Der geschenkte Gaul
- C*

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Ich bin mit der Redewendung Dem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul aufgewachsen. Ich habe früh gelernt, dass Geschenke angenommen werden müssen, so, wie sie sind; also unbedingt dankbar sein, auch für etwas, das weder den eigenen Wünschen entspricht noch gebraucht wird.
Der Advent steht vor der Tür, alle Geschäfte sind bereits weihnachtlich geschmückt, am kommenden Wochenende öffnen die ersten Weihnachtsmärkte. Ich liebe den Advent, er ist meine mir kostbarste Zeit des Jahres. Da schlendere ich gerne durch die Innenstadt. Ich lasse die Lichter der abendlichen Weihnachtsbeleuchtung und die geschmückten Geschäfte auf mich wirken, ich liebe die Düfte von Maroni, gebrannten Nüssen, Keksen und Tee.
Zu Weihnachten verspüre ich hingegen jedes Jahr eine gewisse Müdigkeit und ich wähle ganz bewusst die Stille. Ich klinke mich seit einigen Jahren vom üblichen Treffen mit der Verwandtschaft aus. Mir ist Weihnachten zuviel Trubel und ich weiß auch nicht, wer aufgeregter ist - die Erwachsenen oder die Kinder?
Was schenkt man eigentlich zu Weihnachten (und zu anderen Anlässen)?
Viele Menschen wählen Gutscheine, da kann eigentlich nichts schiefgehen. Darüber habe ich mich immer gefreut. Andere Menschen könnten Gutscheine für ein sehr unpersönliches Geschenk halten, das ist mir klar.
Ich habe früh gehört, dass man keine Körperpflegeprodukte schenken soll. Leuchtet mir ein, das könnte Befremden auslösen, außerdem entwickelt ja jeder Mensch seine eigenen olfaktorischen Vorlieben.
Ich habe auch nie Geschenkkörbe mit allerhand Lebensmitteln verschenkt. Allein schon wegen möglicher Unverträglichkeiten ist so ein Geschenk eine aus meiner Sicht riskante Angelegenheit.
Früher habe ich gerne Bücher gewählt - das habe ich mir abgewöhnt. Ich wollte einfach keine Auswahl mehr für einen anderen Menschen treffen. Ich weiß ja von mir selbst, wie schwierig es für mich ist, etwas zu finden, das meinen eigenen Vorlieben entspricht.
Vor einigen Jahren habe ich beinahe mit allen erwachsenen Menschen, die ich früher beschenkt habe, eine Vereinbarung treffen können, dass wir uns gegenseitig nichts Materielles mehr schenken. Nur mit einem Menschen ist mir das leider nicht gelungen. Bei unserem letzten Treffen hätte ich ein Buchgeschenk bekommen, das Buch, eine medizinische Lektüre, habe ich allerdings bereits. Das habe ich dann auch bedauernd mitgeteilt. Dieses Buch, es war mit bester Absicht gewählt, ist hoffentlich einem anderen Menschen hilfreich.
Wenn ich etwas unterjährig spontan verschenke, beispielsweise als Dankeschön, wähle ich Kleinigkeiten, von denen ich sicher weiß, dass sie geliebt werden. Dazu gehören auch meine selbstgestrickten Socken.
Ich war vor kurzem mit meinem Neffen unterwegs, wir hatten nach langer Zeit endlich wieder einmal die Möglichkeit, etwas gemeinsam zu unternehmen. Er weiß ja schon längst, dass es kein Christkind gibt. Daher waren wir miteinander einkaufen, er hat zwei Sweatshirts gewählt. Wir waren auch zusammen essen und auf seinen Wunsch hin in einer Spielhalle, wo wir eine vergnügte Zeit verbracht haben.
Unter die materiellen Weihnachtsgeschenke kann ich bereits ein Häkchen machen. Mehr wird nicht gebraucht.
Ich liebe es, mit mir lieben Menschen etwas gemeinsam zu unternehmen. Ich gehe gerne miteinander spazieren, gemeinsam essen, ins Kaffee- oder Teehaus. In diesem Jahr war das ohnehin aus gesundheitlichen Gründen mehrere Monate nicht möglich. Nun genieße ich das Zusammensein mit meinen Lieblingsmenschen wieder.
Geschenkte Zeit an schönen Orten, wunderbar!



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