Schnee von gestern?
Österreich als begeistertes Skiland, sogar von einer Skination war einst die Rede. Was bleibt davon, in Zeiten wie diesen?
Klimawandel -> warme Winter, Polykrise -> Teuerungen!
Der verpatzte Start in die Ski-Weltcupsaison 2023/24 in Sölden hat wieder zum Thema gemacht, was schon seit Jahren beobachtet werden kann: Auf den Schnee auf den Bergen ist kein Verlass mehr! Auch im Ski-Weltcup sind inzwischen Diskussionen angekommen, die sich zwischen Klima-Herausforderungen und wirtschaftlichen Interessen bewegen. Ich finde es unterträglich, dass sogar ein Gletscher präpariert wird, nur damit einem Weltcup-Auftakt nichts im Wege steht. Und dann hat die Natur den übereifrigen Organisator*innen doch noch ein Schnippchen geschlagen: Die Natur kann man eben nicht den vielen industriellen Interessen unterordnen - und das ist auch gut so!
Dass es heutzutage überhaupt noch Pläne für neue Skigebiete gibt, halte ich für völlig absurd: Der Klimawandel macht es doch immer mehr Skigebieten unmöglich, ihre einstige Bestimmung aufrechtzuerhalten, sie müssen zusperren.
Und zu alledem: Will man sich Skifahren noch leisten, kann man es sich noch leisten? Eine technische Aussstattung und Skibekleidung ihr Eigen zu nennen, ist bereits für viele Menschen purer Luxus. Man kann die Ausrüstung natürlich auch leihen, doch auch in diesem Falle schlagen die Kosten für einen einwöchigen Urlaub nicht unerheblich zu Buche. Und in dieser Wintersaison wird eine Tageskarte in österreichischen Skigebieten, deren Pisten unter Skibegeisterten als anspruchsvoll gelten, ungefähr siebzig Euro kosten. Dazu noch nicht eingerechnet der Einkehrschwung in einer Skihütte und im Falle eines Urlaubes auch nicht die Übernachtungskosten in einem Urlaubsquartier.
Ein Skiurlaub, wie ich in als Kind und Jugendliche sooft in den wunderbaren Nockbergen Kärntens erleben durfte, ist vielen Familien inzwischen nicht mehr möglich.
Viele (manchmal wohl auch sehr unsportliche) Österreicher*innen lieben es, bei Ski-Weltcuprennen vor den TV-Geräten zu sitzen, ganze Stammtische in Lokale sind dazu installiert. Sofaexpert*innentum: Menschen als gnadenlose "Expert*innen", was sportliche Leistungen anderer betrifft. Unvergessen auch die Enttarnung eines einst sehr populären TV-Sportmoderators und verbalen Skiakrobaten, den ich einmal bei seinen "Schwüngen" live auf einer Abfahrt beobachten konnte, lange ist's her, aber die Erinnerung daran lebt ;-) Was der Kommentator den Skiathlet*innen in den TV-Übertragungen immer so begeistert und überzeugt anempfahl, konnte er selbst kaum umsetzen. Es war ein Hangabwärtsmühen auf einer Piste, die nicht gerade herausfordernd an ein besonderes Können ist.
Meine Begeisterung für Weltcup-Übertragungen hat mich längst verlassen, sie war allerdings in Kindheit und Jugend riesengroß: Der Stellenwert von Skirennen in den 1970er Jahren war - aus heutiger Sicht - unvorstellbar hoch. Damals saßen wir zu viert im Wohnzimmer, nicht nur der TV-Kommentar wurde gehört, auch die Stimme des Radio-Kommentators erfüllte das große Wohnzimmer. Die Zeitung, in der sich eine Tabelle zum Mitschreiben der Zeiten befand, und ein Stift lagen akkurat bereit. An diesen Tagen durfte sogar im Wohnzimmer gegessen werden, was ansonst nicht erlaubt war. Und auch unser Hund zeigte in Folge unserer Nervosität seinerseits Aufgeregtheit, sobald ein Mitglied des österreichischen Skiteams im Starthaus stand.
In diesen Momenten waren auch alle familiären Schieflagen vergessen, in aller Eintracht fieberten wir gemeinsam mit unseren Helden und Heldinnen mit, Spitzenzeiten wurden laut bejubelt, unser kleiner Hund bellte wie verrückt. (Meine Schwester führte übrigens ein Eigenleben, vor allem, wenn ein gewisser Ingemar Stenmark zwischen den Torstangen unterwegs war. Dieser herausragende Sportler hatte einen besonderen Stellenwert in ihrem jungen Herzen. Jahre später haben wir Ingemar Stenmark persönlich getroffen, auf einer legendären Geburtstagsfeier von und für Franz Klammer, die in unserem Urlaubsort in den Nockbergen stattfand. An diesem Tag entstand ein sehr schönes Foto vom groooßen Ingemar und seinem schüchternen Fan.)
Obiges Bild von Rudolf "Florian" Nemec gibt eindrucksvoll wieder, was sich 1976 nach Franz Klammers Abfahrtssieg bei der heimischen Olympiade in Innsbruck abspielte: Die Skination stand Kopf und sollte sich noch für viele weitere Jahre an dieses Olympia-Gold "klammern". Das Herausragende am damaligen Sieg Klammers war sicherlich, dass er enorme Nervenstärke bewies, denn er galt als überlegener Sieganwärter. Es kam zum Zweikampf mit dem Schweizer Top-Athleten Bernhard Russi, dem Olympiasieger von 1972 (Sapporo, Japan). Sogar ein eigener Spielfilm, "Klammer - Chasing the Line", ist unter anderem diesem Duell gewidmet.
