
Ich bin wütend - wütend darüber, wie übel es in unserer Welt um die Rechte von Mädchen und Frauen noch immer bestellt ist. Und dabei müssen wir nicht nur dorthin blicken, was uns weit weg erscheint; nein, es ist auch sehr angebracht, mit unserer Aufmerksamkeit mitten in Europa zu bleiben. In Deutschland, in der Schweiz, in Österreich, usw.
Ich habe selbst als junge Frau zweimal erlebt, was es heißt, wenn Grenzen überschritten werden. Ich habe es zwei Mal in einem beruflichen Kontext erlebt. Interessant ist dabei immer, ob Frauen Hilfe erhalten oder nicht. Ich hatte Glück, mir wurde geglaubt und mir wurde Hilfe angeboten. Ein Glück, das bei weitem nicht jedes Mädchen / jede Frau hat.
Bei meinen ersten sehr unangenehmen Begegnungen war ich etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Der Kollege, an den ich mich erinnere, stand vor seiner Pensionierung und war mir ohnehin suspekt. Gemunkelt wurde immer darüber, dass er in seinem Zuhause unter dem Pantoffel seiner Frau stehe. Erzählt wurde auch, dass seine Frau die Hand auf sein verdientes Geld draufhalte. Der Arbeitsraum des pensionsreifen Kollegen war gespickt mit Fotos von barbusigen Frauen. Wieso das im Unternehmen akzeptiert wurde, ist mir heute noch ein Rätsel. Allerdings war dies zu einer Zeit, in der es auch in einer österreichischen Tageszeitung noch üblich war, täglich eine nackte Frau zur Schau zu stellen. Es war mir maximal unangenehm, mich bei diesem Kollegen aufzuhalten. Eines Tages hatte ich wieder mit dem Kollegen zu tun, als er seinen Arm ausstreckte und mit diesem auf seine Frauenwand deutete. Mit einem feisten Grinsen im Gesicht (das weiß ich nach dreißig Jahren noch) fragte er mich, wie mir die Damen gefielen. Was ich darauf antwortete, kann ich heute nicht mehr rekonstruieren, aber ich erinnere mich an ein sehr unangenehmes Gefühl.
Mein zweites Zusammentreffen mit dieser schrecklichen Person war in einem Raum, wo wir ebenfalls zu zweit waren. Ich hatte ein Schmuckstück um den Hals, ein Kreuz, das wunderschön gearbeitet war. Der Kollege legte seine Hand an meine Brust, um (scheinheilig!) mein Kreuz zu "bewundern". In diesem Moment hätte ich liebend gerne meine Hand kräftig verwendet, um ihm seine Hand wegzuschlagen. Nach diesen Vorfällen informierte ich meinen Vorgesetzten, der sich darüber sehr verärgert zeigte. Er bot mir an, den Kollegen umgehend zur Rechenschaft zu ziehen. Und ich wurde auch dazu aufgefordert, im Wiederholungsfall sofort eine Ohrfeige auszuteilen. Ich war froh, dass sich diese Vorfälle nicht wiederholten!
Noch schlimmer habe ich ein Ereignis einige Jahre später in Erinnerung. Ich war zu diesem Zeitpunkt genau eine Woche in einem neuen Unternehmen, das von einem Mann, mit dessen Ruf es nicht zum Besten stand, geführt wurde. Es war eine kleine Firma, in der einige Außendienstmitarbeiter beschäftigt waren und drei Frauen, die im Büro ihre Arbeit erledigten. Ich war eine dieser drei Frauen - und ich kannte eine der Frauen, ein Glücksfall. Schon in den ersten Arbeitstagen erhielt ich von den beiden anderen Frauen die Warnung, der Chef habe ein Auge auf mich geworfen. Sie erzählten mir, der Chef würde Mitarbeiterinnen belästigen und er gönne sich auch gekaufte sexuelle Abenteuer. Der Mann war ein Wiederholungstäter. Tatsächlich holte er mich genau an meinem fünften Arbeitstag in sein Büro, es war ein Freitag. Ich solle die Tür schließen, das war seine Aufforderung. Sofort und übergangslos kam er zu seinem Anliegen. Er las mir aus meinem Lebenslauf vor, dass ich ledig sei. Da habe er sich gefragt, ob ich ihn übers Wochenende privat begleiten wolle. Ich reagierte schnell und deutlich, ich stand fest an meinem Platz, als ich ihm erwiderte, dass ich diese