt sein sollen, wie die langjährige Präsidentin Helga Rabl-Stadler erst diesjährig feurig referierte, entzieht sich meiner Kenntnis.

Vermutlich kann so manche Eröffnungsrede eines geist- und niveauvollen Menschen kurzfristig einige Aufmerksame rütteln, sodass diese zumindest theoretisch ein bewegendes Plädoyer über den Wert und die Notwendigkeit von Kunst in unruhigen Zeiten bewegt: Im Vorjahr fragte der Philosoph Konrad Paul Liessmann, ob es angesichts von Terror, Amokläufen, Kriegen, Bürgerkriegen, sozialen Spannungen und Ängsten allerorten, der tiefen Krise der Europäischen Union und unzähligen Menschen auf der Flucht "überhaupt noch möglich ist, sich in solchen Zeiten ruhigen Gewissens dem Schönen und der Kunst, der Feier des ästhetischen Augenblicks und dem Genuss eines rauschenden Festes hinzugeben."

In seiner Rede zeigte Liessmann auf, dass Kunst umfassend ist, denn sie könne Kritik sein ebenso wie ein Wettbewerbsfaktor, politische Propaganda und apolitische Ästhetik, Unterhaltung der Massen und elitäre Abschottung.

Besonders heuer fällt mir der Hype um diverse Superstars der Festspielbühnen auf und ich bin gar nicht so sicher, ob es den interessierten Damen und Herren nur um Kunst und Kultur geht, wenn sie beispielsweise horrende Beträge zahlen, um bei einer exquisiten Gala-Soirée ihrer "Donna Anna" nahe zu sein. Schenkt man diversen KritikerInnen Glauben, so befindet sich Anna Netrebko am Höhepukt ihrer bisherigen Erfolge, was ihren "Wert" in unvorstellbare Höhen getrieben hat: Es wurde kolportiert, dass Kartenpreise bis zu 4.000 Euro bezahlt werden, um Anna Netrebko in "Aida" erleben zu können. Um das diesjährige Ensemble im "Jedermann" bestaunen zu können, werden angeblich bis zu 1.000 Euro pro Karte bezahlt. Ein in Hinsicht auf ökonomische Profite interessantes Endergebnis scheint also den Festspiel-Verantwortlichen vermutlich nicht unmöglich zu sein.

Die internationale High Society zeigt sich jedes Jahr am roten Teppich in eitler Selbstgefälligkeit den Kameras - und geht bei einem dieser glänzenden Anlässe mal ein kostbares Schmuckstück verloren, erweist sich, ob Frau sich noch am Boden der Realität befindet: Bianca Jagger, Menschenrechtsaktivistin, wollte dem Finder ihres Ringes (in sechsstelligem Wert) keinen Finderlohn gönnen und ließ sich in einer nahezu unendlichen und nicht ganz unpeinlichen Geschichte auf ein mehrjähriges Gerichtsverfahren ein.

Mitten in der Hochzeit der Festspieljahreszeit vermelden die Medien, dass die Opernproduktion im Steinbruch St. Margarethen, Burgenland, für 2018 abgesagt werden musste. Die Gründe liegen darin, dass sich derart aufwendige Produktionen nicht andauernd selbst tragen können. Die Produktionen finanzieren sich aus dem Kartenverkauf und aus Mitteln der Stiftung Esterhazy. Es fehle an ideeller und moralischer Unterstützung seitens der Politik, klagen Verantwortliche. In den vergangenen Jahren seien der Kulturlandesrat und der Landeshauptmann nicht zugegen gewesen. Bedauerliche Entscheidungen, wenn man bedenkt, dass es für andere Kulturprojekte sehr wohl finanzielle Unterstützungen gibt!

Was darf Kunst und wo wird sie zum schaurig-provokanten Aktionsmus?

Zweifelsohne wenden sich VertreterInnen des Aktionismus gegen repressive gesellschaftliche Zustände und suchen bewusst die Konfrontation mit staatlicher und kirchlicher Autorität. Allerdings sind solcherlei Aktionen in der Vergangenheit nicht selten völlig ausgeartet - drastische Ausdrucksweisen und aggressive Tabuverletzungen in den 1960er und 1970er Jahren haben in Österreich noch Jahrzehnte danach für viele Schlagzeilen gesorgt, nämlich auch, als bekannt wurde, dass sich einer der populärsten Vertreter des Wiener Aktionismus, Otto Muehl, wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht verantworten musste.

Otto Muehl war auch Begründer der berüchtigten "Muehl-Kommune"; später wurde ihm von seinen KommunardInnen vielfach zum Vorwurf gemacht, dass er, der Zweierbeziehungen und Kleinfamilien ablehnte, zunehmend autoritär auftrat.

Angesichts ungeheuerlicher Vorgänge, bei denen Menschen körperlich und seelisch schwer verletzt werden, kann und darf der Aktionismus keine Toleranz erfahren. Diese Art von "Aktionismus" hat auch nichts mehr mit Kunst zu tun!

Auffällig ist ohnehin, dass sich Aktionismus häufig sexueller Ausdrucksweisen bedient, was sich auch in einem weithin diskutierten "Kunst-Projekt" in der Wiener Secession zeigte: Der Schweizer Christoph Büchel zeigte 2010 einen Swingerclub als sogenannte Kunst-Installation und erntete dafür den Zorn der Boulevardmedien und einiger PokitikerInnen. Besonderes Missfallen erregte die Tatsache, dass diese Installation auch aus Steuergeldern finanziert wurde, was auch seriöse und unaufgeregte Medien vermeldeten. Zugegeben, der Idee, dass es sich bei diesem Projekt um Kunst handelte, konnte ich auch nicht folgen.

Zweifelsohne bedarf es beim Definieren von Kunst einiger Toleranz. Toleranz ist eine Herzensangelegenheit, bei der auch eine befriedete Seele eine große Bedeutung einnimmt. Toleranz lässt sich auch nicht herbeiargumentieren. Zur Toleranz muss ein Mensch heranreifen und dazu braucht es einen reflektierenden Geist. Aber man muss auch nicht alles tolerieren ...

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