top of page
AutorenbildC*

Auf Herbergssuche



Auf Herbergssuche waren und sind auch 2022 viele Menschen, nicht nur jetzt, in der Zeit vor Weihnachten.

Flüchtlinge - Menschen, die aus ihren kriegsführenden Ländern flüchten. Menschen auf der Flucht vor unvorstellbarem Elend. Ich stimme natürlich mit Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Ziffer 1, überein.

Was Hannah Arendt im Jahr 1943 über das Schicksal ihrer jüdischen Mitmenschen festgehalten hat, das gilt wohl für viele Menschen, die ihr Zuhause und damit auch die Vertrautheit ihres Alltags verloren haben - in der Vergangenheit wie in der Gegenwart.


Vor ein paar Tagen habe ich jemanden getroffen, der direkt mit Flüchtlingen zu tun hat, auf administrativer Ebene. Einige Aussagen dieses Menschen haben mich sehr betrübt, denn sie waren mir schlicht zu verallgemeinernd. Auch, wenn in einigen Fällen zutrifft, was ich zu hören bekam, so sind nicht alle Menschen, die aus der Ukraine flüchten, gleich: Nicht alle Ukrainer*innen sind unzufrieden mit den Quartieren, die wir ihnen in einem sicheren Land anbieten können. Nicht alle sind undankbar für die Art von Ersatzkleidung, die sie erhalten. Nicht alle Frauen sind feine Damen, die ihr gutes Aussehen einem Chirurgen zu verdanken haben. Ich habe mit zunehmendem Bauchgrimmen zugehört, was mir erzählt wurde. Offensichtlich musste hier mal jemand Dampf ablassen, und ich kann mir auch gut vorstellen, dass man einseitig wird, wenn man tagaus, tagein mit Menschen zu tun hat, deren Nerven blankliegen und die durchaus öfter nicht den richtigen Ton treffen - und dann habe ich ganz ruhig gesagt: "Manches höre ich heute nicht zum ersten Mal, aber ich möchte mit diesen Menschen keinesfalls tauschen."


Ich habe Jahre verbracht in der Arbeit mit Menschen, die ihre Länder verlassen haben, weil erwachsene Menschen, die diese Länder regieren, nicht in der Lage sind, Probleme in Gesprächen und Verhandlungen am Tisch zu lösen. Ich habe vielen Menschen, Kindern wie Erwachsenen, zugehört und ich habe vieles beobachtet. Vor allem ist mir in all diesen Jahren bewusst geworden, dass es keine Lösung ist, einfach nur Flüchtlinge aufzunehmen. Man kann nicht nur die Grenzen offenhalten, um Menschenleben zu retten, man muss diesen Menschen auch Perspektiven bieten. Wenn wir ihnen diese nicht bieten können, dann kippt die Stimmung, und das habe ich - ich kann es nicht verschweigen - tatsächlich sehr häufig erlebt. Sowohl bei denen, die hier in Österreich Sicherheit gefunden haben, wie auch bei jenen, die betreuend tätig waren und sind.

Vieles, was ich kritisiere, habe ich in diversen Beiträgen geschildert. Ich möchte auch die Herausforderungen in der Arbeit mit Flüchtlingen nicht verschweigen. Und ich möchte diese Herausforderungen auch nicht kleinreden. Ich halte es nämlich für gefährlich, hier blind zu sein. Diese Blindheit und das Negieren von Herausforderungen, ja, auch von Problemen, sie schüren den Unmut unter meinen Landsleuten - und dieser Unmut spielt zweifelsohne jenen Parteien in die Hände, deren Soldat*innen ich keinesfalls auf der Regierungsbank sehen möchte!

Was ich aber auch keinesfalls möchte, ist, dass es in meinem Land Menschen gibt, die jene Kriege, die in ihren Ländern toben, hier weiter austragen. Davon kann ich nämlich auch berichten - und das Besorgniserregende ist, dass zunehmend bereits Kinder lieber zu Waffen greifen möchten, als alles Notwendige für eine Deeskalation einer Situation zu tun.

Es kann nicht sein, dass manche Flüchtlinge und Asylsuchende nur ihre Rechte einfordern, sich aber ihren Pflichten nicht stellen. Daher erachte ich es auch als besonders wichtig, dass alle Menschen, die sich in Österreich aufhalten, die Pflicht haben, die Rechte und Freiheiten anderer anzuerkennen und sich einer demokratischen Gesellschaft einzuordnen.

8 Kommentare

Ähnliche Beiträge

Alle ansehen

8 Comments


Roswitha
Roswitha
Nov 29, 2022

die probleme sind sehr vielfältig, uns beschäftigen sie fast täglich, da wir seit jahren flüchtlinge beschäftigen. mal mir mehr, mal mit weniger integration. oft denke ich, ihnen fehlt eine familie, tanten, onkel, großeltern oder so, da sie entwurzelt wurden. sie sind z.b. oft krank, weil sie hilflos sind mit alltäglichen unpäßlichkeiten. sie können nicht wissen, was sie tun können, weil sie zu jung waren, als sie die familie verloren. und dann stehen sie gegenüber einer bürokratie, die uns selbst auch sprachlos macht. und ein integrierter mann, der seit zwei jahren gut arbeitete und seine familie versorgte, wurde einfach abgeschoben. es braucht ein ganzes dorf um ein kind groß zu ziehen, sagt man. und menschen, die hier fremd sind, brauchen auch…

Like
C*
C*
Nov 29, 2022
Replying to

Es ist eine große Verantwortung, wenn Flüchtlinge von Seiten des Staates aufgenommen werden - und erst recht, wenn sich Privatpersonen finden, die diese Menschen in Not versorgen, sich um diese aktiv kümmern, seelisch Beistand leisten, sie in Gesundheitsthemen beraten, die Menschen bei Behördengängen begleiten, usw.

