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Aus den Kindergärten



Sie sahen nicht nur schreckliche Dinge - sie SEHEN schreckliche Dinge! Tagaus, tagein!

Nicht nur in Kriegsgebieten, auch bei uns, mitten in Österreich, in Deutschland, in anderen Ländern: Die Brutalität unter Kindern und Jugendlichen oder gegenüber Erwachsenen und auch diverse Respektlosigkeiten nehmen rasant zu.


Kinder*Garten* - ein Garten, ein Ort für unsere Sinne. Erleben die Kinder so einen Garten? Als Ort der Natur, der bunten Vielfalt, des Lebendigseins, des Beobachtens, des Miteinanders, der Bewegung.

Auf die Welt freundlich zugehen, auf ihre Menschen, ihre Tiere, ihre Pflanzen.

Neugierde, Fantasie, Entdecken, Begreifen, Probieren, Tun, Mutigsein.

Kindergarten - ein Ort der Freude, der Geborgenheit, der Sicherheit.

Eigentlich ...


Aus den Betreuungs- und Bildungseinrichtungen erreichen jene Menschen, die davon Notiz nehmen wollen, täglich besorgniserregende Nachrichten. Viele Verantwortliche in Entscheidungsbereichen und viele Politiker*innen scheinen all diesem gegenüber macht- und tatenlos (bezogen auf praktische Konsequenzen) gegenüberzustehen. Die so dringend notwendigen Konsequenzen werden in den Überlegungen im Vorfeld parteipolitisch zerhackt und ideologisch angereichert, aber in der Praxis tut sich nichts Entscheidendes! Die erdrückende Personalnot kann nicht gemildert werden und sie wird weiterhin verschärft, weil nichts Essenzielles passiert - und zwar SOFORT! Am besten aber wäre es schon gestern und noch besser wäre all das Notwendige schon vorgestern geschehen.

Woher ich das weiß? Achtzehnjährige Erfahrung, mitten im Geschehen, am Puls der jeweiligen Zeit und ihrer Strömungen, ihrer prekären Entwicklungen - familiär, gesellschaftlich, bildungspolitisch, arbeitsmarktmäßig.


Gewisse Worte darf man ja gar nicht laut in den Mund nehmen, man wird sofort abgestempelt: Wer in diesen Tagen politisch besonders korrekt sein möchte, darf das Wort "Brennpunktschule" nicht näher erörtern. Wer dieses Wort offen anzusprechen wagt, wird bereits dem rechten politischen Lager zugeordnet. Und wenn wir, die wir solche Brennpunktviertel und all ihre Herausforderungen und Probleme kennen und erleben, darüber schweigen, was passiert dann? Das Schweigen macht die Menschen, die unter den herrschenden Zuständen in pädagogischen Einrichtungen tagein, tagaus arbeiten müssen, müde, krank, einsam, depressiv, wütend.

Meine persönliche Konsequenz aus all den unerträglichen Zuständen, die schon lange herrschen, war, aus einem einst sehr geliebten Beruf den Rückzug anzutreten, mit viel Trauer im Herzen, aber so großer Notwendigkeit: Seele, Geist und Körper waren über einige Jahre zutiefst erschöpft, aus meinem mehrwöchigen Krankenstand heraus folgte im Vorjahr die Kündigung. Ohne groß darüber nachzudenken, wie es weitergehen würde. Ich musste gehen, denn ich konnte vieles, viel zu vieles einfach nicht mehr er- und mittragen, nicht mehr hören, nicht mehr sehen.


Gestern habe ich auf dem Weg in die Arbeit in einem Leserbrief gelesen, ganz offensichtlich wurde dieser in größter Not erfasst. Wenn Leserbriefe dieser Art von Menschen gelesen werden, die mit Kindern und Jugendlichen nichts am Hut haben, mögen diese verzweifelten Zeilen übertrieben anmuten. Aber nein, das sind sie leider, leider, leider nicht!

Wenn ein Kind im Kindergarten beim Mittagstisch sitzt und der Pädagogin "Ich kann dich mit dem Messer töten!" verkündet, kann ich dem bangen Entsetzen der Frau folgen.

