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Umgangsformen



Wer öfter hier liest, hat vielleicht auch schon einmal davon gelesen, dass ich es kritisch sehe, eine Generation von "braven" Kindern heranzuziehen. Schon das Wort "brav" lässt mich Gänsehaut fühlen, da ich mir kritische junge Menschen wünsche. Ein "Bravsein" lässt solche Entwicklungen bei genauer Betrachtung gar nicht zu.

Auch, wenn ich mir ganz klar keine braven und an Systeme angepassten Kinder wünsche, halte ich dennoch etwas von guten Umgangsformen. Sogar ziemlich viel! Diese haben, wie ich meine, mit Respekt zu tun. Umgangsformen werden im Normalfall von Erwachsenen an Kinder weitergegeben. Wer viel in der Öffentlichkeit unterwegs ist, weiß allerdings ein Liedchen davon zu singen, dass viele Erwachsene leider gar nicht (mehr) als gute Vorbilder taugen ...


Heute, nach einem Besuch bei meiner Mutter, war ich auf der Heimfahrt so hungrig, dass ich spontan beschloss, meinen Hunger raschestmöglich beim Chinesen um die Ecke zu stillen.

Als ich fast bei meiner Nachspeise angelangt war, nahm am Nebentisch ein nicht mehr ganz junger Mann Platz. Das Smartphone landete am Tisch, er bestellte eine Tasse Tee (etwas ungewöhnlich ...) und wählte seine Gerichte vom Buffet. Alles zunächst nicht besonders auffällig und auch von mir nicht weiter beobachtet, bis der Mann begann, kräftigst zuzulangen und neben seiner Nahrungsaufnahme sein Smartphone zu bearbeiten. Der Essvorgang wurde von Beginn an von einem deutlich vernehmbaren lauten Schniefen begleitet, was mich schon vermuten ließ, dass dieser Gast einigermaßen verkühlt sein könnte - das war vermeintlich auch der Grund, eine Tasse Tee zu trinken. Das Schniefen sollte allerdings kein Ende nehmen und der Gast machte keine Anstalten, daran irgendetwas ändern zu wollen, was mich zunehmend irritierte und auch ärgerte: Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn jemand dauerhaft und laut in Gesellschaft schnieft. Das Essen wurde schließlich noch mit reichlich scharfer Chillisauce vermengt, die Entnahme aus dem Gefäß erfolgte - und das ließ mich ziemlich fassungslos den Kopf schütteln - mit den benützten Essstäbchen, obwohl das Dosierlöffelchen für die Sauce vorhanden war! Hygiene? - Fehlanzeige! Als dann auch noch deutlich vernehmbares Husten einsetzte, war ich mir schon ziemlich sicher, dass meine Beobachtung stimmen könnte: Hier saß jemand, der nicht ganz fit war! Nach etwa fünf Minuten des sich im 10-Sekunden-Takt wiederholenden lauten Schniefens bemerkte ich, dass auch schon von rundherum erstaunte Blicke zu diesem Gast wanderten. Dazwischen wurde wieder kräftig in die Gegend gehustet, und als ich schon knapp daran war, dem Gast mit ermunternden Worten ein Taschentuch zu reichen, stand er auf, um sich mit zwei Servietten vom Buffet zu versorgen. Er putzte sich schniefend die Nase, um im Anschluss die benützte Serviette ... auf dem Tisch zu drapieren! Au weia! Mittlerweile war es um mich geschehen, ich war kurz davor, meinen Ärger verbal mitzuteilen. Da ich allerdings schon bei der Nachspeise angelangt war, beschloss ich, mich raschestmöglich aus dem Lokal zu verabschieden. Wenn ich meinem Ärger Luft gemacht hätte, wäre dies vielleicht nicht mehr ganz gelassen ausgefallen ...


Foto: C*, im wunderschönen Hof des Grazer Landhauses

8 Kommentare

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8 commentaires


Rosa Ananitschev
Rosa Ananitschev
14 déc. 2022

Wirklich - au weia. Der Mann hatte wohl keine Erziehung und konnte auch nichts Gutes seinen Kindern und Enkelkindern weiter gegeben haben.