Die Bürokratie ist natürlich auch in Österreich vorhanden, ob sie nachvollziehbar ist, kann ich nicht einschätzen. Dazu fehlt mir der Überblick. Aber ich höre schon den Amtsschimmel wiehern, warum sollte es bei diesem Thema einfacher sein als bei so vielen anderen Themen? Formulare, die kaum verständlich sind, das hat man ja häufig.

Und so wie Du, liebe Roswitha, frage auch ich mich immer wieder, wie es sein kann, dass gut integrierte Menschen abgeschoben werden, obwohl…


Like

Astridka
Astridka
Nov 28, 2022

Wie Brigitte schon in ihrem Kommentar schreibt: Eine klare und differenzierte Darstellung der Problematik! Auch ich danke dir dafür!

GLG

Astrid/lemondedekitchi

Like
C*
C*
Nov 28, 2022
Replying to

Mein Dank gilt auch Dir, liebe Astrid!

Motor für meinen Beitrag war mein zufälliges Zusammentreffen mit einem Menschen, der engen Zugang zu Flüchtlingen hat: Einerseits kann ich nachvollziehen, dass man einäugig wird - andererseits müssen wir weiterhin klar differenzieren: Nicht alle Menschen, die aus einem bestimmten Land flüchten, haben das gleiche Auftreten uns gegenüber! Sie sind alle einzigartig als Menschen und dennoch gleich in ihrem Schicksal: Sie mussten ihre zerstörte Heimat verlassen, etwas, was wir uns selbst, da wir in Frieden leben dürfen, gar nicht auszumalen wagen!

Herzliche Grüße, C Stern

Like

stemmer.recklinghausen
stemmer.recklinghausen
Nov 28, 2022

Uns westlichen Ländern fällt z.T. das auf die Füße, was Generationen vor uns in den Ländern "verbrochen" haben, deren Bewohner heute zu uns flüchten. Es braucht eine neue "Weltsicht" und ein qualitativ anderes Verhalten, durch das deutlich wird, dass wir alle miteinander als Menschen verbunden sind und nur eine Erde zur Verfügung haben, mit der wir sorgfältig umgehen müssen. Und das bedeutet, Bereitschaft zu entwickeln, einander zuzuhören und gemeinsam nach tragenden Lösungen zu suchen. Manchmal denke ich, dass da ein zartes Pflänzchen der Veränderung entsteht. Zumindest hoffe ich das, zumindest wünsche ich mir das. Herzliche Grüße

Like
C*
C*
Nov 28, 2022
Replying to

Ganz sicher fällt uns das von Dir angeführte Verhalten auf die Füße - und noch weitere Themen, die wir oft nicht klar einsehen können.

Ich bin beispielsweise auch oft sehr überrascht, wie viele Kommen.tat.or*innen ich lese, die genau wissen wollen, was sich in Ländern, fern von uns allen (und auch in der Ukraine), über viele Generationen zugespitzt hat: All dies oberflächlich und ohne fundierte politische und auch historische Kenntnisse zu betrachten, und ohne in diesen Konfliktregionen selbst gelebt zu haben, scheint mir oft eine zusätzliche Befeuerung von Konflikten zu sein! Diesen Vorwurf kann man auch westlichen Ländern machen, allen voran den USA.


Ich bin ganz intensiv bei Deiner Sicht auf die Menschheitsfamilie: Für dieses Gefühl der Verbundenheit gibt es bei…

Like

Brigitte Fuchs
Brigitte Fuchs
Nov 28, 2022

In diesem Beitrag sprichst du die Probleme und Herausforderungen rund um die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge erstaunlich klar und differenziert an.

Man merkt, dass du weisst, wovon du sprichst.

Hab Dank dafür! Ja, wir müssen das Thema immer von allen Seiten sehen, um zu guten Lösungen zu kommen.

Möge die Vorweihnachtszeit ein Katalysator dafür sein!

Einen lieben Gruss,

Brigitte

Like
C*
C*
Nov 28, 2022
Replying to

Liebe Brigitte, zu differenzieren ist mir überaus wichtig und wenn mir das auch in Deinen Augen gelingt, freut mich das sehr!


Ein Thema wie dieses anzugreifen, fühlt sich an, als würde man nach einem heißen Eisen greifen, es macht einen manchmal auch angreifbar: Und dennoch werde ich meine Einsicht auf Fakten nicht verschweigen.

Ich wünsche mir, dass auch Verantwortungsträger*innen in diversen (internationalen) Institutionen und in der Politik begreifen, wie wichtig es ist, diese große Thematik bei der Wurzel anzupacken: Wir müssen die Friedensarbeit in den Kindergärten beginnen! Und die Mitarbeiter*innen solcher Einrichtungen müssen gehört und endlich ernstgenommen werden!

Herzliche Grüße 🎄

C Stern

Like
bottom of page