Schon einiges länger als vierzig Jahre halten meine Erinnerungen an Umzüge im Gedenken an den Heiligen Nikolaus, immer rund um den 5. und 6. Dezember. Wobei, das Wesentliche zum Wirken dieses Mannes scheint mir dabei ohnehin immer weiter in den Hintergrund zu rücken - heutzutage steht ja der "Event" schon deutlich im Vordergrund.
Prägende Erinnerungen sind es, denn ich verbinde sie auch mit ganz unheimlichen Wesen, die im Alpenraum den Nikolo bei seinem Umzug begleiten: Die wilden Krampusse (bei uns auch Kramperl genannt) mit ihren lauten Glocken, mit ihren verstörenden Fratzen, den heraushängenden Zungen und ihren oft mächtigen Hörnern, die sich besonders in der Gruppe stark fühlen. Noch bestens erinnere ich mich an jenen Umzug vor etwa drei Jahrzehnten, bei dem ein paar dieser Gesellen tatsächlich besonders närrisch unterwegs waren. Ruten- und glockenschwingend und auch kettenrasselnd liefen sie den flüchtenden Kindern - und auch ängstlichen Erwachsenen - bis in ein paar Geschäfte hinterher, wo wir (ich war damals ebenfalls unter den Flüchtenden) sogar in Umziehkabinen Zuflucht suchten. Selbst dorthin drangen diese fürchterlichen Figuren vor - und wen sie erwischten, der bekam ordentlich Hiebe.
Solche Entgleisungen sind völlig unnötig, geradezu verstörend, und passieren bedauerlicherweise immer noch, weil manche Burschen und Männer, die in den Kostümen stecken, ihre Aufgaben überinterpretieren - oft auch unter Einfluss von Alkohol. Jedes Jahr gibt es Aktionen dieser Art!
Meine Bedenken, bei solchen Umzügen angsterregende Szenen zu erleben, lassen mich diesen Umzügen inzwischen ausweichen - falls ich unterwegs bin, dann achte ich auf guten Abstand zum lauten Treiben.
Wenn der Nikolaus in diversen Kindereinrichtungen aus seinem "Goldenen Buch" vorträgt und die Kinder ermahnt, "brav" und "artig" zu sein, dann mischt sich in meine Freude an diesem Brauchtum immer auch meine tiefe Überzeugung, dass ich mir ganz bewusst keine braven, angepassten Kinder wünsche, denn zu groß ist die Gefahr, dass sie das fügsame Verhalten auch als Erwachsene beibehalten. Diese Art von Menschen möchte ich nicht mitverantworten, im Gegenteil: Ein Begleiten von Kindern soll diese dahingehend stärken und motivieren, dass sie zu wertschätzenden und achtsamen Erwachsenen heranwachsen, die allerdings genau dadurch auch in der Lage sind, das Herdendenken mit wachem Geiste zu hinterfragen und ihre eigenen verantwortungsbewussten Entscheidungen zu treffen. Daher darf auch der Nikolaus neu denken - und sollte wohl eher so manchen Erwachsenen die Leviten lesen, wenn sie doch in vielem (keine guten!) Vorbilder für Kinder sind!
#Erinnerungen #Kinder #Kultur #Advent Foto: C*
Ich habe als Kind wirklich Angst vor dem Nikolaus in der Firma meines Vaters gehabt, der immer in Begleitung von Knecht Ruprecht kam und fürs Bestrafen zuständig war, wenn im "Goldenen Buch" des Nikolaus etwas Negatives über einen dagestanden hätte. War sicher meist nicht der Fall, doch die Angst vor öffentlicher Bestrafung/ Bloßstellung für etwas, was ggf. schon lange oder länger zurücklag war für mich lähmend und angsteinflößend. Bei meinen Kindern gab es etwas in die Stiefel, ohne Auftritt von wem auch immer.
Herzliche Grüße und einen angenehmen 1. Advent.
Du sprichst mir aus dem Herzen mit deinen Überlegungen zu dieser höchst fragwürdigen Tradition. Zumal du richtig traumatische Erlebnisse an jenen furchtbaren Umzug verarbeiten musstest.
Wer Kindern Angst und Schrecken einjagt, sollte selber bestraft werden.
Eine liebevolle und vorbildliche Erziehung braucht keine Angstmachermethoden.
Lieben Gruss zu dir.
Und übrigens: Dein Nikolausgedicht gefällt mir. :--)
Brigitte
Ich glaub, ich hab ihm inzwischen verziehen bzw. der Missbrauch durch die Erwachsenen in meinem Kindergartenalter, als er mich vor der ganzen Dorfgemeinschaft beim Lesen aus seinem Buch bloß gestellt hat, ist verarbeitet. Ich weiß wer und wie ich bin, und die, die mich verletzen ( eigentlich nur noch anonyme Kommentator*innen in meinem Blog ) wollen, lass ich mir den Buckel runterrutschen. Eigentlich tun mir Menschen leid, die ihr Heil im Bösartigen suchen.
GLG
Astrid