top of page

Mutterglück?

  • Autorenbild: C*
    C*
  • vor 3 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit

ree


Mutter zu sein, hat sich in meinem Leben nicht ergeben. Nicht nur, weil ich in jungen Jahren nicht den für eine Vaterschaft vorstellbaren Partner an meiner Seite hatte, sondern auch, weil ich keinen inneren Auftrag zur leiblichen Mutterschaft verspürte.

Allerdings konnte ich mir - mit dem passenden Partner an meiner Seite - vorstellen, ein Kind zu adoptieren. Dazu ist es allerdings ebenfalls nicht gekommen.

Mit Kindern hatte ich jedoch beruflich sehr viel zu tun - und das hat mich über die meiste Zeit mit großer Freude und mit viel Sinn erfüllt, wenn auch die Arbeitsbedingungen gerade in meinen letzten Berufsjahren in der Kinderbetreuung denkbar schlecht waren. Meine liebevollen Gefühle für die uns anvertrauten Kinder waren oft dermaßen intensiv, dass mich ihr mitunter schweres Leben tief berührt hat. Wiederholt habe ich mich besonders jenen Kindern nahegefühlt, die von ihren Eltern hauptsächlich Gleichgültigkeit und auch Gewalt erfahren haben. Ich erinnere mich noch immer an eine Mutter, die die Geburtstage ihrer zehn Kinder nicht wusste. Mich hat dieses Nichtwissen schockiert und traurig gemacht, ich hatte das Gefühl, diese Kinder waren einfach nur das biologische Ergebnis von ehelichem Beischlaf - mehr nicht.

An ein ganz besonderes Kind erinnere ich mich noch häufig, ich hatte über mehrere Jahre engen Bezug zu diesem Buben und zu seiner Mutter. Ich erinnere mich daran, dass er erzählte, seine Eltern beim Sex beobachtet zu haben. Da hat er Vorgänge gesehen und uns geschildert, die nicht seiner Fantasie entsprungen sein konnten. Von der Mutter erfuhren wir, dass sie ihrem Mann nicht immer zu Willen war. Das waren Gespräche, die mich mit Wut und Traurigkeit erfüllt haben. Wie viele Kinder wurden und werden nicht in Liebe, sondern in gewaltvollen Körperakten gezeugt? Immer wieder haben uns Mütter und Kinder mit ihren Schilderungen in ihre oft so triste Welt mitgenommen. Wir Pädagog*innen haben getan, was wir konnten, um den Kindern wenigstens in unseren gemeinsamen Stunden Sicherheit und Geborgenheit zu bieten.


Doch zurück zu meinem eigenen Leben.

Ob meine Mutter Mutterglück empfunden hat? Sie hat es jedenfalls behauptet und heute, in der Rückschau auf ihr so schweres Leben, bin ich überzeugt, dass sie das Beste für ihre beiden Kinder gegeben hat - das, was ihr möglich war. Sie war jedenfalls sehr pflichtbewusst und hat das getan, was aus ihrer Sicht zu tun war. Meine Schwester fühlte sich von meiner Mutter immer sehr geliebt. Mein Verhältnis zu meiner Mutter war sehr ambivalent, es war getragen von Liebe wie auch von Trauer und Wut; ich hatte Verständnis für meine Mutter, wie auch Unverständnis. Ich habe auch als junge Frau nicht nachvollziehen können, was meine Mutter bei meinem Vater gehalten hat. Heute ist mir alles klar und ich bedaure viele Wortgefechte zwischen meiner Mutter und mir. Auf dem Altar ihres (zweifelhaften) Mutterglücks hat meine Mutter meinem Vater ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Gesundheit geopfert. Ich fühlte mich lange schuldig, Kind meiner Mutter zu sein, denn mein Sein hat meine Mutter an meinen Vater gebunden. Daran hat er sie oft erinnert, auch mit der Drohung, dass sie im Falle einer Scheidung ihre Kinder verloren hätte. So hat es meine Mutter oft erzählt.

Ich bin in der Vergangenheit manchmal auf meine Kinderlosigkeit angesprochen worden. Nicht von vielen Menschen, allerdings von Verwandten - und auch mein Vater erlaubte sich, unpassende Kommentare abzugeben. Gerade ihm standen Kommentare gar nicht zu, denn er ist einem zugewandten Vatersein in vielen Punkten nicht gerecht geworden. Ich wurde mit strikten patriarchalen Ansichten konfrontiert, die mich sehr befremdet haben. Mein Vater äußerte oft: "Wenn viele Frauen so wie du denken, gibt es keine Kinder mehr." Ich erinnere mich daran, warum er Kinder in die Welt gesetzt hat: Es sei üblich, Kinder zu zeugen, man sei im Alter versorgt; außerdem meinte mein Vater, Kinder würden sich steuerlich günstig auswirken. Ich wurde auch von diesen Aussagen geprägt.

In meiner Verwandtschaft war meine Kinderlosigkeit verpönt, man warf mir vor, eine Karrierefrau zu sein. Welche Karriere?

Sich in so dermaßen persönliche Entscheidungen oder (schicksalhafte) Lebenswege einzumischen und diese völlig distanzlos zu kommentieren, birgt zweifellos Gefahren, kinderlose Paare zu kränken: In meinem Umfeld gibt es einige Paare, die kinderlos geblieben sind - und dies hat für lange Zeit große Schmerzen in deren Leben verursacht. Nicht jedem Paar, das sich sehnlichst Kinder wünscht, ist dieses Glück gegönnt.


Mein Partner und ich sind auf einen Film aufmerksam geworden, den wir uns ansehen werden. In Mother's Baby wünschen sich die vierzigjährige Dirigentin Julia und ihr Partner Georg sehnlichst ein Kind, die gewünschte Schwangerschaft bleibt zunächst allerdings aus. Als Julia nach einer Behandlung in einer Kinderwunschklinik tatsächlich schwanger wird, scheint das Glück perfekt zu sein. Doch die Geburt wird zu einem zutiefst verstörenden Ereignis, das Kind wird der Mutter sofort entzogen und die Eltern werden nicht darüber informiert, was genau passiert ist. Als Julia ihr Kind endlich wieder in den Armen hält, zeigen sich bei der Mutter erste Anzeichen großer Irritation. Julia ist es nicht möglich, Mutterglück zu empfinden, sie spürt eine Distanziertheit zu ihrem Kind und offenbart sich zudem in paranoiden Zügen.

Der Film behandelt auch tief verankerte gesellschaftliche Erwartungen an die Mutterrolle.

Muss Frau ein Kind haben, um sich glücklich fühlen zu können?


#Filmtipps Mehr Einblick in meinen ehemaligen Beruf bietet dieser Beitrag.


Foto: Pixabay, "PublicDomainPictures"

 
 
 

Kommentare


bottom of page