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Die Melodie des Lebens



Immer dann, wenn ich über einen längeren Zeitraum das Gefühl habe, nicht ausreichend Zeit dafür zu haben, still zu sitzen und einfach nur zu sein, nämlich DA zu sein, spüre ich, wie sich Unwohlsein in mir ausbreitet.


Es ist in diesen modernen Zeiten mit gewissen Gefahren verbunden, von sich zu erzählen, dass man das Bedürfnis hat, einmal täglich einfach nur da zu sitzen. Schnell wird man als bequem oder gar faul eingeordnet. Doch es ist etwas Tiefes, dem ich nachspüre, wenn ich meine tägliche Rast einlege - ich lausche auf das, was in mir zum Ausdruck gebracht werden möchte.

Eine weitere Gefahr, von der ich schreibe, besteht darin, von anderen Menschen dafür getadelt zu werden, zu sein, wie man ist. Oder von Menschen darauf hingewiesen zu werden, dass dieses "Mit-Sich-Sein" Luxus sei; ein "Luxus", den sie selbst, das wage ich zu behaupten, durchaus vermissen.

Für mich bedeutet, mich spüren zu können, Lebensqualität. Und ich wage die Behauptung, dass gerade die Zungen jener Leute immer spitzer werden, die diese Art von Lebensqualität vermissen.


Wie kann ich es mir "leisten", in mich hineinzuhören?

Mit Sicherheit, weil ich mich bereits vor Jahren dazu entschieden habe, mein Leben zu entschleunigen. Das bedeutet in meinem Fall auch, keiner (bezahlten) Vollzeitbeschäftigung mehr nachzugehen. Und ja, damit einhergehend bedeutet dies auch, mit einem etwas geringeren Einkommen mein Auskommen zu finden. Und ich habe mich auch ganz bewusst dafür entschieden, auf manches zu verzichten, was für andere selbstverständlich ist: Ich muss heute bei meinen Ausgaben für Nahrungsmittel nicht mehr jeden Cent umdrehen, obwohl ich auch solche Zeiten kenne. Ich bin in der Lage, einen schönen bodenständigen Urlaub zu verbringen. Auf Flugreisen verzichte ich dabei allerdings und dies auch gerne, weil ich es nicht als prickelnd empfinde, keinen Boden unter meinen Füßen zu spüren. Ich bin keine Shoppingqueen, doch ich trage gerne gute Kleidung und dies aus Überzeugung auch in aller mir möglichen Nachhaltigkeit. Ebenso sind alle Anschaffungen für meine vier Wände und den Haushalt darauf ausgelegt, dass sie mich möglichst lange begleiten. Ich leiste mir kein Auto - und wenn ein Auto gebraucht wird, dann kann ich auf meinen Partner bauen. Wir sind zudem beide gerne mit dem Zug durch Österreich unterwegs.

Die Entscheidung für ein entschleunigtes Leben traf ich zunächst keinesfalls freiwillig.

Vor etwa zwanzig Jahren bekam ich die Folgen meines andauernden beruflichen und privaten Funktionierens, verbunden mit vielen Überstunden und sonstigem Zeitaufwand, präsentiert: Ein heftiges Burnout zwang mich in eine Pause, die insgesamt ein Jahr dauern sollte. In der langen Rekonvaleszenzphase habe ich mich in der zweiten Hälfte dieser Phase damit auseinandergesetzt, was ich in mir überhaupt noch wahrnehmen konnte: Mehrere Monate konnte ich vorerst erschreckenderweise gar keine Melodie des Lebens mehr wahrnehmen, ich schlief viele Tage und viele Nächte und fühlte, wenn es mir überhaupt möglich war, nur grauenhafte Leere. Wenn es mir möglich war, Gedanken an- und aufzunehmen, waren sie eingehüllt in dunkelgraue Schleier der tiefen Hoffnungslosigkeit. Das alles sollte sich erst zu jenem Zeitpunkt ändern, als ich eines Tages - durch Therapien und Gespräche mit hilfreichen Menschen - die Kraft fand, mich zu einem mehrtägigen Seminar in wunderschöner Umgebung aufzumachen. Im Laufe dieser Tage, die ausschließlich meinem Sein und meinen Visionen gewidmet waren, gelang es mir schließlich, meine Türen zu Herz und Seele wieder sanft zu öffnen. Ich lernte unter anderem, wie wichtig es ist, in oft sehr hektischen Zeiten des Lebens bewusste Auszeiten zu nehmen und diese Zeit auch dafür zu nützen, um den Rucksack des Lebens sorgfältig auf seine Inhalte zu prüfen.


Gerade in den letzten Jahren konnte ich einige Male wieder meine Atemlosigkeit wahrnehmen, und ich geriet jedes Mal wieder in Gefahr, die Melodie des Lebens nicht mehr wahrzunehmen. Einige Stoppschilder standen warnend an meinem Wegesrand ...

Das Schreiben ist mir ein liebgewonnener, mich zuverlässig begleitender Prozess des Reflektierens geworden und dafür halte ich gerne Ausschau nach einem stillen Platzerl. Ein Platzerl, wo ich auf die Dinge lauschen kann ...


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