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Ein Seismograph sein

Autorenbild: C*C*





















Von den Österreichischen Freunden von Yad Vashem auf den Film "Schächten" aufmerksam gemacht, bin ich diesem Hinweis gefolgt (und hätte mich auch ohne Empfehlung ins Kino begeben).

Vorweg möchte ich in künstlerischer Hinsicht bemerken, dass der österreichische Film exzellent besetzt ist: Christian Berkel die Rolle des Simon Wiesenthal anzuvertrauen, war aus meiner Sicht eine tolle Entscheidung. Christian Berkel hat sich in seiner Darstellung Simon Wiesenthal großartig angenähert, auch die Sprachmelodie von Wiesenthal, die sehr eigen war, ist klar herauszuhören.

Den SS-Unterscharführer Kurt Gogl kann wohl kaum jemand treffender darstellen als Paulus Manker, man kann dieser Figur schon allein aufgrund der unheimlichen Ausstrahlung Mankers nur Abneigung entgegenbringen.

Wien in den 1960er-Jahren: Victor Dessauer, Sohn eines jüdischen Unternehmers, hat zusammen mit seinem Vater den Holocaust überlebt. Victor Dessauer erkennt zweifelsfrei in Kurt Gogl den Mörder seiner Familie. Victor und sein Vater unterstützen die Arbeit Wiesenthals, zusammen sorgen sie dafür, dass sich Kurt Gogl vor Gericht verantworten muss. Doch Österreich ist immer noch stark braun gefärbt; es ist die Zeit, in der Nazi-Verbrecher freigesprochen werden und sich in hohen Ämtern wiederfinden. So bleiben auch Gogls Verbrechen ungesühnt und er verbringt weiterhin ein beschauliches Leben im Salzkammergut, wo er zusammen mit seiner Frau lebt und als Schuldirektor arbeitet. Seine Freizeit verbringt er mit Freunden und Jagdgefährten, die seine Gesinnung - nicht einmal hinter vorgehaltener Hand - teilen.

Enttäuscht und wütend begibt sich Victor auf die Suche nach einer Möglichkeit zur Selbstjustiz, was Simon Wiesenthal jedoch verhindern möchte.


Für den Regisseur des Films, Thomas Roth, war Wiesenthals Buch "Recht, nicht Rache" Antrieb, den Umgang der österreichischen Gesellschaft und des Justizwesens mit der NS-Vergangenheit zu thematisieren.

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands hat das Verfahren gegen den Mann, der im Film "Kurt Gogl" genannt wird, festgehalten.

Auch das Zeitgeschichte-Museum Ebensee widmet sich den Vorwürfen, den Zeugenaussagen und den Untersuchungen (ab S. 18 - S. 24 im Dokument).

Dem Film, der auch mit fiktionalen Elementen versehen ist, liegen viele Fakten zugrunde, so ist zum Beispiel die Bestechungsszene, als Gogl gemeinsam mit seiner Frau einen Zeugen besucht und diesem Schmuck anbietet, auch im realen Fall Thema vor Gericht.


"Überleben ist ein Privileg, das verpflichtet. Ich habe mich immer wieder gefragt, was ich für die tun kann, die nicht überlebt haben. Die Antwort, die ich für mich gefunden habe (und die keineswegs die Antwort jedes Überlebenden sein muss), lautet: Ich will ihr Sprachrohr sein, ich will die Erinnerung an sie wach halten, damit die Toten in dieser Erinnerung weiterleben können." (Simon Wiesenthal)


An dieser Stelle ein Hinweis auf die im Anschluss folgenden drei Beiträge: Sie befassen sich ebenfalls mit Geschehnissen im 2. Weltkrieg und mit der Haltung von Menschen in dieser Zeit.



Foto: Pixabay, Th G - maxmann, ein jüdischer Friedhof

4 Kommentare

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Ein Mahnmal ...

4 Comments


Brigitte Fuchs
Brigitte Fuchs
Dec 10, 2022

Danke für diese eindrückliche Filmbeschreibung. Ja, es ist noch immer erschreckend, wie tatenlos oder gleichgültig man diesem Thema gegenüber war und ist.

Und immer lodern neue Feuerherde auf bei diesem nie ganz eingedämmten Flächenbrand...

Einen nachdenklichen Morgengruss,

Brigitte

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C*
C*
Dec 10, 2022
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Liebe Brigitte,

gerade in Österreich ist der Trend in Richtung "Das liegt alles so lange zurück, diese Menschen leben nicht mehr, warum sollten wir noch darüber reden?" greifbar.

Jugendliche hören darüber meist nur im Geschichtsunterricht und nur in sehr politischen Elternhäusern hört und spricht man noch darüber - und dabei kommt es zweifelsfrei auch auf die Gesinnung an, wie darüber gesprochen wird.

Nationalismus, der aggressiv gefärbt ist, ist nicht nur in Österreich ein Thema, man sieht ja auch, was gerade in Deutschland passiert ist, Stw. Pläne zum gewaltsamen Umsturz der Regierung durch die sogenannten "Reichsbürger".

Wir kennen dieses erschreckende Phänomen des Fanatismus an vielen Plätzen der Welt, das macht mich schaudern!

Liebe Grüße in die Schweiz, C Stern


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Roswitha
Roswitha
Dec 09, 2022

danke für den hinweis, ich werde den film suchen und anschauen, ich finde wir dürfen nie aufhören, das geschehene zur sprache zu bringen. ferdinand von schirach hat auch ein buch über über die täter und opfer geschrieben, dort steht ein opfer vor gericht, weil es zum täter wurde. dieses buch hat mich sehr berührt, es fiel mir sofort ein. herzlichen gruß, bleiben wir wachsam, roswitha

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C*
C*
Dec 09, 2022
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Liebe Roswitha,

der Film hat aus meiner Sicht leider auch Schwächen, diese sehe ich beispielsweise in der geschilderten Beziehung zwischen Victor und seiner Freundin, die aus katholischem Elternhaus stammt, und sich sehr naiv und erschreckend oberflächlich zeigt. Es ist mir persönlich unter anderem nicht nachvollziehbar, dass Victor diese Frau in sein neues Leben mitnehmen möchte. Es stören mich auch ein paar andere Details, die die Umsetzung und Dramaturgie betreffen, doch sind es vor allem die schauspielerischen Leistungen von Berkel (allen voran!) und auch Manker, die den Film samt seinem Grundthema insgesamt doch sehenswert machen.


Ein Film, der wesentlich stimmiger und auch packender in seiner gesamten Umsetzung ist, ist zweifelsohne jener von Regisseur Christian Frosch, "Murer - Anatomie eines Prozesses" (Link…


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