Zeit für eine Umarmung
- C*
- vor 3 Stunden
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Oxytocin kann freigesetzt werden, wenn wir uns wohlfühlen, zum Beispiel bei einer Umarmung. Allein der Gedanke an eine Umarmung kann unsere Stimmung positiv beeinflussen. Auch spielt Oxytocin eine tragende Rolle bei der Geburt: Es ist ein Hormon, das der Gebärmutter dazu verhilft, sich zusammenzuziehen, um Wehen auszulösen.
In meinem Schlafzimmer stehen zwei Bilder aus meiner Kindheit, mit denen ich sehr positive Momente in Verbindung bringen kann. Aus meinen kindlichen Augen strahlen Mut, Zuversicht und Selbstvertrauen und ich frage mich, wohin diese über mehrere Jahre verschwunden sind und wie ich sie wieder erlangen kann. Sehr gerne betrachte ich diese beiden Fotos und ich stelle mir dabei vor, dem Kind Liebevolles und Fürsorgliches angedeihen zu lassen: Es ist nie zu spät, zu lernen, sich selbst zu umarmen.
In meinen Therapiestunden taucht immer wieder der Begriff des Selbstmitgefühls auf, etwas, das mir in seiner Bedeutung durchaus bewusst ist, dennoch habe ich diesbezüglich erhebliche Defizite. Im Trubel um familiäre Verantwortungen und berufliche Belastungen habe ich vor allem in den letzten Jahren vergessen, mich gut um mich selbst zu kümmern. Mein Fokus lag ganz klar darauf, anderen Menschen zu dienen. Der Vorsatz der Selbstfürsorge war zwar vorhanden, bei der Umsetzung bin ich allerdings wiederholt klassisch gescheitert.
Ich telefoniere mit einer Bekannten. Sie erzählt mir Belastendes aus der eigenen Kindheit, von einer Mutter, die ihr Kind nicht lieben konnte. Dennoch fühlt sich meine Bekannte der Mutter verpflichtet, in aller Regelmäßigkeit telefonieren die beiden miteinander. Diese Telefonate sind kräftezehrend, zudem zeigt sich die Mutter immer wieder sehr gehässig. Ich höre zu und bin voller Mitgefühl, deshalb berichte ich auch von einem Erste-Hilfe-Seminar: In diesem wurden wir Teilnehmer*innen mehrfach darauf hingewiesen, gerade an Unfallorten zuerst darauf zu achten, dass den Helfenden die eigene Sicherheit gewährleistet ist. Erst, wenn diese gegeben ist, können wir uns um die Unfallopfer kümmern.
Ich fühle ganz klar, dass diese Regel auch im Umgang mit unseren Mitmenschen gelten sollte. Auch darüber sprechen wir bei unserem Telefonat. Es ist wichtig, auf die eigene Sicherheit, also auf die eigene Balance und Energiequelle zu achten. Wer immer nur gibt, ist gefährdet, rasch auszubrennen. Das ist mir bereits seit Jahren bekannt, ich habe es immer wieder am eigenen Leib, in der eigenen Seele erlebt. Warum nur fällt es mir so schwer, auf meine eigene Balance zu achten? Einen wesentlichen Anteil an meinen Erschöpfungen hat mein Harmoniebedürfnis, das ist mir längst klargeworden. Auch erkenne ich ganz klar jene Ereignisse im Außen, die mich verformt haben und die dazu geführt haben, dass ich kaum mehr auf meine eigene innere und äußere Balance geachtet habe. Viele Unverschämtheiten habe ich wortlos geschluckt, nicht aus Feigheit oder einem Unvermögen, mich klar zu äußern, sondern aus der Erkenntnis, dass mit bestimmten Menschen in meinem Umfeld keine Verständigung möglich ist. In solchen Momenten, wo derartige Begegnungen heftig an mir rütteln, sehne ich mich ganz besonders nach Umarmungen - nicht nur nach physischen, sondern auch nach verbalen Umarmungen. Wie bin ich doch gesegnet mit liebevollen Freund*innen, Seelengefährt*innen! Hier sind keine großen Erklärungen nötig, ich fühle mich gesehen und verstanden - wunderbare Umarmungen!
Neulich, beim Einkaufen. Ein zufälliges Zusammentreffen mit zwei Nachbarinnen, Mutter und Tochter. Das Gespräch bleibt nicht an der Oberfläche, wir sind gegenseitig interessiert. Nach unserem Austausch passiert etwas sehr Schönes - völlig unerwartet: Ich werde mit einer wertschätzenden Umarmung beschenkt. Ich freue mich sehr über diese spontane Geste, diese Freude hält noch mehrere Tage an.
Foto: C*
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