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Auf welchen Wegen durch die Polykrise?



Ein chinesischer Sinnspruch über "Gelassenheit": Man könnte meinen, er muss aus grauer Vorzeit stammen, so sehr unterscheidet sich die zitierte Gelassenheit von der Realität des Getriebenseins. Gerade die Chinesen sind es doch, die sich für sämtliche Errungenschaften der Technik regelrecht Hals über Kopf begeistern und in "Habt-Acht-Stellung" stehen, um sich in allen Lebenslagen überwachen zu lassen.

Getriebenheit lässt auch keinen Rundumblick zu; kein Innehalten, das zum oft so notwendigen Abwägen Zeit lässt.

Einen spannenden Gastkommentar von George Soros zu globalen Herausforderungen habe ich im Standard entdeckt. Wer KI kritisch sieht, wem der Klimawandel tatsächlich unter die Haut geht und wer wissen möchte, was es bedeuten könnte, wenn Putins Traum eines wiederbelebten russischen Großreichs platzt, der sollte Soros' Gedanken unbedingt lesen.


Polykrise - ein neues Wort für mich. Neu vielleicht auch deshalb, weil ich zu jenen Menschen gehöre, die bewusste Fastenzeiten von Medien einlegen, einlegen müssen. Wahrlich nicht aus (gesellschafts-)politischem Desinteresse - das Gegenteil ist bei mir der Fall! Aber ich faste bewusst, weil ich mich ohnmächtig fühle, was da alles mit so einer Wucht an Negativität auf uns einströmt. Diese Ohnmacht macht etwas mit mir, das mir auf mehreren Ebenen meines Seins nicht guttut. Ich muss immer wieder für Ausgleich sorgen, etwas erleben, das mir wieder Hoffnung gibt. So geschehen vor wenigen Tagen.


Im Zusammenhang mit meiner Vorbereitung auf einen besonderen Abend vergangene Woche habe ich zum ersten Mal von "Polykrise" gelesen. Im Rahmen eines Forums, das sich seit dem Vorjahr dem großen Thema "Humanismus" widmet, gab unser ehemaliger Gesundheitsminister Rudi Anschober einen äußerst aufschlussreichen Einblick in die Dynamik der Polykrise, die uns weltweit beschäftigt. Er beleuchtete diese Krise im Hinblick auf Ursachen und Auswege. Die Pandemie darf hierfür als Ausgangspunkt vermerkt werden, gefolgt vom Krieg in der Ukraine, der eine Energiekrise nach sich zog, diese heizte ganz ordentlich eine Inflationswelle an, welche wiederum weltweit soziale Krisen nach sich zog. Und schließlich befinden wir uns auch mitten in einer schwerwiegenden Klimakrise. Soweit nichts Neues - zumindest nicht für die, die sich mit der Realität auseinandersetzen. (Es gibt ja immer noch jene Leute, die vor allem keinen - durch den Menschen arg befeuerten - Klimawandel erkennen wollen.) Noch nicht erwähnt sind die Massenmigrationsströme, die sich aus unterschiedlichen Ursachen ergeben, meistens allerdings aus dem menschlichen Unvermögen, friedlich miteinander zu leben.

Polykrise bedeutet also, dass unsere Welt mit mehreren Krisen gleichzeitig beschäftigt ist, was einen düsteren Ausblick gibt.


Wir können Krisen allerdings als Chancen erkennen, denn sie erzwingen Veränderungen. Vieles, das heute als selbstverständliche Errungenschaft gilt, wurde durch Krisen ausgelöst, denken wir nur an Bürgerrechtsbewegungen, begonnen mit Themen wie der Abschaffung der Sklaverei und der Erlangung von Frauenrechten, die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in Fabriken, usw.

Beeindruckend fand ich den Hinweis von Bischof Manfred Scheuer, der mir als ein äußerst umsichtiger Mann der Katholischen Kirche in Oberösterreich auffällt: "Nicht jede Krise ist eine Chance", meinte er und wandte ein, dass es beispielsweise den Opfern von Kriegen selbst nach Kriegsbeendigung nicht besser gehe. Bischof Scheuer hat einen starken Zugang zu intellektuellen Themen, bleibt aber gleichzeitig mit seinen Ohren am Puls der Zeit, weiß, was die Menschen beschäftigt und begegnet ihnen mit Einfühlungsvermögen und Verständnis auf Augenhöhe.

Kommen wir immer wieder ins Gespräch und bleiben wir im Gespräch, das ist ein wesentlicher Kernpunkt für Veränderungen, die angestoßen und angepackt werden müssen - beharrlich müssen wir an der Energiewende arbeiten, damit wir das Klima nicht weiter belasten.

Eine Feststellung, ein roter Faden: Indem wir konsequent auf unsere Mobilität achten, Öffis benützen, aufs Fliegen verzichten, das Homeoffice weiter forcieren, unseren Fleischkonsum reduzieren, Lebensmittel aus der Region beziehen und auf unseren Energieverbrauch achten, leisten wir unseren Beitrag für eine Wende.

Wenn wir auf fossile Brennstoffe verzichten, minimieren wir zudem die Gefahren von Kriegen. Die sprudelnden Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas haben es gerade Russland ermöglicht, einen so leidvollen Krieg zu beginnen. Aber nicht nur in Russland, auch an anderen Brandherden in der Welt zeigt sich, dass Kriege genau auf diese Weise finanziert werden. Auch der Zwang zum Wirtschaftswachstum führt in ausbeuterische Systeme, wir beuten Mutter Erde und Menschen aus, wir brauchen also einen gelebten ethischen Umgang gerade im Wirtschaftsleben - und dies weltweit und nachhaltig!

In lebhafter Erinnerung ist mir auch ein Satz aus dem Film "Der große Diktator", vorgetragen von Cornelius Obonya, der Stimme des österreichischen Films und auf der Schauspielbühne: "Diktatoren befreien sich selbst, aber sie versklaven das Volk." (Die beeindruckende und sich auf höchst aktuelle Themen beziehende Schlussrede von Charlie Chaplin ist hier einzusehen. Man kann diese Rede als geradezu prophetisch einordnen!)

Aus unserer Mitte meldete sich ein junger Mann zu Wort, der den Wendepunkt in seinem bis knapp vor der Pandemie gesund verbrachten Leben erzählte. Kurz vor dem ersten Lockdown erkrankte er schwer und fand sich von einem Tag auf den anderen in einem Leben wieder, in dem er auf Hilfe angewiesen ist und vieles neu erlernen musste. Für ihn war klar, dass er sich entscheiden musste: Entweder den Kopf in den Sand zu stecken oder den Weg weiterzugehen und zu versuchen, sich neu zu orientieren und im Leben auch wieder gute Momente zu finden. Es war offenkundig, wozu er sich mit aller Klarheit entschieden hat.

Ich habe einen Abend erlebt, der mir Hoffnung gemacht hat, weil ich miterleben durfte, wie sehr sich Menschen mit ganz unterschiedlichem beruflichem und persönlichem Background den brennenden Fragen der Menschheit widmen und sich für wichtige Botschaften engagieren. Dieser so vielseitige Abend mit tollen Persönlichkeiten im Publikum und aus dem öffentlichen Leben sowie der Wissenschaft hat meinen Blickwinkel wieder in Richtung Hoffnung ausgerichtet ...

#Hoffnung #Chance Foto: C*, Stift Wilhering, Oberösterreich

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