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Wenn Vorstellungen den Blick verstellen



Unser Leben gleicht manchmal einem Drahtseilakt - daher ist es nicht unwesentlich, wen wir als unsere Begleiter wählen.

Unser Beziehungsleben wird häufig von Bildern, die wir uns über unser Gegenüber machen, beeinflusst. Dabei verstellen unseren Vorstellungen nicht gerade selten unseren Blick auf das wahrhaftige Wesen unseres Gegenübers.

Unser Verhalten einem anderen Menschen gegenüber hängt auch davon ab, welches Bild wir uns von ihm gemacht haben: Einem Menschen, der uns vertrauenswürdig erscheint, werden wir anders begegnen, als einem, der dieses Vertrauen in uns nicht wachruft.

Der erste Eindruck, den ein Unbekannter auf uns macht, orientiert sich wohl hauptsächlich an Aussehen, Kleidung, Körperhaltung sowie Stimme und manifestiert sich in Sekundenschnelle - ein Urteil ist gefällt.

Wohlgemerkt: ein Vorurteil! Wobei es in dieser äußerst kurzen Zeit sowohl zu einem positiven wie negativen Vorurteil kommen kann.

Wenn man die menschliche Evolution betrachtet, ist es von größter Bedeutung, in Sekundenschnelle zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, denn dies entscheidet in Extremsituationen über Leben und Tod.

Es ist uns offensichtlich grundsätzlich gegeben, innerhalb weniger Sekunden in gewisser Hinsicht einen ersten und richtigen Eindruck zu gewinnen. Ob wir uns von unserem Gegenüber tatsächlich einen richtigen ersten Eindruck verschaffen können, liegt allerdings auch daran, wie authentisch jemand ist.

Blicke ich auf meine Erfahrungen und Beobachtungen zurück, habe ich einige Überraschungen erlebt - nicht jeder Ersteindruck hat sich bestätigt.

Um einen Menschen überhaupt entdecken und begreifen zu können, sind u.a. die Faktoren Zeit und Lebensumstände von Bedeutung. Letztendlich bewahren wir uns jedoch alle unsere inneren Plätzchen, zu denen nur wenige oder vielleicht auch niemand vordringen darf. Mitunter versuchen wir vielleicht auch, diese Plätzchen völlig uneinsichtig zu halten.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass speziell von negativem Narzissmus geprägte Personen imstande sind, neue Bekannte über einen längeren Zeitraum hinweg über ihr kompliziertes Wesen zu täuschen.

Da eine narzisstisch geprägte Person ihre Störungen häufig mit größtem Charme überspielen kann, kann es bei ihrem Gegenüber dazu kommen, dass zunächst ein sehr positives Bild entsteht. Eine narzisstisch veranlagte Person verfügt über viele Mittel, sehr glaubwürdig ein beeindruckendes Bild von sich zu zeichnen - sie sucht ja ständig nach Bestätigung im Außen und gibt sich auch größte Mühe, zu beeindrucken. Der Eindruck, der entstehen soll, wird durchaus mit der Kunst des Schauspiels angereichert, welches nur selten rasch durchschaut werden kann. Doch die Mühe, sie kommt bei eingehender Betrachtung nicht ohne Krampf daher: Sobald sich dem Betrachtenden eines menschlichen Gesamtkunstwerks (von "künstlich") jedoch erste Anzeichen des wahren Wesens zeigen und je mehr man in der Folge imstande ist, am Lack einer narzisstisch veranlagten Person zu kratzen, desto deutlicher zeigt sich das wahre Wesen: Eine Beziehung mit einem Narzissten ist geprägt vom Nehmen des Narzissten und vom Geben seines Gegenübers.

Ein Narzisst kann keinesfalls in sich ruhen, auch sucht er ständig nach Bestätigung. Selbstinszenierungen sind daher keine Seltenheit - auch, um nur ja nicht mit Abgründen der Selbstzweifel in Berührung zu kommen.

