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Pädagogik im Corona-Zeitalter

Autorenbild: C*C*



Wenn Kinder fragen, ob Corona stinke, dann können wir darüber schmunzeln.

Oder uns die Frage stellen, ob diese Geruchsbelästigung nicht sogar erwünscht wäre, weil wir uns besser schützen könnten? Denn wenn man weiß, wo der Feind lauert, ist man ihm schon etwas ebenbürtiger.


Was wurde und wird den PädagogInnen nicht alles aufgetragen in den letzten sechs, sieben Monaten, seit es Mitte März in Österreich seitens der Politik zur Entscheidung kam, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen zu schließen! Ich halte diese Entscheidung übrigens auch im Nachhinein noch für richtig. Auch wenn sie Eltern, besonders aber wieder einmal den Müttern, über viele Wochen unbeschreiblich Anstrengendes aufgebürdet hat, weil sie in dieser Zeit noch mehr unter einen Hut zu bringen hatten.

Ich bin überzeugt, dass wir dieses Herunterfahren all unserer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten und Handlungen, unserer hektischen Bewegungsmuster gebraucht haben; nicht nur, um Zustände wie in den Nachbarländern zu verhindern, sondern auch, um zu lernen, diesem Virus jene Bedeutung zu geben, die es verdient: Man soll niemanden in Angst und Panik versetzen, keinesfalls sollen allerdings die Herausforderungen und die mit dem Virus einhergehenden Gefahren heruntergespielt werden. Umso erstaunlicher, dass sich in der Gegenwart, wo das Virus schon wesentlich besser eingeschätzt werden kann, noch immer zu viele Leute unbedarft geben.


Nun, ein halbes Jahr später, wo so manche - wie man heute weiß - unangemessen übervorsichtige Maßnahmen uns viel zu viele Arbeitslose beschert haben und mit Sicherheit auch eindeutig festgestellt werden kann, wo der Bogen der Maßnahmen überspannt wurde, geht es seit einigen Wochen wieder in den Schulen weiter. So wie in allen anderen Einrichtungen, wo PädagogInnen mit Kindern arbeiten.

Man muss es einfach ehrlich und deutlich formulieren, die unzähligen Maßnahmen, die an diesen Plätzen umgesetzt werden sollen, können ganz klar nicht in dem Ausmaß umgesetzt werden, wie sie vor allem von PolitikerInnen und sonstigen Praxisfernen täglich mit unzähligen Aufforderungen an uns herangetragen werden: Haben sich diese Damen und Herren schon einmal nur eine Vorstellung davon gemacht, was es heißt, Kinder bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran zu erinnern, dass sie Masken zu tragen haben, dass sie in ihre Ellbögen zu niesen oder zu husten haben, dass sie Abstand zu halten haben, dass sie einander nicht berühren sollen, dass sie niemanden umarmen sollen, dass sie nicht schreien sollen, dass sie viele Spiele nicht miteinander spielen sollen? Selbst das gemeinschaftliche Singen ist derzeit ein absolutes No-Go!

Zweifellos, es gibt sie, die Aerosole, die durch viele Tätigkeiten, die Kinder so gerne ausüben, eine bessere Chance haben, sich ausreichend zu verteilen. Obwohl, ein bisschen paradox muten sie schon an, diese ganzen Vorschriften - denken wir nur daran, dass gerade Kinder bislang nicht als besonders potentielle Verteiler des Virus galten. Und doch, die Zahlen von Infizierten in Schulen steigen an, das kann nicht ignoriert werden.

Machen sich die Damen und Herren in der Politik und in diversen Verwaltungsbehörden - Verantwortliche, wie sie gerne genannt werden wollen - auch nur die geringste Vorstellung davon, was es heißt, wenn Kinder jetzt und in den nächsten Wochen und Monaten lernen, dass sie einander nicht nahe kommen dürfen?

Dass soziale, in Achtsamkeit stattfindende Begegnungen nicht oder nur äußerst eingeschränkt stattfinden können, weil sie als zu gefährlich eingeschätzt werden, hat Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung, davon bin ich täglich zutiefst überzeugt: Wie soll man Kinder an soziale Werte heranführen können, wenn keine Geburtstagsfeiern stattfinden dürfen, wo Gemeinschaft erlebt wird, bei denen gesungen und musiziert wird, wo selbst zubereitete Jausen mit Genuss verzehrt und kleine Aufmerksamkeiten überreicht werden? Wie können Kinder für ein Miteinander gewonnen werden, wo doch seit Monaten größter Wert auf größten Abstand gelegt wird? Der sogenannte Babyelefant lässt sich zwar niedlich veranschaulichen, aber viele Kinder hassen dieses Wort inzwischen! Sie bringen täglich ihren Missmut, ihre Traurigkeit, aber auch ihre aufgestaute Unsicherheit und Wut über diese seltsame Zeit zum Ausdruck, und dies teilweise sehr ausfallend und exzessiv.


Es ist übrigens auch alles andere als hilfreich, wenn Eltern gegenüber ihren Sprösslingen aus ideologischen Gründen die Gefahr, die dieser Pandemie zugrundeliegt, herunterspielen. Wenn man in diesem Zusammenhang an einen das Virus verhindernden Gott glaubt, ist dies "Glaube", den ich grundsätzlich respektieren kann - gleichzeitig allerdings gesicherte Erkenntnisse der Wissenschaft und die bekannten Entwicklungen in Frage zu stellen, das halte ich für gefährlich!


Was passiert mit PädagogInnen, denen Vorgaben gemacht werden, an denen sie nur scheitern können? Es macht idealistsche Menschen zu ausgebrannten Menschen, weil sie diesen aussichtslosen Kampf, einem von der Natur gesteuerten kindlichen Bewegungsdrang ständig und überall Einhalt gebieten zu müssen, nicht gewinnen können. Es macht Menschen, die ihren Beruf geliebt haben, zu schlaflosen und depressiven Menschen, weil sie sich von vielen Maßnahmen und Vorgaben einfach nur überrollt fühlen. Diese Maßnahmen und Vorgaben werden in pädagogischen Einrichtungen intensiv diskutiert und nicht selten auch kontrovers. Wo ein Zusammenhalt gerade jetzt so bitter notwendig ist, tun sich teilweise Gräben auf; Rat- und Mutlosigkeit herrschen an vielen Orten, so wie auch Verunsicherung und Verzweiflung. Und: Wir stehen erst am Beginn einer extrem herausfordernden Zeit!

Wenn sich PädagogInnen in ihrer Rolle nicht mehr wohl fühlen, dann kann ich das bestens nachvollziehen, denn der Bildungsauftrag hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert: Seit Jahren sind wir nämlich vielerorts auch SozialarbeiterInnen (Stw. pädagogische Einrichtungen an sozialen Brennpunkten) und jetzt auch noch GesundheitspolizistInnen! Eindeutig zwei Rollen zuviel!


Mindestens ein Kopfschütteln von mir übrigens auch dafür, dass es in vielen Einrichtungen nicht einmal die erforderlichen Schutzmasken für das Personal gibt! Von Corona-Zulagen für erschwerte Arbeitsbedingungen übrigens sowieso ganz zu schweigen ...



#Menschen #Kinder #Gefühle #Politik Foto: Pixabay, Gerd Altmann


 
 

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