Im Bereich des Schulwesens stehen derzeit nicht unsere Kinder und ihre Bedürfnisse im wahren Mittelpunkt aller Bemühungen, sondern es wird auf dem Rücken der Kinder, direkt an den Bedürfnissen von Kindern vorbei, ein ideologischer Hickhack darum ausgetragen, inwieweit unsere Kinder bereits in jungen Jahren zum Kanonenfutter für die Wirtschaft - zu "Menschenmaterial" - heranerzogen werden können.
Es herrscht keine Einigkeit darüber, wie Kinder am effizientesten dabei unterstützt werden können, ins Leben hineinzuwachsen und emotional und seelisch zu reifen. Dazu bedarf es allerdings auch keiner ideologiegeschwängerter Bildungssprecher aus den einzelnen politischen Parteien, sondern des Inputs von Fachleuten und von jenen, die direkt mit Kindern arbeiten.
Was mir auffällt, ist die Tatsache, dass niemand mit denen spricht, um die sich die Diskussionen drehen: Ich empfinde Antworten von Kindern immer als sehr lehr- und aufschlussreich und es ist schlicht und einfach essenziell, in Erfahrung zu bringen, was Kinder motiviert, um im Abenteuerland Schule mit größter Lust zu forschen, zu hinterfragen, zu irren, zu entdecken und zu lernen. Ganz sicherlich kommt es einem Abgesang auf das Bildungssystem gleich, wenn wir glauben, dass Bildung nur dann gelingt, wenn unsere SchülerInnen gut beim PISA-Test abschneiden.
Gerald Hüther, ein bekannter Neurobiologe, bringt dazu Essenzielles ein: "Der eigentliche Schatz, den wir fördern müssten, ist die Begeisterung am eigenen Entdecken und Gestalten, das Tüftlertum, die Leidenschaft, sich mit etwas Bestimmtem zu beschäftigen. All das wird bei den PISA-Tests gar nicht gemessen."
Ein wertschätzender Umgang mit Kindern wird in vielen Konzeptionen diverser Einrichtungen im Bildungs- und Betreuungsbereich versprochen, doch die Realität weicht auch in dieser Hinsicht mitunter sehr davon ab. Und dafür gibt es viele Gründe, die nicht nur in unglücklichen Personalentscheidungen (gerade in Zeiten der Personalnot) liegen, sondern auch in einem erdrückenden Verwaltungsaufwand, mit welchem sich LehrerInnen, KindergärtnerInnen, HortpädagogInnen und EinrichtungsleiterInnen auseinanderzusetzen haben! Aus eigener Praxis weiß ich zu gut, wieviel Zeit für unterschiedlichste Formulare, Planungen, Reflexionen und ähnliches aufgewendet werden muss, ohne daraus einen größeren Nutzen ziehen zu können.
Der Orientierung, hin zur totalen Verwirtschaftung unseres Lebens, ist es geschuldet, dass Kinder teilweise bereits in den Volksschulen mit Tablets umgehen müssen (Tendenz steigend!), um als "digital natives" einen flüssigen Umgang mit den modernsten Medien zu integrieren. Der Focus der kindlichen Entwicklung wird dadurch bereits bei VolksschülerInnen zu sehr auf das spätere Berufsleben gerichtet. Das soziale Lernen bekommt längst nicht den Stellenwert, den es haben müsste, besonders in den sogenannten "Brennpunkt-Schulen". (Manche ExpertInnen mögen dieses Wort übrigens gar nicht. Es wurde allerdings auch noch kein deutlicheres gefunden, das die Tatsachen effizient beschreibt. Ich bin klar dafür, Tatsachen ungeschönt zu benennen und nicht abzuschwächen, wenn es denn sein muss. Und ja, es gibt sie definitiv, diese Brennpunkt-Schulen und -Einrichtungen!)
"Autonomes Lernen" gilt gegenwärtig als eine der modernsten Errungenschaften im Dschungel der Beschulungsmethoden und nicht immer kann jedes Kind damit erreicht werden, denn es gibt eben auch Kinder, die sich vor allem durch Führung von respektvollen LehrerInnen entwickeln.
