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Nicht nur biblisch, der Turmbau zu Babel



John Ruskin (1819 - 1900), englischer Schriftsteller, Maler, Kunsthistoriker, Sozialökonom und Sozialreformer - bereits im 19. Jahrhundert formulierte er auf den Punkt, dass die Art und Weise, wie wir wohnen, einen Einfluss auf unseren Geist und somit - ich setze diesen Gedankenimpuls fort - auf unser Wohlgefühl hat.

"In der zunehmenden Industrialisierung sah er die Gefahr einer Verkrüppelung sowohl menschlicher Tugenden als auch künstlerischer Schaffenskraft. Er trat für eine Wirtschaftsethik ein, in deren Mittelpunkt der Mensch stehen sollte, und bei der handwerkliche Arbeit als schöpferischer Wert betrachtet werden sollte. Ruskin gründete die St.-Georgs-Gilde, um mit seinen utopischen Vorstellungen den Verfall des britischen Staates zu ändern. Die Gilde bestand aus Männern, die bereit waren, einen Teil ihres Einkommens in den Ankauf von Land zu stecken und dieses in Übereinstimmung mit Ruskins Idealen zu gestalten." (Quelle: Wikipedia)

Gebäude, die in Form und Höhe Wolkenkratzern nahekommen, die kratzen an meiner Stimmung, das kann ich nicht verhehlen ... Was John Ruskin als feinsinnig-ästhetischer Mensch wohl zu vielen hässlichen Wohntürmen dieser Art sagen würde? Ich kann es mir denken!


Österreich ist europaweit Spitzenreiter, wenn es darum geht, zu betonieren.

"Nirgendwo sonst in Europa wird im Verhältnis zur Fläche so viel Boden versiegelt wie in Österreich. Pro Tag sind es hierzulande im Durchschnitt 11,5 Hektar. Der Großteil wird für Gebäude und ihre Nebenflächen genutzt, gefolgt von Parkplätzen, Werksgeländen sowie für den Straßenbau." (Quelle: ORF)

Wenn ich in Linz unterwegs bin, dann lösen Anblicke von schier maßlos in den Himmel wachsenden Hochhäusern mein Kopfschütteln aus. Ob diese Bauweisen in erster Linie mit flächen- und bodenschonendem Vorgaben zu tun haben? Daran hege ich meine großen Zweifel, weiß ich doch auch um eklatante und massiv zunehmende Leerstände allzu vieler Geschäftslokale und Gasthäuser, Büros und nicht mehr leistbarer Wohnungen, im Miet- wie im Eigentumssektor. Viel eher wollen sich hier wohl ein paar Stadtpolitiker*innen Denkmäler setzen, indem sie solchem Unsinn ihren Sanctus geben und sich mit architektonischen Ideen geradezu brüsten! Wie oft ich in diesem Zusammenhang auch kräftige und durchsetzungsfähige Proteste der grünen "Umwelt"-Partei vermisse, kann ich gar nicht festhalten ...!!! (Nur einmal kann ich mich daran erinnern.) Diese alles überragenden Bauprojekte sind ja an vielen Plätzen nicht zu übersehen, der Baustellenlärm und -dreck quält unzählige Anrainer dieser Plätze jahrelang und mitunter muss sogar der Verkehr umgeleitet werden. Wenn schon Hochhäuser in dieser 210.000 Einwohner*innen zählenden Stadt platziert werden sollen, dann bitteschön in Vierteln, wo sie weniger hässlich in eine der Natur nahen Landschaft eindringen: Die Gegend um den Linzer Hauptbahnhof hat sich längst für den Hochhausbau etabliert, auch ein weiteres Viertel scheint dafür nötigenfalls geeignet zu sein. Wenn jedoch einzeln situierte Hochhäuser in engster Nähe zu wunderschönen Erholungsflächen an den Wolken kratzen, wirkt das auf mich nachhaltig zerstörerisch - so eine heftig misslungene städtische Raumplanung kränkt nicht nur meine Augen, sondern stört auch mein Wohlbefinden massiv: Von solchen Beton- und Glasriesen fühle ich mich geradezu erdrückt, ihre Erscheinung erwirkt eine unterkühlte Umgebung, in der ich niemals wohnen möchte, geschweige denn leben könnte. Natur- und Erholungsräume für Mensch und Tier werden massiv zurückgedrängt, auch eine geradezu alibimäßige Begrünung von einzelnen Dachflächen kann in meinem Denken und Fühlen nicht ausblenden, dass ich diese Entwicklungen als besorgniserregend erachte.

Ich bin einst im Zentrum der oberösterreichischen Landeshauptstadt in einem Hochhaus aufgewachsen. Ich glaube, ich habe bereits als Kind auch eine Abneigung gegen Lifte gehegt (obwohl die elterliche Wohnung fußläufig erreichbar war). Dieser Abneigung habe ich selbst mit zunehmenden Lebensjahren nichts erfolgreich entgegenzusetzen.

Seit mehr als zwanzig Jahren bin ich überzeugte Mühlviertlerin - und ich genieße diesen Umstand!


Wenn Beton zum Himmel strebt, dann erinnert mich das auch an eine biblische Geschichte im Alten Testament, den Turmbau zu Babel. Die Menschen, die versuchten, Gott gleichzukommen, wurden von Gott davon abgehalten, indem er für sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zwischen ihnen sorgte: So waren sie gezwungen, ihr Projekt zu beenden. Und wenn ich heute meine Aufmerksamkeit auf Baustellen richte, dann höre ich ebenso viele Sprachen. Die Bauwirtschaft, in der es oft außerordentlich schwere und gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen gibt, auch bedingt durch unerträglich heiße, windige, regnerische oder beißend kalte Wettereinlagen, kommt schon lange nicht mehr ohne all die tüchtigen Menschen aus, die ursprünglich nicht aus Österreich stammen.

Dem Himmel so nah fühle ich mich am liebsten, wenn ich mich Auge in Auge mit Berggipfeln alter Riesen fühle, solche Momente sind von größter Magie. Und wenn mich ein Stück Musik auf Wellen emporträgt in jene Sphären, in denen der Lärm der Stadt nicht mehr zu hören ist und die abendlichen Lichter der Stadt nur noch in weiter Ferne als winzige Pünktchen glitzern und funkeln.



Fotos: C* - Unterwegs an der Donaulände (die auch Donaupark genannt wird), mit Ausblick auf den Linzer Stadtteil Urfahr, der bereits dem (Unteren) Mühlviertel (als eines der vier Viertel Oberösterreichs) zugeordnet wird. Bis 1919 war Urfahr eine eigene Stadtgemeinde, die zu diesem Zeitpunkt mit etwa 15.000 Einwohner*innen nach Linz eingemeindet wurde. Was haben Hochhäuser im Mühlviertel verloren?


Das Stifterhaus, 1844 fertiggestellt - hier lebte Adalbert Stifter von 1848 bis zu seinem Tod im Jahr 1868. Heute dient das altehrwürdige Haus als Oberösterreichisches Literaturmuseum.

Stifters letzte Ruhestätte liegt am St. Barbara-Friedhof in Linz.

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