Die Olympiade im Jahr 1972 traf die österreichische Fan-Seele allerdings hart: Karl Schranz, der durchaus als streitbar gilt, wurde nach einem Verstoß gegen das damals geltende Amateurgesetz ausgeschlossen, was zu riesigen Protesten und Solidaritätskundgebungen für ihn führte. In meiner persönlichen Rückschau möchte ich diesen "Schranz-Rummel", der in Österreich sogar zu politischen Aktionen führte, als höchst absonderlich einordnen. Dieser Ausschluss bescherte Schranz übrigens weltweit einen höheren Bekanntheitsgrad als alle seine Siege zuvor. Die Mobilisierungsmacht der völlig aus dem Häuschen geratenen Medien zeigte sich auf geradezu erschreckende Weise. Viele Jahre später sollte sich Schranz seiner Freundschaft mit Putin rühmen.
Ein geradezu schauriges Jahr in der Geschichte des erfolgsgewohnten und -verwöhnten Österreichischen Skiverbandes war das Jahr 1984, als es anlässlich der Olympiade in Sarajevo nur eine Medaille zu verzeichnen gab - und diese nur in Bronze, durch den Abfahrer Anton "Jimmy" Steiner. Damals sind die Wogen in Österreich hochgegangen, daran erinnere ich mich heute noch: Aus dem gewohnt hochmütigen "Wir sind Sieger"-Gefühl wurde ganz schnell eine "Ihr seid Schuld"-Abgewandtheit. Typisch österreichisch, das meine ich.
Der in Oberösterreich sehr bekannte Karikaturist Rudolf "Florian" Nemec, der auch Schöpfer der Karikatur "Franz von Österreich ist", gab die Stimmung mit viel Ironie wieder.
Sehr viel tragischer ist für mich allerdings die Geschichte Sarajevos; eine Stadt, die durch Kriege und Attentate für Schlagzeilen gesorgt hat. Die Olympischen Spiele sollten vielen Bewohner*innen Sarajevos als "der schönste Moment in der Geschichte der Stadt" in Erinnerung bleiben. (Den Krieg wird Sarajevo leider nicht los, dazu ein lesenswerter aktueller Stimmungsbericht hier.)
Fotos: C*
Liebe C*, ich muss dir ehrlich gestehen, dass mich die Berge und der Schnee sehrwohl noch rufen würden - ich war immer eine leidenschaftliche Skifahrerin. In diesem Jahr werden wir dennoch auf einen Skiurlaub verzichten, aus anderen Gründen. Aber ich bin mit dir absolut einer Meinung, dass es einfach nicht mehr machbar ist, noch weitere Skigebiete zu eröffnen. Wenn Skisport nicht mehr auf den bisherigen Pisten möglich ist, muss diese Sache einfach enden. Eine Skination sind wir ohnehin schon lange nicht mehr - Schulskikurse finden nicht mehr statt und viele ÖsterreicherInnen können oder wollen sich für sich und ihre Kinder sowieso keine Skiurlaube mehr leisten... und der Klimawandel tut das übrige.Wir werden uns umstellen MÜSSEN. Wandern ist schließlich auch schön.
Die Natur zeigt uns unsere Grenzen auf und anstatt mit ihr zu leben, nach Alternativen oder klimafreundlichen Veränderungen/Verhalten zu schauen, wollen wir sie "bezwingen"...alles aus Profitgier und Prestigedenken.
Dein Beitrag ist wieder sehr lesenswert.
Lieben Gruß von Marita
Sie sollten vielleicht in eigenem Interesse nicht mehr rufen ;)
Herzliche Grüße zum Wochenanfang.
sehr gut geschrieben..
obwohl ich selber nichts mit Wintersport am Hut hatte
(außer dass ich als Kind Schlitten gefahren bin )
habe ich mich eine Zeit lang sehr für Biathlon interessiert
und die Olympischen Winterspiele habe ich auch einige Jahre verfolgt
heute interessiert mich das alles nicht mehr
(mein Fernseher hat sich auch abgemeldet ;) und ich habe keine Lust mich mit den Einstellungen zu beschäftigen )
ganz schlimm empfinde ich wie du diese selbsternannten Experten
die meinen ihren Senf dazu geben zu müssen und auch noch biestig werden
wenn die geforderten Leistungen nicht kommen
aber das ist ja leider nicht nur im Sport so
die Karrikaturen sind klasse
liebe Grüße
Rosi
https://rumpelkammerxxl.blogspot.com
Du hast die Situation super beschrieben. Besser kann man es wirklich nicht ausdrücken und ich kann jedes Wort nur ganz dick unterstreichen. Wobei das ja hier in Deutschland auch nicht anders ist und auf viele Sportarten zutrifft. Das Geld hat alles kaputt gemacht, ob es der Wintersport ist, die Tour de France oder der Fußball ist. Bei vielen dieser Sportübertragungen war ich früher begeisterter Zuseher und habe mitgefiebert und die Daumen gedrückt. Heute interessiert mich das alles nicht mehr.
Die Karikaturen sind wirklich super!!!
Liebe Grüße
Jutta