Auch dazu ein wesentlicher Satz von Gerald Hüther: "Als Neurobiologe kann ich nur sagen, dass das Allerwichtigste, das ein Mensch besitzt, und das die Voraussetzung ist, dass er viel lernt und sich später im Leben zurechtfindet, die angeborene Lust am Entdecken und am gemeinsamen Gestalten ist."
In diesem Zusammenhang werde ich auch nicht müde, wieder einmal auf die großartige Dokumentation "ALPHABET - Angst oder Liebe" von Erwin Wagenhofer hinzuweisen (mehr dazu in "Schöpfer oder Opfer", August 2016).
Die Stärke einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit Benachteiligten und Randgruppen umgeht - ich erlebe immer wieder hautnah, dass in puncto Finanzierung einer pädagogisch hochwertigen Betreuung von Kindern an vielem gespart wird. Man könnte vermuten, Kinder existieren in manchen politischen Hirnen nur als Randgruppe: Und dabei wird deutlich, dass bei vielen EntscheidungsträgerInnen, die für Gesetze und Rahmenbedingungen zuständig sind, sehr wenig bis überhaupt kein praktisches Wissen vorhanden ist, um beispielsweise zur Überwindung von ungleichen Bildungschancen (Stichwort "Integration") oder zu fairen Rahmenbedingungen (besonders für PädagogInnen in Kindergärten und Horten) beizutragen.
In all den Jahren, in denen ich berufsbedingt diesen Bereich sehr gut einsehen kann, habe ich kein einziges Mal erlebt, dass sich zuständige PolitikerInnen tatsächlich vor Ort ein umfassendes Bild darüber gemacht hätten, was nötig ist, um unter annehmbaren Voraussetzungen BeGEISTerung bei Kindern für das Lernen, für die Gemeinschaft, für einen friedvollen Zusammenhalt zu schaffen. Mediale Gesichtswäschen der politisch Verantwortlichen bei Veranstaltungen und Feiern gelten nicht!
Gerade seit den letzten Jahren sind die Auflagen, unter denen PädagogInnen in Kindereinrichtungen zu Höchstleistungen angetrieben werden, so vielseitig und erschöpfend, dass es nicht verwundern darf, wenn junge Menschen, die mit Leidenschaft in ihren Beruf eingestiegen sind, rasch das Weite suchen. Genau solche Entscheidungen von jungen Menschen habe ich mehrmals erlebt.
Neben vielen Herausforderungen in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern und mit ihren oft nicht weniger auffälligen Eltern (wie auch in meinem Artikel "Systemsprenger" beschrieben) gilt es, - gerade im städtischen Bereich - eine äußerst prekäre Personalsituation zu bewältigen: Diese ist seit Jahren bekannt; es gelingt jedoch nicht, hier einen Umschwung herbeizuführen. Man behilft sich schon seit längerem mit QuereinsteigerInnen, was auch KritikerInnen auf den Plan ruft - nicht immer unberechtigt: Es gibt in seltenen Fällen allerdings tatsächlich Naturtalente, die es hervorragend verstehen, auf kluge und liebevolle Weise mit Kindern zu arbeiten. Eine adäquate Ausbildung muss neben dem Beruf nachgeholt werden, was eine große Herausforderung bedeutet.
Es gibt übrigens keine Garantie dafür, dass in ausgebildeten PädagogInnen immer Persönlichkeiten stecken, die mit Kindern arbeiten sollten. Zuviel Schauderbares habe ich erlebt und es wundert mich tatsächlich, was Eltern alles zulassen, ohne Beschwerde einzulegen!
Ganz offen wird inzwischen auch überraschenderweise von Seiten der Gewerkschaften bemängelt, dass diverse Ausbildungen im Kinderbetreuungsbereich nicht mehr zeitgemäß sind!
Es gilt also, vieles ohne Scheuklappen anzupacken, damit junge Menschen wieder dafür beGEISTert werden können, um mit Kindern zu arbeiten!
(Foto: www.pixabay.com)