top of page
  • AutorenbildC*

Film ab!





















Übermäßiger Alkoholkonsum und seine manchmal dramatischen Folgen - ein Thema, das ich jetzt, in der für viele so bedeutsamen Adventszeit, beleuchten darf? Gerade jetzt, könnte man irritiert meinen. Allerdings: Wenn ich so an diversen Märkten vorbeigehe, habe ich manchmal das Gefühl, es geht nur noch um den Genuss von Alkohol! Bei Weihnachtsfeiern ist dies ja auch immer wieder der Fall. Und: Wer keinen Alkohol trinkt, der ist - Außenseiter! Die Frage, warum ich (fast) keinen Alkohol trinke, wurde mir auf diversen Feiern immer wieder ziemlich unverblümt, distanzlos und meist von Kolleg*innen mit bereits leichten bis deutlichen verbal-motorischen Beschränkungen gestellt. Tatsächlich: Es gibt einfach nur weniges, was ich gerne trinken mag. Und: Ich kann wunderbar ohne Alkohol - in inspiriender Gesellschaft - durchaus sehr lustig sein!


Wiederum habe ich einen sehr guten und auch mit vielen Preisen ausgezeichneten Film gesehen, mit anschließender Diskussion. Das Besondere daran: Eine Schulklasse war zugegen, junge Menschen, um die 16 Jahre, Gymnasiast*innen. Das weitere Besondere daran: Sie haben meinen Glauben an die Jugend massiv gestärkt - zumindest an diesem Abend. Denn im Anschluss an den Film haben sie mit starken Wortmeldungen (sprachlich wie inhaltlich!) zu einer angeregten Diskussion über das Gesehene beigetragen.

In Dänemark war dieser Film der erfolgreichste dänische Film des Jahres 2020, sein Titel: "Druk" - zu deutsch: "Der Rausch". Nicht etwa die Themen des Films, wie ein intensives und nicht mehr kontrollierbares Verhältnis zu Alkohol, lockten die Menschen in Massen ins Kino, sondern ein dänischer Schauspieler, mittlerweile längst ein Weltstar: Mads Mikkelsen.

Die Dänen wollten ihren Mads tanzen sehen! (Das scheint er sonst nicht (mehr) so gerne zu machen, obwohl er ausgebildeter Tänzer ist.)

Dänemark verzeichnet ein großes Problem mit übermäßigem Alkoholkonsum: Die dänischen Jugendlichen sind Spitzenreiter in Europa, wenn es um Alkoholkonsum geht, Exzesse stehen auf der Tagesordnung. Die Regierung versucht, mit hoher Besteuerung von Alkohol gegenzusteuern. Woher ich das weiß? Wir hatten vorab eine sehr interessante Einführung in den Film, vor allem in die Umstände des Drehs, der fast nicht stattgefunden hätte: Grund dafür war, dass die Tochter des Regisseurs Thomas Vinterberg knapp nach Beginn der Arbeiten am Film einen tödlichen Autounfall hatte. Sie hätte die Rolle einer Schülerin gespielt, an der Seite ihrer Schulkamerad*innen. Der Regisseur entschied zusammen mit seinem Team, den Film doch zu realisieren, auch aus therapeutischen Gründen: Der Film ist Ida gewidmet und wurde an ihrer Schule gedreht. Inspiriert ist der Film durch eine Theorie des norwegischen Psychiaters Finn Skårderud, die besagt, "dass der Mensch mit einem konstanten Pegel von ca. 0,5 Promille Alkohol im Blut ein besseres Leben im Sinne von gesteigerter sozialer und geistiger Leistungsfähigkeit führe." (Quelle: Wikipedia)

Nach Skårderud's provokanter und nicht wissenschaftlicher These soll ein Mensch mit einem Blutalkoholspiegel-Defizit zur Welt kommen, allerdings will Skårderud uns glauben machen, er meine dies polemisch.


Der Film erzählt die Geschichte von vier Freunden, die alle als Lehrer an der gleichen Schule arbeiten. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie sich in einer typischen Midlife-Crisis befinden: Leer und ausgebrannt von Beruf und Familienleben bemerkt besonders Martin (gespielt von Mads Mikkelsen, dem die Rolle auf den Leib geschrieben wurde), dass er von seinen Schüler*innen nicht mehr wahrgenommen wird. Er gilt als langweilig - und fühlt sich auch von seiner Ehefrau Anika zunehmend ignoriert. Auf einer gemeinsamen Geburtstagsfeier fassen die vier Freunde den fatalen Beschluss, die Theorie von Skårderud zu überprüfen. Begeistert von der Vorstellung, das berufliche und private Leben wieder freudvoller und motivierter gestalten zu können, beginnen sie heimlich (aber nicht unentdeckt!) mit dem Experiment, das auch dazu führt, dass Alkohol einem Schüler sogar als probates Mittel bei Prüfungsangst angepriesen wird: Während der Prüfung trinkt der Schüler unbemerkt vom Prüfer Alkohol und kann sich zunehmend selbstbewusster zeigen; er kann schließlich tatsächlich überzeugen und schafft die Prüfung. Das Familienleben der Lehrer scheint sich kurzfristig ebenfalls zu verbessern - bis die vier beschließen, den Alkoholpegel, der auch immer gemessen wird, zu erhöhen. Nach einem totalen Exzess kommt es allerdings zu (den zu erwartenden) dramatischen familiären und sozialen Konsequenzen, Anika verlässt zusammen mit den Kindern ihren Mann Martin. Den vier Freunden wird klar, dass sie das Experiment beenden sollten, auch, weil die Gefahr einer Alkoholerkrankung besteht. Den Alkohol zu lassen, gelingt aber leider nicht allen ...


In der auf den Film folgenden Diskussion erfahren wir auch, dass die Schauspieler während der Filmaufnahmen keinen Alkohol getrunken haben, sehr wohl haben sie sich allerdings akribisch mit YouTube-Videos darauf vorbereitet, glaubhaft einen betrunkenen Zustand zu mimen. Erwähnenswert ist mir, dass dabei russische Videos studiert wurden, was wohl kein Zufall ist, denn auch in Russland wird dem Alkohol kräftig zugesprochen: Wodka mag wohl ein Getreide- oder Kartoffelwasser sein, aber eben kein Wässerchen!

Regisseur Vinterberg zeigt übrigens auch Leonid Breschnew und Boris Jelzin in seinem Film, augenscheinlich nicht mehr nüchtern. Übrigens wollte der letzte sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow einst Alkohol verbieten lassen, was sich natürlich nicht durchsetzen ließ. Nach seiner Ära stieg der Alkoholkonsum wieder drastisch an.


Den Film empfinde ich als sehenswert, auffällig ist auch, dass er nicht mit der Moralkeule daherkommt. Er handelt vom ganz alltäglichen Leben und von Unwägbarkeiten, von denen kein Mensch verschont bleibt. Es ist auch ein Film über Freundschaft - und ihre Grenzen.


#Filmtipps Foto: Pixabay, Tyke Jones

6 Kommentare

Ähnliche Beiträge

Alle ansehen
bottom of page