Mit Sicherheit ist mir Caravaggio's "Narziss" eines jener Bilder, das aus meiner persönlichen Überzeugung besonders viel über den Menschen und seine Sichtweisen aussagt.
Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571 - 1610) hat viele bedeutende Gemälde erschaffen, die Zahlenangaben darüber sind recht schwankend. Verlässliche Quellenangaben über die Anzahl jener Bilder, die ihm tatsächlich mit Sicherheit zugeordnet werden können, sind kaum zu finden. Gehe ich von annähernd einhundert Gemälden aus, so ist diese Anzahl für mich unvorstellbar, da diese Werke ja auch in beeindruckenden Größen erschaffen wurden. Man kann sich kaum vorstellen, dass der Meister der barocken Malerei etwas anderes gemacht hätte, als an seinen Werken zu malen.
In jener Zeit, in die seine Schaffensperiode hineinreicht, war die wirtschaftliche Lage in Rom eine derart günstige, dass sich nicht nur Künstler aus verschiedenen Regionen Italiens, sondern auch aus Frankreich und den Niederlanden über zahlreiche Aufträge freuen konnten. Die Künstler dieser Zeit gingen großzügig mit einer Mischung von Wirklichkeit und Imaginationen um.
Mit seinem Naturalismus und der Inszenierung von Licht und Schatten, der Hell-Dunkel-Malerei, war Caravaggio imstande, eine bis dahin nie dagewesen kraftvolle Erzählweise zu erschaffen.
Im Kunsthistorischen Museum in Wien durfte ich im Dezember 2019 einige seiner Gemälde auf mich wirken lassen. Seine Werke emotionalisieren Betrachtende, dies nicht nur durch die neuartige Ausdrucksweise, die in sämtlichen dargestellten Szenen zu erkennen ist, sondern auch, weil er in seiner Kunst elementare Themen des Menschseins aufgezeigt hat.
Narziss entstammt der antiken griechisch-römischen Mythologie. Wie eine Legende besagt, war Narziss der Sohn der Nymphe Leiriope und des Flussgottes Kephissos. Er wies die Liebe anderer zurück und verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild, ohne vorerst zu verstehen, dass es sich nur um sein Spiegelbild handelte. Über diesen Mythos gibt es mehrere Versionen, einig sind sie sich jedenfalls darin, dass Narziss letztendlich an unerfüllter Liebe stirbt. Die Tragik, die sich mir aus dieser Geschichte ergibt, ist die, dass sich Narziss in keinerlei Verbindung mit der Welt, die ihn umgab, empfinden konnte. Er verweigerte sich der Welt, die ihn umgab: Statt in einen Dialog zu treten, blieb er unverbindlich und führte Monologe.
Ein menschliches Wesen, das sich unverbunden mit allem, was es umgibt, empfindet, wird dieses Bewusstsein, wie es Ed Mitchell, ein amerikanischer Astronaut, seinerzeit definierte, nicht erlangen.
Nachdem Mitchell bei der NASA ausschied, gründete er ein Institut, das sich mit Bewusstseinsveränderungen befasst, wie er sie auch bei sich selbst beobachtete, nachdem er auf dem Mond gelandet war. Er war der Überzeugung, dass diese Forschung eine wichtige Voraussetzung dafür ist, unsere Gesellschaft umzuformen und die Natur in ihrem Wirken zu unterstützen. Ed Mitchell war auch der Ansicht, dass es Kontakte mit außerirdischen Lebewesen gibt, weshalb er auch für eine Politik eintrat, "die von der Existenz außerirdischen Lebens auf der Erde ausgeht. Die Vertreter dieser Theorie setzen sich dafür ein, diesen Umstand in eine weltweite Politik umzusetzen." (Quelle: Wikipedia)
Ich finde es immer bemerkenswert, wenn sich Forschende und erst recht Menschen, die bereits im Weltraum unterwegs waren, in so einem Bewusstsein äußern. Würden sich bei diesen Menschen begrenzende Sichtweisen nicht erweitern, wäre ich ehrlich gesagt erstaunt.
Mögen Mitchell's Ansichten auf viele auch utopisch wirken, ich wünsche mir, dass wir unsere Welt so verstehen und auch begreifen, dass wir Menschen alle miteinander verbunden sind.
Narziss, der mich in seiner Darstellung von Caravaggio sehr fasziniert, verleiht dem Wort "Narzissmus" eine Bedeutung, die man wohl nicht näher erläutern muss. In einer Gesellschaft, in der viel zu viele Menschen ihre Gedanken auf ihr eigenes Fortkommen zentrieren, gibt es reichlich Gelegenheiten, Narzissten allerorts in ihrem Wirken, oftmals auch in ihrem zerstörerischen Tun, zu beobachten. Ich erlebe es, neben all den oft krankhaften Neigungen, die sich in der narzisstischen Persönlichkeitsstörung zeigen, führt auch eine übertriebene Selbstbezogenheit dazu, dass sich Menschen mit einer ausgeprägt gelebten Exzentrik einfach nicht als Teil einer Menschheitsfamilie begreifen. Man muss diese Einheit nicht unbedingt vor dem Hintergrund von Spiritualität begreifen, es scheint mir allerdings schon naheliegend, dass ein spiritueller Zugang diese Einheit unter Menschen besser vorstellbar macht. Könnte dieses Gefühl, mit allen Menschen verbunden zu sein, in jedem menschlichen Wesen erweckt werden (da es in meiner Überzeugung in jedem Menschen schlummert), dann wäre es möglich, unsere Welt ganz anders zu sehen und zu erschaffen.
Ed Mitchell hat unsere Erde vom Weltraum aus bewundert, diese Ausblicke haben seine Sichtweise maßgeblich beeinflusst und ihm ein neues, tiefgreifendes Bewusstsein ermöglicht. Vielleicht müssten wir alle in den Weltraum reisen, um zu begreifen, was Ed Mitchell begriffen hat ...
Foto: C*
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