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Socken mit Herz



Das Stricken habe ich früh entdeckt. Ich weiß noch, dass ich schon als kleines Mädchen meiner Oma gerne dabei zugesehen habe, wie sie mit ihren glänzenden Nadeln gar Wundersames aus einem Knäuel Wolle gezaubert hat. Meist waren es graue, braune oder grüne Wollknäuel, die meine Oma zu Socken, Pullundern, Pullovern und Westen verstrickte. Die Oberteile sind ihr manchmal ein bisschen kurz geraten, aber hübsch waren sie immer anzusehen. Wenn Oma nicht zufrieden war mit den Ergebnissen ihrer emsigen Arbeit, dann hat sie ihre Strickerei auch entschlossen aufgetrennt - und wieder von vorne begonnen. Die Sockenferse war ihr Meisterwerk, niemand hat jemals solche Fersen gestrickt. Fersen, die sich perfekt den Füßen ihrer Träger*innen anpassten - in keiner Anleitung zu finden. Diese besondere Art des Fersenstrickens habe ich übernommen.

Besonders faszinierend fand ich, wenn meine Oma ihren gestrickten Oberteilen Zöpfe einfügte. Dieses so gekonnte Verschränken der Nadeln, ich wusste mir diese Art zu stricken damals noch nicht so recht zu erklären - und dennoch, meine Neugierde für gestrickte Zöpfe, die war jedenfalls geweckt!

Wenn am bäuerlichen Hof weniger zu tun war, weil die Erde ruhte, knackten die Holzscheite immer gemütlich im Ofen und neben der zuverlässig und monoton tickenden Pendeluhr war auch das leise Klappern der Stricknadeln zu vernehmen. Immer war es wohlig warm in der guten Stube, auf dem Herd stand stets leicht gesüßter Kamillentee bereit. Ich saß so gerne beim Kachelofen und fühlte mich einfach geborgen. Das Wohnzimmer der Großeltern strahlte eine große Behaglichkeit aus. Welchen Gedanken meine Oma, die auf einem gemütlichen Sofa saß, bei ihrer Strickerei nachhing, hat sich uns Kindern nicht erschlossen. Der Opa saß meistens über seinen Büchern gebeugt, seine Erledigungen wurden akribisch festgehalten.

Es sind Szenen wie diese, die mich in den letzten Wochen häufig beschäftigen, ein intensives Sehnen nach diesem Frieden macht sich in mir breit. Manchmal mache ich mir auch Sorgen, mich eines Tages nicht mehr so deutlich erinnern zu können ... An ihre Gesichter, an ihre Stimmen, an bestimmte Szenen, an so viele Gerüche. Wie sehr ich meine Großeltern geliebt habe!


Ich erinnere mich an meine ersten selbstgestrickten Socken. Dottergelb waren sie, sind sie - ich besitze sie heute noch, über vier Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung. Obwohl ich sie viel getragen habe, sind sie noch in einem erstaunlich guten Zustand, was auch an der Qualität der Wolle liegt. Ich staune, in welcher Regelmäßigkeit und Präzision sie sich präsentieren, meine ersten selbstgestrickten Socken: Früh habe ich einen Ehrgeiz entwickelt, ganz exakt zu stricken. Jede Masche musste der vorangegangen in Größe und Form gleichen, sämtliche Fäden wurden bei Vollendung der Strickarbeit gewissenhaft auf einer Linie möglichst unauffällig vernäht. Bis heute hat sich an dieser Herstellungsart nichts geändert. Im Laufe der Jahre habe ich unzählige Sockenpaare gestrickt, auch auf mehrfachen Auftrag. Besonders lieb(t)e ich es, kreativ zu sein, in Farben, Mustern und Längen. Viele Sockenpaare habe ich verschenkt und besonders von einer Person bekam ich immer wieder die Rückmeldung, wie glücklich sie sich mit den bunten Socken an ihren Füßen fühlte. Auch mit Farben und ihren Wirkungen auf das Wohlbefinden habe ich mich im Laufe der Jahre beschäftigt. Bevor ich meine Socken verschenkt oder manchmal auch verkauft habe, wurden sie mit einer Pflegeanleitung versehen, auf der Rückseite immer ein paar handgeschriebene Gedanken oder auch ein passendes Zitat, die bzw. das ich den zukünftigen Sockenträger*innen mitgeben wollte: "Die Liebe trägt die Seele, wie die Füße den Leib tragen." (Katharina von Siena)

Jedenfalls waren es immer nach Schafmilchseife duftende Socken mit ❤️, die meine Sockenschachtel verließen.

An all meinen Stricknachmittagen oder in den Nächten, besonders in den Wintermonaten, saß ich gerne vor meinem Fernseher, von tollen Dokus oder schönen Filmen begleitet. So füllte sich auch mein dickes kleines Notizbuch Seite um Seite, wenn ich etwas sah oder hörte, das mich begeisterte, worüber ich noch mehr erfahren wollte oder was ich einfach festhalten wollte.

Wenn's draußen kalt ist, stürmt und schneit, dann beschäftigt mich auch heute noch Wolliges und Wohliges in meinem Wohnzimmer - und meine Gedanken wandern zurück in eine Zeit, als meine Großeltern noch lebten ...


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