top of page

Prägungen

Autorenbild: C*C*



Wenn ich meine Kinderfotos betrachte, sehe ich oft ein kleines Mädchen, das mit breitem Lächeln vertrauensvoll in die Kamera schaute oder von der Kamera dabei ertappt wurde, wie es sich hellauf begeistert über irgendetwas amüsierte. Je älter ich jedoch wurde, desto weniger behagte es mir, dass meine Mutter immerzu am Fotografieren war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt neigte ich dazu, Faxen zu machen und in die Kamera zu blödeln.

Als junge Erwachsene mochte ich es überhaupt nicht mehr, fotografiert zu werden. Und dabei blieb es auch. Ich empfinde es mittlerweile als absolut distanzlos, wenn ungefragt Fotos von mir gemacht werden.


Ich war zunächst ein fröhliches Kind, das allerdings bald nach den Volksschuljahren schon recht ernst und tiefsinnig war. Mich interessierte vieles, was vor sich ging und ich war sehr gut darin, Menschen zu beobachten. Nicht viel später habe ich bereits viele ihrer Verhaltensweisen hinterfragt und wollte wissen, warum sich jemand so verhielt, wie er sich eben verhielt. Oft habe ich dabei auch das Verhalten meiner Eltern hinterfragt - als Kind konnte ich mir natürlich überhaupt keinen Reim darauf machen.

Als ich etwa acht Jahre alt war, musste meine Mutter zu einem Gespräch in die Schule kommen. Ich war dabei beobachtet worden, wie ich ein anderes Mädchen körperlich attackierte. Inzwischen ist längst alles verziehen, mit dem Mädchen von damals habe ich immer noch Kontakt. Ich weiß nicht, ob man sich zu diesem Zeitpunkt Gedanken machte, warum ich so agierte. Im Gymnasium war ich wieder auffällig, die Lehrer*innen verzichteten allerdings darauf, meine Eltern zu informieren. Vielmehr haben einige Professor*innen behutsam versucht, diesen Auffälligkeiten auf den Grund zu gehen und da kam schon einiges ans Tageslicht, was ihnen Sorgen bereitete. Die Türen zu diesen Lehrer*innen standen immer offen, ich konnte mich ihnen anvertrauen. Ich habe in dieser Zeit wohl zum ersten Mal erzählt, was mich innerlich quälte. Ich habe also nicht ewig den Mund gehalten, was mir allerdings schon als Kind nachdrücklich aufgetragen wurde. Ich habe erstmals erfahren, was es heißt, Erwachsenen Vertrauen entgegenbringen zu können.


Mehr und mehr beschäftige ich mich heute mit der Frage, was meine Prägungen (Link) sind, wie sie mich in meinen Werten beeinflusst haben. Welche überhaupt meine Werte sind und warum?


Ich erinnere mich, dass in meiner Kindheit, die ich in den 1970er und 1980er Jahren verbrachte, Menschen als Spinner bezeichnet wurden, die selbst Brot gebacken haben und die zusätzlich auch damals schon Vegetarier waren. Das Bürgertum hat zu dieser Zeit nicht gerade freundlich auf diese Menschen reagiert. Wer so lebte, wurde argwöhnisch betrachtet, dementsprechend auch gleich politisch zugeordnet und es war nicht erwünscht, mit Kindern aus solchen Familien bekannt zu sein. Ich allerdings habe früh innerlich notiert, dass ich diese Ausgeschlossenen sehr interessant fand. Andersartigkeit ist mir heute sehr willkommen, wenn es beispielsweise darum geht, Distanz zu nehmen von unserer verwirtschafteten Umwelt. Ich schätze Menschen überaus, die nicht mehr jedem scheinbaren und auch so fragilen beruflichen Erfolg hinterherhecheln, indem sie ihre Ellbogen einsetzen.


In meiner Gymnasialzeit war ich bereits sehr empfänglich für eine gelebte Solidarität. Wenn ich das Gefühl hatte, dass Kinder bzw. Jugendliche in ihren Elternhäusern Schwierigkeiten hatten, habe ich mich besonders mit ihnen verbunden gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns gegenseitig stützen könnten, wenn wir uns erzählten, was uns bedrückte. Da taten auch Schischul- und Sportschulwochen gut, sie haben engere Bindungen ermöglicht.


Fairness ist auch ein Wert, der mich sehr beschäftigt. Mir war es später, in meinem Berufsleben immer wichtig, wie Teambildung funktionierte. Nicht selten, dass ich Mobbing beobachtet habe und in solchen Situationen stets darauf geachtet habe, wie ich einen Menschen, der ausgegrenzt wurde, unterstützen könnte. Eigene sehr schmerzhafte Erfahrungen haben mich zusätzlich motiviert, diese Menschen zu stärken.


Harmonie bedeutet mir auch sehr viel. In diesem Zusammenhang erlebe ich mich jedoch zunehmend als sehr aufgewühlt, wenn die Harmonie zwischen Menschen in Gefahr gerät. Ich neige inzwischen aufgrund vieler Erlebnisse dazu, mich von Menschen zu distanzieren, mit denen keine guten Gespräche mehr möglich sind. Da kommt dann immer mehr zum Vorschein, dass ich durchaus auch zum Eremitendasein neige.


 
 

Comments


bottom of page