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Gelebte Gastlichkeit



Ich gebe es zu: Ich gehöre zu den Menschen, die mit Leib und Seele Essen genießen wollen und auch können. Ich koche daher gerne und häufig selbst.

Wenn wir Ausflüge machen, wollen wir Neues entdecken. Mit Begeisterung kehren wir dort ein, wo der Gast willkommen geheißen wird. Darüber kann ich durchaus ins Schwärmen geraten ...


Am liebsten essen wir in Gasthäusern. Und wenn es ein alter traditioneller Gasthof ist, in dem es eine gemütliche Gaststube gibt, dann liegt die Vermutung nahe, dass die Speisekarte das enthält, was wir lieben: Österreichische Hausmannskost, ehrlich, bodenständig und g'schmackig in ihrer Zubereitung - Produkte aus der Region zu fairen Preisen, in einer einladenden Karte angepriesen. Wie sehr es das Genießerherz erfreut, wenn die Speisen in schönen Lettern auf gutem Papier gedruckt sind!

In Gasthäusern werden Gastlichkeit und das "DU" tradtionell noch groß geschrieben, die Wirtsleut' kommen mit ihren Gästen auch noch ins Gespräch. Das ist für mich immer der Zeitpunkt, um meiner Freude über alte Gaststuben Ausdruck zu verleihen.

Überhaupt kann es in einem Gasthaus am Lande an Sonntagvormittagen recht hoch hergehen. Nach dem Kirchgang sitzen die Leut' gerne beim sogenannten Frühschoppen, wo es dann eher um flüssige Nahrung und meist recht angeregte Gespräche geht. Manchmal gibt's auch musikalische Einlagen.

Warmes Holz, in alten Zeiten bestickte Polster, ein Herrgottswinkel, manchmal sogar eine Pendeluhr - all das können wir von Herzen genießen. Ich mag auch den gewissen Hauch von ehrlich angeeigneter Patina, die den Möbelstücken in solchen Gaststuben nach vielen Jahren oft anhaftet. Zeitgeistiges, sehr straightes Interieur wirkt weniger anregend auf unsere Magennerven, hat aber natürlich genauso seine Freund*innen.

Manchmal, aber immer seltener, ist dem Gasthof auch noch eine Fleischerei angeschlossen, da kann der Gast ziemlich sicher sein, dass besonders feine Fleischspeisen serviert werden.

Leider haben die Corona-Jahre unseren Lieblingsgasthäusern in der Umgebung ziemlich zugesetzt, in den Städten schließen immer mehr Gasthäuser für immer ihre Pforten. Aber auch in den ländlichen Gefilden bleiben Gasthäuser, in denen es oft auch noch einen großen Stammtisch gibt, nicht verschont. Ich orte allerdings auch andere Gefahren für alte Tradtionshäuser: In diese Gebäude muss häufig viel Geld investiert werden.

Große Küchen, die neue Geräte brauchen, Gaststuben und Sanitärräume sowie Leitungen, die saniert werden müssen. Ein weiterer Grund fürs Zusperren ist auch, dass sich Mitarbeiter*innen immer öfter neu orientieren: Geringer Lohn, nicht gerade familienfreundliche Arbeitszeiten, schlechtes Arbeitsklima und Stress sind häufige Motive, das Gastgewerbe zu verlassen.


Vor allem in Wien gibt es noch eine Beisl-Kultur, die keinesfalls unterschätzt werden sollte: Hier kann man mitunter legendär gut essen, es empfiehlt sich allerdings, sich vorher bei den Einheimischen zu erkundigen. Nach einem guten Beisl zu fragen, kann sogar einen grantigen Wiener fast freundlich werden lassen ;-) Das Original-Beisl ist jedenfalls ganz klar einer Lokalität vorzuziehen, die erst in den letzten Jahren zu einem "hippen" Beisl gemacht wurde!


Der Chichi-Küche sind wir nicht geneigt. Wir wollen wissen, was wir erwarten können, das soll auch aus der Speisekarte eindeutig hervorgehen. Lokalitäten, in denen großartige Gedecke aufgetragen werden, damit die Wartezeit kurzweiliger oder etwa interessanter erscheint, müssen wir nicht erleben. Auch findet sich in solchen Häusern oft zuviel uns befremdlicher Schnickschnack rund um's Essen, zu viele Gerichte "an diversen Gemüsen", "an marktfrischen Salaten", usw.

