Immer erschrecke ich, wenn mich jemand unerwartet von hinten an der Schulter anfasst. Wenn ich mich umdrehe, wohl mit ein bisschen Ärger, der mir ins Gesicht geschrieben steht, folgt auch stets sofort eine Entschuldigung. Man kann es ja nicht wissen, aber ich bin etwas empfindlich gegenüber solchen Berührungen. Ich finde sie einfach nicht angebracht - und schon gar nicht, wenn ich jemanden überhaupt nicht kenne.
Genau so ist es vor einigen Tagen wieder passiert. Kaum habe ich mich von meiner Arbeitsstätte aus in den frühen Freitagnachmittag begeben, klopft mir jemand kräftig auf die rechte Schulter. Ich fahre irritiert herum und blicke in das braungebrannte Gesicht eines mir unbekannten Mannes. Die Zeit, zu überlegen, was der von mir möchte, habe ich gar nicht, es folgt sofort eine Entschuldigung, sie scheint mir ernsthaft vorgetragen. Rasch entspannen sich meine Gesichtsmuskel, der Mann wertet dies wohl als Einladung, mir sein Ansinnen zu unterbreiten. Schnell ist erklärt, wozu ich beitragen kann: Der Mann ist auf der Suche nach der Linzer Altstadt. Und nach einem Lokal, in dem man gut essen kann. Typisch österreichisches Essen soll es auch sein: Ein Wiener Schnitzel ist gewünscht! Hunger haben offensichtlich auch noch ungefähr fünfzig weitere Menschen, die nach und nach zu uns aufschließen. Laut, wild gestikulierend und lachend bewegen sich junge Menschen am schmalen Gehsteig auf uns zu und es ist nicht zu überhören, dass die Linzer Innenstadt gerade von einem Schwarm Italiener*innen geflutet wird.
Gut, dem Mann kann geholfen werden - etwas überrascht bin ich schon, dass er mit so vielen jungen Menschen allein unterwegs ist. Aber nein, auf unserem kurzen Weg in Richtung Altstadt, hin zu jenem Lokal und seinem wunderschönen Gastgarten, das seine Wünsche nach einem köstlichen Schnitzel ganz sicherlich erfüllen kann, erklärt er mir in gut verständlichem Deutsch, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen mit ihren Schülerinnen und Schülern einer Maturaklasse einige Tage in Prag verbracht hätten. Linz liegt also gut auf der Heimreise, schon in wenigen Stunden gehe es weiter, um nach der Grenze, bereits in Italien, zu übernachten. Erst dann werde die Heimreise weiter nach Lecce angetreten. Sein verständliches Deutsch hat der Herr Professor viele Jahre lang in St. Gallen in der Schweiz geübt. Ob ich schon einmal in St. Gallen gewesen sei? Er beginnt sofort zu schwärmen, besonders dürfte sein Herz an einem wunderschönen Stift hängen - ja, das würde mir sicherlich auch gefallen. Der Mann muss mich für eine Reisende halten, aber nein, leider haben mich meine Wege noch nie in die wunderschöne Schweiz geführt (wenn der wüsste, dass mich so eine Reise durchaus sehr reizen würde ...).
Als wir auf einem der schönsten Plätze von Linz zu unserer linken Seite an einer Kirche vorbeigehen, möchte der Herr Professor wissen, wie diese Kirche heißt. Ich spüre deutlich, es würde mir Freude bereiten, den Herrschaften die Stadt ein bisschen näherzubringen, aber das ist leider nicht möglich. Dennoch, rasch kann ich noch auf das Wahrzeichen von Linz aufmerksam machen, den Pöstlingberg. Und als wir beim Gastgarten landen, deutet meine Hand noch in Richtung der Linzer Altstadt. Dass die Altstadt so naheliegend ist, erfreut die Durchreisenden zusätzlich. Noch einmal höre ich eine Entschuldigung, doch lachend wehre ich diese ab - ich freue mich doch sehr, dass ich helfen konnte. Ein kräftiger Händedruck beschließt die kurze Begegnung.
Bestimmt hat Linz einen guten Eindruck hinterlassen - die Linzer Innenstadt präsentierte sich in prächtiger frühlingshafter und freundlicher Stimmung. Zudem hat das Wiener Schnitzel sicher auch gemundet - vielleicht haben die Reisenden auch noch kulinarische Verbindung mit einer Linzer Torte aufgenommen? Immerhin, das Rezept für die Linzer Torte gilt als das älteste bekannte Tortenrezept der Welt!
Inzwischen sind die Reisenden sicher wieder in ihrer Heimatstadt in Apulien gelandet - und haben hoffentlich ihre guten Reiseerfahrungen lange gespeichert.
Fotos: C* Blick auf das Museum Lentos (in blau), das an der Donau liegt -
Ausblick auf den Pöstlingberg, mit seiner Wallfahrtskirche
Wahrzeichen von Linz
Mural Harbor - Mit dem City Express durch die Innenstadt
Wunderbare Begegnung, wenn auch das Schulterklopfen nicht angebracht war (so etwas kann ich ebenfalls nicht leiden), die, wie ich denke, für beide Seiten in guter Erinnerung bleibt. 😊
Deine Begegnung mit dem Reiseleiter sprich Professor der Schülergruppe habe ich genossen und man merkt deinem Bericht an, dass auch du sehr viel Freude an diesem zufälligen Treffen hattest. So bleiben die positiven Erinnerungen auf beiden Seiten sicher noch recht lange bestehen.
Lieben Gruß von Marita, die in den letzten Wochen hier sehr wenig gelesen hat, es fehlte immer die Zeit.
Liebe C *, du beschreibst die Situation so lebendig, spannend und schön, da kann ich mir alles wunderbar bildhaft vorstellen. Wie aus einem Film.
Schön, dass sich alles so gefügt hat, nachdem die Sache auch hätte anders ausgehen bzw. gar nicht erst stattfinden können, hättest du anders auf den auslösenden Moment reagiert.
Ich bin da auch sehr schreckhaft und erwarte nichts Gutes. Zum Glück war es in dem Fall unbegründet und du hattest eine richtig tolle Begegnung. Danke fürs Erzählen!
Wiener Schnitzel ... Linzer Torte ... jetzt tropft mir der Zahn! :-)
Liebe Grüße,
Andrea
Das war ja eine wunderbare Begegnung - besonders für die Gegenseite, liebes C*. Wie schön, dass Du helfen konntest. So sind alle Reisenden zufrieden und können dank Dir später in positiven Reiseerinnerungen schwelgen. Ganz liebe Grüße, Nicole
Liebe C*, hier bin ich wieder :-D
Der gute Mann hat Glück gehabt - manche Menschen reagieren aufs Von-Hinten-Angegriffen-Werden gleich mal mit einem Handkantenschlag, habe ich mir sagen lassen. Auch bei mir kommt's sehr auf meine Stimmung an, wie ich da verfahre - ein grantiger Blick wäre wohl das Minimum.
Aber erfreulicherweise hat sich die Begegnung ja als recht angenehm herausgestellt und der Mann als sympathisch. in St. Gallen war ich auch noch nie und generell in der Schweiz noch nicht sehr oft. Nur mal am Zürichsee und Skifahren in St. Moritz (nicht nobel, sondern in einer Art Naturfreundehütte wohnend ;-))...
Ich mach's heute kurz, denn es gibt noch viel zu tun und zu schreiben, aber ich lasse dir sehr herzliche…