Unvergessen bleibt mir die Begegnung mit einer Person, der es über Monate gelungen ist, ihrer Familie und auch ihrem Freundeskreis über viele Ereignisse im Beziehungsleben erfolgreich Unwahrheiten zu erzählen. Das Mitgefühl mit dem scheinbaren Opfer psychischer Gewalt gipfelte darin, dass nicht nur sofort eine neue, sehr gemütliche Bleibe zur Verfügung gestellt wurde, sondern dass diese Person von wohlmeinenden Verwandten und Freunden auch regelmäßig bedauert sowie mit finanziellen Mitteln unterstützt wurde. Nach mehreren Monaten vieler bühnenreifer Auftritte des "Ehe-Flüchtlings" bei Verwandten, Freunden, Bekannten und Anwälten wurde das "häusliche Glück" ganz plötzlich und heimlich wieder reaktiviert - die hilfsbereiten Mitmenschen, die nach vielen bühnenreifen Auftritten und der unerwarteten Versöhnung mehr als verwirrt waren, mussten dann mit dieser Situation auch wieder klar kommen. Zudem bewegte wohl einige Menschen im Nachhinein die Frage, warum man den einseitigen Darstellungen der häuslichen Situation so lange Glauben geschenkt hatte.

In der Aufarbeitung all der Ereignisse, die für einige Zeit auch mein Leben sehr aufgewühlt haben, wurde für mich ganz deutlich, dass wir alle eine Inszenierung einer Person, die dem selbst gewählten goldenen Käfig entflohen war - während einer manischen Phase - gesehen hatten.

Ent_täuschungen können zweifelsohne mitunter äußerst schmerzvoll sein, doch sie sind unumgänglich, wenn wir wieder einen klaren Blick auf die Realität erlangen wollen.

Es ist wichtig, selbstkritisch zu hinterfragen, warum wir oft sogar bereit sind, uns zu täuschen oder uns täuschen zu lassen? Ist es unsere Sehnsucht nach dem Guten, Besonderen, Außergewöhnlichen, sodass wir uns großartige Bilder (fern jeder Realität) über einen Menschen erschaffen, die unseren Blick auf ein vielleicht auch ambivalentes Sein eines Menschen trüben?

Manchmal stellen wir einen Menschen auf einen Sockel, um ihn dort zu bewundern, fern jeder Augenhöhe. Dies passiert sehr oft, wenn wir verliebt sind - wir neigen dann dazu, einen Menschen zu erhöhen. Dieser Mensch muss überhaupt keine Entscheidung, uns zu täuschen, getroffen haben. Die Erschaffung eines fabelhaft perfekten Wesens kann in unserem eigenen Sehnen liegen. Diese Erhöhung, gleich einer Sockelposition, kann übrigens auch für den, der auf dem Sockel steht, ziemlich unangenehm sein - man fällt sehr leicht in die Tiefe, mit durchaus harter Landung.

Ich bin dankbar dafür, dass sich in meinem Leben Menschen zeigen, die auf jegliche Selbstinszenierung verzichten können. Sie sind manchmal eher leise und unspektakulär in mein Leben getreten und haben sich mit der Zeit als empathische, liebevolle und authentische Menschen offenbart. Sie sollen mir auch ihre individuellen Ecken und Kanten zeigen.

Ich bin voller Freude, wenn sich mein erster Eindruck, einen dem "Menschsein" verbundenen Menschen getroffen zu haben, vertieft. Ich bin dankbar, von Menschen umgeben zu sein, denen das Leben gelingt, indem sie sich ihren Herausforderungen stellen und auch imstande sind, den Tälern des Lebens mit Würde zu begegnen. Wenn ihr inneres Leuchten die Welt anstrahlt, bleiben diese Menschen bescheiden - und sie schenken ihren Mitmenschen den Mut, dasselbe zu tun.

Sie sind es, mit denen ich meine Träume und Visionen teilen kann - sie werden mich nicht klein machen!


Foto: C*

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