Die Formulierungen in der Karte können in solchen Restaurants manchmal auch recht knapp ausfallen: Hirsch. Pommes de terre. Paradeiser. 43

(Die Portionen korrespondieren erfahrungsgemäß mit der Speisekarte, sie sind sehr überschaubar und die Gemütlichkeit lässt meistens ebenso zu wünschen übrig.) Derzeit ist es in diesen "feinen" Lokalen sehr angesagt, wenn der "Euro" hinter der Zahl, die den Preis meint, nicht aufscheint. Soll der Preis auf diese Weise vielleicht nur eine schnöde Zahl sein, die einem den (oft schon recht großen!) Appetit nicht gleich verderben soll?


Gegen einen kleinen Gruß aus der Küche ist natürlich nichts einzuwenden, wenn dieser zum Schluss nicht in astronomischer Höhe auf der Rechnung erscheint oder preislich auf kaum nachvollziehbare Weise auf sämtliche Speisen aufgeschlagen wird.

Ein Hoch & Prost auf die traditionelle Wirtshausküche!

Es muss übrigens nicht immer die österreichische Küche sein ... unsere Geschmacksknospen lassen sich auch gerne von Gerichten aus Polen und Italien, aus dem asiatischen Raum, aus der Türkei und auch aus der afrikanischen Küche umschmeicheln.

Es braucht diese Stunden, um auch in kulinarischem Sinne zu genießen!


4 Kommentare

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4 Comments


Kleiner Staudengarten
Kleiner Staudengarten
Jan 31, 2023

In Wien haben wir vor Jahren die Erfahrung des überteuerten Gruß aus der Küche gemacht...fanden wir eine nette Geste, die hinterher auf der Rechnung stand, was wir als Touris gar nicht wussten bzw. erwartet hatten. ;-) Wirtshäuser oder auch moderne Gastronomien ... alles liegt mir, sobald dort eine gute Atmosphäre herrscht und das Interieur ansprechend oder heimelig ist. Gerade auch besondere Insidertipps liebe ich da.

Einen schönen Abend, Marita

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C*
C*
Jan 31, 2023
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Liebe Marita,

normalerweise muss auf den Gedeckpreis tatsächlich hingewiesen werden. Diese sind an manchen Orten schon recht happig - und man kann diese "Grüße aus der Küche" auch nicht auslassen, weil sie einfach "usus" fürs Haus sind.

Ja, auch Moderneres kann ansprechend sein, sofern gut geführt, darin folge ich Dir gerne! Und Insidertipps nehme ich auch mit Freuden an :-)

Eine sehr nette Erfahrung habe ich tatsächlich einmal in Wien gemacht: Aus Begeisterung über ein tolles Essen habe ich dem Koch einer Lokalität auf meiner sauberen Serviette eine Rückmeldung hinterlassen. Was dann passierte, damit habe ich nicht gerechnet: Wir bekamen eine leckere Nachspeise serviert und der erfreute Koch kam extra an unseren Tisch, um sich mit uns zu unterhalten!

Herzliche…

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Mano Ka
Mano Ka
Jan 30, 2023

solche alten, traditionellen wirtshäuser sind hier in unserer region fast ausgestorben oder bieten inzwischen gerichte an, die man nicht mehr essen mag. convinienceprodukte, die überall gleich schlecht schmecken und manchmal kaum genießbar sind. das ist so schade, aber das "warum" dahinter hast du ausführlich beschrieben. so weichen wir lieber zum italiener aus, der zumindest frische, selbstgemachte pasta in leckeren variationen bietet.

liebe grüße

mano

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C*
C*
Jan 30, 2023
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Liebe Mano,

der Trend zu diesen Produkten ist mir Gott sei Dank noch nicht untergekommen in meinen Lieblingshäusern. Dafür werden in Kinderbetreuungseinrichtungen frisch gekochte Gerichte immer häufiger vom Speiseplan gestrichen. Aus Kostengründen werden Fertigprodukte eingeführt, deren Inhaltsstoffe leider nur die wenigsten Eltern interessieren. Selbige Tendenzen in Seniorenwohnhäusern. Man staunt, was in den Speisen oder auf Speiseplänen alles zu finden ist - von Verantwortlichen als "gesund" angepriesen. Man muss sich nicht wundern, wenn die sogenannten Zivilisationskrankheiten blühen und gedeihen.


Ein Hoch auf alle Kochkünstler*innen, die ihre Gäste mit ehrlichen Produkten erfreuen!

Ganz liebe Grüße,

C Stern


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