Solchen Aussagen sind auch schon Taten gefolgt, ja, auch in diesem zarten Alter: Da wird mit Messern und Scheren gefuchtelt und auf Menschen gezielt, Eigentumsladen und Sessel werden aus einem wütenden Impuls heraus quer durch Räume geschossen, es wird mit Fäusten aufeinander eingehämmert, es wird gebissen, gezwickt, geohrfeigt, dass einem nur so der Atem stockt. Die Wut, die mit alldem einhergeht, ist immens. Wut auf Spielkamerad*innen, Wut auf Erwachsene, die Grenzen setzen wollen und auch müssen, Wut auf die Welt und ihre Grauen; eine Wut, die sich so plötzlich und auch unvorhersehbar entladen kann, sodass selbst bei genauer Beobachtung ein*e Pädaog*in nicht mehr rechtzeitig angesprintet kommen kann. Da war eben noch alles eitel Wonne und auf einmal ... Und diese Zeit, Vorgänge in der Gruppe ins Auge fassen zu können, muss erst einmal vorhanden sein!


Es sind nicht nur Kinder, die aus Kriegsgebieten und anderen Krisenregionen dieser Welt auf oft traumatische Art und Weise nach Europa fliehen, die - weil zutiefst verstört - solche und weitere Handlungen setzen. Pädagog*innen haben es vermehrt in den letzten Jahren mit Kindern und Jugendlichen zu tun, denen im Elternhaus keine Grenzen mehr gesetzt werden. Sie werden verhaltensauffällig, verhaltensorigniell, verhaltenskreativ genannt - und im Extremfall sind sie auch nicht mehr schulisch integrierbar, dann gelten sie als "Systemsprenger" (-> ein Bericht zum gleichnamigen Film).

Egal, welche Handlungen diese Kinder setzen, sie lösen keine Reaktionen bei ihren Eltern (mehr) aus. Aus vielen Gründen, etwa aus Überforderung und Hilflosigkeit, aber auch aus Erschöpfung und Depression und ja, leider auch aus Desinteresse der Eltern an ihrem Kind / an ihren Kindern. All das habe ich unzählige Male erlebt - und nicht immer ist Hilfe von außen leistbar: Hilfe ist ja nur dann eine Hilfe, wenn sie ankommt, auf fruchtbare Böden fällt, angenommen wird. Aber nicht nur das, sie muss auch von fachlich versierten Menschen angeboten werden. Da braucht es viele Expert*innen, die anpacken und zusammenarbeiten, aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Bestens ausgebildete Pädagog*innen in Kindergärten, Schulen, Horten und Nachmittagsbetreuungen, Schulsozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen, Traumatherapeut*innen, Erlebnispädagog*innen, Streetworker*innen, Ärzt*innen und auch die Polizei sollten mit im Boot sein. Und es braucht Geld, richtig viel Geld, denn solche Maßnahmen kosten viel Geld. Erfolge konnte ich immer wieder beobachten, vor allem, wenn Eltern diese so wertvolle Arbeit bedingungslos unterstützt haben. Aber das ist leider bei weitem nicht immer der Fall. Die Einsicht der Eltern hängt von mehreren Faktoren ab - und auch davon, welchen Blick sie auf das eigene Kind haben und was sie sich für ihr Kind wünschen.


Wie oft habe ich erlebt, dass wir im Kollegium besorgt waren, wie es wohl mit Kindern weitergehen würde, die bereits im Volksschulalter soviel Brutalität an den Tag legten, dass uns angst und bange wurde! Kein Einzelfall, wenn wir einen Besuch von Jugendlichen erhielten, die uns von Gefängniskarrieren ehemaliger Hortkinder erzählten. Oder von eigenen Konflikten mit dem Gesetz, nicht unstolz übrigens!

Derzeit gelten in Österreich laut Medienberichten (auch im "Kurier" gefunden) 140.000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren als sogenannte "NEETs" (nicht in Beschäftigung, Ausbildung oder Trainings stehende Jugendliche). Diese Zahl soll auch coronabedingt so hoch zu Buche schlagen. Ich empfinde diese Zahl als hoch - und ich gebe Niki Glattauer (mit dem ich bei weitem nicht immer einer Meinung bin) zu seinem Beitrag in seiner Kolumne recht, wenn er meint, dass junge Menschen mit auffälligen Lebensläufen im Strafvollzug enden können. Aber ich gehe nicht davon aus, dass sich alle diese jungen Menschen mit Absicht aus dem Arbeitsleben fernhalten (oder kriminell werden), das wiederum halte ich für eine schlichte Übertreibung. Diejenigen allerdings, die das aus jugendlicher Überzeugung heraus tun, haben wahrscheinlich weitaus schlechtere Karten für ihre berufliche Zukunft, denn Stillstand liest sich in einem Lebenslauf eben nicht so besonders gut.

Den Artikel von Glattauer stelle ich deshalb in meinem Blog ein, weil ich den Stimmungsbericht aus dem Kindergarten für sehr wichtig erachte. Diese Zeilen machen mich sehr betroffen ...


































Foto: Pixabay, Alexas_Fotos

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