top of page
  • AutorenbildC*

Als ein Engel zum Skandal wurde



Einst verlief die Eröffnung des Forum Metall im Linzer Donaupark am 12. September 1977 recht unaufgeregt. Was im benachbarten Ausland durchaus begeistert wahrgenommen wurde, war den Linzer*innen damals einerlei.

Aufregend wurde es erst, als die von der Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co gefertigte Skulptur "Nike von Linz" ihren Platz auf dem Dach der Linzer Kunstuniversität (Brückenkopfgebäude, Hauptplatz) erhielt. 500 Kilogramm Göttin (etwa 7,5 Meter Höhe) sollten fortan engelsgleich über der damals neuen Kunsthochschule Linz schweben, was ohnehin kein leichtes Unterfangen zu sein schien.

Die Nike von Linz ist eine freie Nachbildung der Siegesgöttin Nike von Samothrake. Die Göttin Nike überbringt symbolisch sowohl Sieg wie auch Frieden.

Von einer friedlichen Stimmung war in Linz in jenen Tagen allerdings nicht mehr viel zu spüren, des Volkes Unverständnis über die kopflose Metallskulptur gipfelte nicht nur in der Verhöhnung des Werkes ("Fetzenvogel", "Fledermaus", "Affenkunst", etc.), es knarzte auch ordentlich im politischen Gebälk: Allen voran forderten ÖVP-Gemeinderäte den damaligen SPÖ-Bürgermeister auf, die Skulptur entfernen zu lassen.

Während also der Volkszorn brodelte und unzählige Leserbriefe gedruckt wurden, verstanden vor allem junge Menschen und Künstler*innen die künstliche Aufregung nicht. Ich war damals sieben Jahre alt, ich kann die Stimmung und das Vorgehen nur im Rückblick analysieren und einschätzen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass ein kopfloses himmlisches Wesen viele, vor allem konservativ wertende Menschen, tatsächlich höllisch aufgebracht hat. Die Nike von Linz musste letztendlich nach etwas mehr als zwei Jahren klammheimlich demontiert werden und verschwinden und so wurde sie in einem Depot in Frankfurt am Main eingelagert.

Schließlich durfte die Nike von Linz im Jahr 2016 (als Leihgabe auf fünf Jahre!) aus ihrem Exil zurückkehren, ihre Heimkehr erfolgte im Zuge der mehrjährigen Kunst- und Kulturveranstaltung Höhenrausch. Unter dem Motto “Andere Engel” wurde sie als Engel auf einer Kirche an der Linzer Landstraße situiert. Nike's - wie ich hoffe - endgültiges Zuhause ist nun die Linzer Domgasse (Foto), wo sie über einem Gebäude der Linzer Kunstuniversität schwebt.

Es interessiert mich durchaus, ob die Nike von Linz zurückgekauft werden musste ...? Dann frage ich mich allerdings schon: Kann's denn das wirklich sein?


Auch heute noch ist der Linzer Donaupark Begegnungsstätte mit Werken der plastischen Kunst. In der Gegenwart dürfen sich die Betrachter*innen allerdings darüber wundern, wie parolenverschmiert diese Kunstwerke sind. Manch eine*r mag vielleicht auch meinen, dass diese hässlichen und sinnlosen Graffitis die Plastiken in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt hätten ... Zu den Plastiken kann man stehen, wie man möchte, Sachbeschädigung haben sie allesamt jedoch nicht verdient. Ein paar Kilometer weiter wird übrigens wahre Graffiti-Kunst präsentiert - und diese Gallery ist äußerst sehenswert!


Aktuell widmet sich das Lentos Kunstmuseum Linz in einer Retrospektive (bis 25.2.2024) dem umfangreichen künstlerischen Schaffen von Haus-Rucker-Co.


#Kunst #Kultur Foto: C*

8 Kommentare

Ähnliche Beiträge

Alle ansehen

Kulturkampf

bottom of page