Ansonsten stimme ich Deinen Gedanken gern zu.

Liebe Grüße


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C*
C*
14 déc. 2022
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Liebe Rosa,

oder er hat schlicht vergessen, was er einst gelernt hat!?

Vielen Menschen ist ihr Verhalten gar nicht bewusst, das fällt mir auch immer wieder mal bei bestimmten Gelegenheiten auf.

Liebe Grüße, C Stern


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Roswitha
Roswitha
05 déc. 2022

mir fiel heute noch ein: man hätte fragen können, wo eine versteckte kamera aufzeichnet, weil das ja kein alltägliches verhalten sei.

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C*
C*
05 déc. 2022
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Liebe Roswitha,

ich danke Dir für diese Idee! Großartig! Ist gespeichert, beim nächsten Mal, bei ähnlichen Vorkommnissen, habe ich tatsächlich geeignetes sprachliches Werkzeug, um passend zur Situation zu reagieren.

Liebe Grüße!


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Brigitte Fuchs
Brigitte Fuchs
05 déc. 2022

Ich kann mich euch nur anschliessen. Da fehlt ganz eindeutig die Kinderstube.

Und ganz sicher wäre der unfeine Herr auch nach etwaigen Einwänden unbelehrbar geblieben... Seufz!

Einen lieben Gruss in den ansonsten untadeligen Tag,

Brigitte

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C*
C*
05 déc. 2022
En réponse à

Ungefähr diese Gedanken hatte ich auch, liebe Brigitte!

Bin ja durchaus eine ziemlich couragierte Person und hätte ich den Satz mit der versteckten Kamera parat gehabt, dann wäre ich nicht so sprachlos gewesen. Courage kann manchmal allerdings sehr negative Folgen haben, das habe ich auch schon erlebt, als mir beispielsweise ein erzürnter Mann nachlief (ich hatte ihn zuvor darauf aufmerksam gemacht, er solle angemessen mit seinem Kind sprechen, das er am Telefon wüst beschimpft hat): Er wollte mir eine Ohrfeige verpassen! Sein Pech und mein Glück war: Ich war schneller als er - und so konnte ich gerade noch in den Bus springen ...

Liebe Grüße in einen ruhigen Abend!

C Stern

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Roswitha
Roswitha
04 déc. 2022

sehr unangenehm und rücksichtslos war das verhalten. ich glaube, ich hätte ihm etwas gesagt, spätestens beim gehen. mein problem ist, dass ich schlecht still sein kann, wenn ich berechtigt ärgerlich bin. ich bin dann zwar freundlich, aber klar. das hat aber auch nichts mit der erziehung von "braven" kindern zu tun. der mann war erwachsen und ich erwarte gemeinschaftsfähiges verhalten, auch wenn er krank ist(wenn er schon nicht das essen bestellt und mitnimmt, um zuhause zu essen). kopfschüttelnde grüsse von roswitha

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C*
C*
04 déc. 2022
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Normalerweise hätte ich auch etwas gesagt, wie ich es immer noch (auch nach sehr schlechten Erfahrungen) mache, wenn mir etwas missfällt. Und so wie Du möchte ich auch klar bleiben - mit einem Mindestmaß an Freundlichkeit: Doch ich wusste, das war mir nicht mehr möglich, weshalb ich beschloss, lieber nichts zu sagen und einfach rasch den Weg nachhause anzutreten.

Gerade an Buffets kann man unglaubliche Szenen erleben, wie sich erwachsene Menschen verhalten: Gierig, drängelnd und grauslich, mit einem Finger in den Zahnzwischenräumen oder in einer anderen Gesichtsregion ...

Sooft wird über eine Jugend gejammert, der Umgangsformen fremd sind. Ich kann nur sagen, es mangelt auch häufig an positiven Vorbildern - und auch unter Eltern und Pädagog*innen werden sie immer seltener.


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