Frage als sehr unpassend empfinden würde. Ich gab ihm zu verstehen, dass so etwas für mich niemals in Frage käme - und ich außerdem in einer Beziehung lebe (letzteres war klug gelogen und notwendig). Da meine Antwort sehr deutlich und selbstbewusst ausfiel, war ihm sein Ansinnen fast peinlich, er entschuldigte sich. Ich wirkte äußerlich cool, als ich das Chefbüro verließ, aber die beiden Frauen wussten sofort Bescheid. Gemeinsam überlegten wir, was wir tun könnten. Ich erzählte auch engen Freunden davon, einem Pärchen. Die Freundin fasste sofort den Plan, dass mich ihr Partner vom Büro abholen sollte, er hätte sich als mein Freund ausgegeben. Doch dazu sollte es gar nicht mehr kommen. In der darauffolgenden Woche ging ich in den Krankenstand - eine Woche nach meinem Neuanfang wusste ich, dort würde ich nicht bleiben. Nach meinem Krankenstand reichte ich die Kündigung ein und erzählte auch am Arbeitsamt, was ich erlebt hatte. Mein Betreuer wollte davon allerdings nichts wissen. Selbst mein Hinweis, dass dieses Vorgehen bereits mehrfach stattgefunden habe, beeindruckte den Mann nicht weiter. Solidarität unter Männern, versteht sich von selbst, oder?
Wenn ich mir vorstelle, dass Frauen einen Donald Trump gewählt haben, der sich Frauen gegenüber mehr als rücksichtslos verhalten hat, dann fehlt mir dazu jedes Verständnis. Es macht mich fassungslos, dass ein Mann, der Frauen Gewalt angetan hat, von vielen Frauen ins Präsidentenamt gewählt wurde. Dazu noch seine Entourage, diese ewiggestrigen und rückwärtsgewandten Männer und Frauen, erschreckend!
Ich finde es auch zutiefst frustrierend, dass es noch immer so viele Männer gibt, die dafür verantwortlich sind, dass weltweit reger Mädchen- und Frauenhandel betrieben wird.
Dazu empfehle ich die Einsichten einer jungen Frau (Link), der es gelungen ist, aus der Prostitution auszusteigen.
Foto: Pixabay
Grenzüberschreitungen habe ich so einige erlebt, allerdings keine sexuellen. Darüber bin ich echt dankbar.
Mir hat mal jemand - allerdings in einem anderen Zusammenhang - gesagt: An dich traut man sich als Mann nicht heran. Vielleicht ist das gut so ;)
Herzliche Grüße
Guten Morgen! Und vielen Dank, dass du das Thema aufgreifst. Viele Frauen dürften es kennen und haben oder hatten hoffentlich die Kraft, damit umzugehen. Es gehört Bewusstsein dazu, auch Selbstbewusstsein, dass Frauen sich derartiges nicht gefallen lassen. Ich habe für mich heraus gefunden, dass es hilfreich ist, sicher aufzutreten, den männlichen Gesprächspartner erst gar nicht in eine Privatsphäre einzulassen, in der er mir schaden kann. Hilfreich war auch, dass ich Selbstverteidigung gelernt habe. Nicht exzessiv aber doch soviel, dass es in meiner Aura, in meinem Auftreten verankert war.
Mich beunruhigt, dass junge Frauen heute nicht über diese Thematik sprechen. Das es daran liegt, dass Männer bewusster (... hmmm, das ist gerade schwierig zu formulieren ...) oder zurückhaltender geworden sind, glaub…
Liebe C*, am 8. März ist wieder Weltfrauentag, aber wenn ich mir so ansehe, wie sich im Lauf meines Lebens - von den 1960erJahren bis heute - die Rolle der Frau entwickelt und teilweise auch schon wieder zurückentwickelt hat, mache ich mir Sorgen um die nächsten Frauengenerationen.
Was übergriffige Männer innerhalb und außerhalb des Berufslebens betrifft, die sind mir in jüngeren Jahren "natürlich" auch begegnet, waren aber chancenlos - ich hatte mir dazu die wirkungsvolle Methode meiner Mutter angeeignet, die diesen Männern immer das Gefühl gab, dass sie dumme Bubis sind. Denn genau das sind ja die meisten, die auf diese Weise Macht auszuüben versuchen. Aber es ist traurig, dass Frauen sich überhaupt solche Strategien ausdenken müssen - das betrifft…