Ein Museumsbesuch der ungewöhnlichen Art.
"Waren Sie schon einmal in einem Museum, Joe? Sind Sie je durch die Säle geschlendert und haben sich die alten Fotos angesehen? Aufnahmen von Menschen bei der Arbeit oder in einer Militäruniform, vielleicht einige Familienfotos oder witzige Schnappschüsse mit Freunden?"
Ich nickte. "Natürlich."
Im Buch The Big Five for Life (Autor: John Strelecky) lernt Joe, mit seinem Job unzufrieden, zufällig den Geschäftsmann Thomas kennen. Es entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden und Thomas wird zu Joes Mentor. Thomas führt seine Unternehmen nach zwei Prinzipien: Jede*r Mitarbeiter*in muss seine*ihre Bestimmung sowie seine*ihre "Big Five for Life" kennen, also wissen, welche fünf Ziele er*sie im Leben unbedingt erreichen will.
Weiter erzählt Thomas seinem neuen Bekannten Joe, er sei einmal in einem kleinen historischen Museum in Orlando / Florida gewesen, gerade einmal 100 Quadratmeter groß. Es sei voller Bilder von Menschen gewesen, die etwas mit der Stadt zu tun gehabt hätten. Man könne in diesem Museum zahlreiche Geschichten über diese Menschen nachlesen und die Ereignisse, die sich in den letzten 150 Jahren in der Stadt zugetragen hätten.
Als er durch das Museum geschlendert sei, so Thomas, sei ihm plötzlich ein Gedanke in den Sinn gekommen: "Was wäre, wenn jeder Tag unseres Lebens katalogisiert würde? Unsere Gefühle, die Menschen, mit denen wir zu tun haben, die Dinge, mit denen wir unsere Zeit verbringen? Und wenn am Ende unseres Lebens ein Museum errichtet würde, in dem genau zu sehen wäre, wie wir unser Leben verbracht haben?"
Joe solle sich vorstellen, dass Menschen 80 Prozent der Zeit mit einem Job verbrächten, der den Menschen nicht gefalle, "dann wären auch 80 Prozent des Museums genau damit gefüllt. Man würde Bilder und Zitate sowie kurze Videofilme sehen, die Szenen verschiedener unglücklicher Momente zeigen. Wenn wir zu 90 Prozent der Menschen, mit denen wir zu tun haben, freundlich wären, würde man genau das in dem Museum zeigen. Aber wenn wir ständig wütend und ungehalten wären oder 90 Prozent der Menschen in unserem Umfeld anschreien würden, könnte man auch das sehen. Alles wäre mit Fotos, kurzen Videoclips und Hörbeiträgen dokumentiert."
Wenn Menschen allerdings gerne in der Natur unterwegs seien, am liebsten viel Zeit mit ihren Kindern oder Freunden verbringen würden, wenn Menschen das Leben gerne mit ihren Partner*innen genießen würden, aber all dem nur zwei Prozent ihres Lebens widmen würden, dann wären auch nur diese zwei Prozent des Museums damit gefüllt, so sehr wir Menschen uns auch etwas anderes wünschen würden, das schildert Thomas seinem Bekannten Joe.
Ich stelle mir vor, am Ende meines Lebens durch mein Museum zu gehen: Videos sehend, Tondokumente hörend, Bilder betrachtend. Wie würde ich mich wohl dabei fühlen? Wie würden sich andere Menschen an mich erinnern? Hätte ich am Ende meiner Tage meine mir mögliche Fülle gelebt oder einfach nur existiert?
Fotos: C* im KHM - in der Albertina, Wien
im Museum der Moderne Mönchsberg, Salzburg
Das ist ein tolles Gedankenexperiment. Als Anregung und Impuls zur Reflexion finde ich es gut, denke aber, dass so eine Bilderflut und Katalogisierung wenig realistisch wäre und zudem auch zum Albtraum werden könnte. :--)
Einen lieben Gruss ins heutige Bild des Tages,
Brigitte
Ich weiß nicht, ob ich das wirklich so haben wollte. Es wird wohl in jedem Leben Höhen und Tiefen, Licht und Schatten geben. Bei allem Guten wird der Mensch nicht immer perfekt sein oder richtig reagieren oder sich verhalten.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
Jutta