
In meinem pädagogischen Beruf, den ich achtzehn Jahre lang ausgeübt habe, hat mich stets und in zunehmendem Maße massiv gestört, dass unser Bildungssystem noch immer vor allem die Schwächen von Schüler*innen im Fokus hat. Schon längst müsste klar sein, dass vor allem die Stärken von Heranwachsenden im Mittelpunkt stehen sollten, um diese auch weiter zu fördern. Ich habe immer gerne auf die hervorragende Dokumentation Alphabet - Angst oder Liebe? von Erwin Wagenhofer hingewiesen, welche ein kritisches Licht auf Bildungssysteme wirft.
Dr. Boris Bornemann ist Neurowissenschafter, Psychologe sowie Meditationslehrer. In der Zeitschrift flow, Ausgabe Nummer 83, fand ich eine lesens- und überdenkenswerte Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung unserer Stärken und Schwächen.
Schwächen nehmen wir vor allem dann an uns wahr, wenn uns unser Handeln oder eine Eigenschaft als hinderlich erscheint. Schwächen und auch Stärken können sich auf unsere Fähigkeiten, aber auch auf unseren Charakter und unser Gemüt beziehen.
Dr. Bornemann geht auch der Frage nach, warum wir uns so stark über unsere Stärken und Schwächen definieren. Das hat natürlich mit unserer Leistungsgesellschaft zu tun. In diesem Umfeld erleben wir Menschen, die ständig auf der Selbstoptimierungsschiene unterwegs sind / sein wollen - vielleicht können wir dies auch in so manchem an uns selbst beobachten? Man möchte möglichst nützlich, einsetzbar und fehlerfrei usw. agieren.
Menschen, die handeln, wie es ihren Werten entspricht und denen ihr Handeln Freude bereitet, werden allerdings als zufriedener wahrgenommen. Sie erleben sich als schöpferischer als jene Menschen, die sich nur an äußeren Maßstäben messen. Es ist wichtiger, aus guten Absichten zu handeln, als immer nur der oder die Beste sein zu wollen.
Dabei ist es hilfreich, weniger in Kategorien von richtig oder falsch zu denken. Die Frage, wie wir kooperativ zusammenwirken können, damit es uns allen gut geht, bewirkt ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl. In dieser Wahrnehmung werden wir mitfühlender mit eigenen oder anderen Schwächen umgehen.
Wichtig ist mir auch, festzuhalten, dass Eigenschaften, die oft als Schwächen gelten, sehr wohl zu Stärken werden können. Ein Mensch, der sehr sensibel auf seine Umwelt reagiert, wird in einer lauten Umgebung eher überfordert reagieren, kann aber ein toller empathischer Freund oder auch ein guter Psychotherapeut sein.
Viele meiner sehr ruhigen und sensiblen Kinder waren oft künstlerisch sehr begabt. Ihre schulischen Leistungen waren stark abhängig davon, wie sie von ihren Lehrer*innen und Eltern motiviert werden konnten.
Wenn sie sich wohl und anerkannt fühlten, waren ihre Leistungen oft hervorragend bis zumindest ausreichend, um eine positive Benotung zu erhalten. Wenn sie allerdings Raum und Zeit fanden, um ihre kreativen Begabungen auszuleben, haben wir oft sehr selbstsichere Kinder erlebt, die musikalisch waren oder schauspielerisches Talent besaßen, manche malten tolle Bilder oder widmeten sich intensiv der Natur.
Mir war es immer wichtig, Kinder vor allem in ihren Stärken zu bekräftigen.
Dr. Bornemann meint, dass die größte Stärke, die wir entwickeln können, darin bestehe, liebevoll auf uns selbst zu achten. Ich meine, wer das verinnerlicht hat, wird wohl auch seine Mitmenschen mit mehr Wertschätzung wahrnehmen.
Eine Frage, mit der ich mein Selbstvertrauen in mich und meine Fähigkeiten stärken kann und die ich mir selbst stellen kann, ist, was mir in meinem Leben gut gelungen ist? Welche Fähigkeiten haben mir dazu verholfen? Was mag ich an mir?
#Kinder #Filmtipps Foto: C*
wir sind immer unterwegs auf entdeckungen, manchmal waren sie schon immer da, wurden nur übersehen. mir fiel beim lesen ein, dass ein baby genauso lebt: spontan, ohne kalkül, egal wer da ist teilt es mit, wie ihm ist. also dieses kümmern um eigene bedürfnisse war schon in uns, wir können es differenzierter einbringen, müssen es aber auch um gesund zu bleiben/werden. hab eine gute zeit, liebe c stern, herzlich roswitha