Wunderkinder
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Ein Wunderkind, das heißt, ein um seine Kindheit betrogenes Kind.
(Marie von Ebner-Eschenbach)
Beim Thema Wunderkinder fallen mir tatsächlich sofort jene Kinder ein, die im Sport oder in der Musikwelt Karriere gemacht haben bzw. machen. Dazu kommt mir rasch auch der Gedanke in den Sinn, dass ein früher Erfolg von Dramen begleitet sein kann. Der frühe Erfolg ist auch deshalb kritisch zu betrachten, weil solche Karrieren oft ihre psychischen Spuren hinterlassen. Gerade die Kommerzialisierung im Sport und in der Musikbranche ist ein Motor für hohe Erwartungen und Druck, der fatal auf Kinder und Jugendliche einwirken kann. Ohnehin haben sie mit Entwicklungen zu tun, die als sehr anstrengend erlebt werden können: In einem Alter, in dem Schule, Freund*innen und abwechslungsreiche Hobbys das Aufwachsen begleiten, müssen Wunderkinder damit klar kommen, dass dafür wenig Zeit bleibt.
Gerade die ehemalige deutsche Eiskunstläuferin Katarina Witt, die einst in der DDR selbst einem unerhörten und unmenschlichen Druck ausgesetzt war, macht immer wieder von sich reden, weil sie ganz klar gegen den Drill, der im Sport herrscht, auftritt. Ebenso fordert sie ein höheres Mindestalter von jungen Menschen, die an sportlichen Wettkämpfen beteiligt sind.
Übrigens hat auch Wolfgang Amadeus Mozart erfahren, was es heißt, dem Ehrgeiz von Erwachsenen entsprechen zu müssen. Der kleine Mozart und seine Schwester traten früh auf, dafür mussten auch lange und anstregende Reisen bewältigt werden. Beschult wurden beide Kinder tatsächlich nicht, für ihre Bildung war der ehrgeizige Vater zuständig.
Auch Michael Jackson wurde früh und äußerst brutal von seinem Vater in die Genierolle gezwängt. Oft war der kleine Michael tieftraurig, weil er nicht mit anderen Kindern spielen konnte. Hingegen hat er gelernt, schnell zu tanzen - die Medien wollen wissen, dass die Herdplatten, auf denen er das Tanzen gelernt haben soll, heiß waren.
Ich begebe mich an Freitagen um 22 Uhr gerne ins Nachtcafé (auf SWR), in dem es immer wieder sehr interessante Diskussionen gibt.
In dieser Talksendung waren am vergangenen Freitag Gäste zum Thema Die Macht der Fantasie eingeladen. Ich habe erstmals vom vierjährigen Laurent aus Bayern gehört, dessen Bilder am internationalen Kunstmarkt große Beachtung finden. In diversen Medien werden 10.000 bis 250.000 Euro genannt, die Kunstsammler*innen für seine Acrylbilder zahlen.
Laut seinen Eltern, die ihr drittes Kind erwarten, hat Laurent im Alter von zwei Jahren seine Freude am Malen in einem Urlaub entdeckt, wo er im Hotel das Angebot zum Malen genützt hat. Vater und Mutter erzählen, dass ihr Sohn nichts weiter tun wollte, als sich im tollen Malraum des Hotels kreativ zu betätigen. So sei auch die Abreise aus dem Hotel ein Drama gewesen, weil sich Laurent nur noch kreativ beschäftigen wollte. Auch zuhause sei seine Begeisterung über seine neuen Erfahrungen ungebrochen gewesen. Das Angebot der Eltern, mit Buntstiften und Wassermalfarben auf einem Blatt Papier zu malen, habe ihren Sohn nicht interessiert. Seine Vorstellung sei gewesen, gezielt und großflächig sowie bunt zu malen. Laurent malt laut seinen Eltern hingebungsvoll und völlig frei von Beeinflussung, er hat auch das Glück, dass er ein eigenes kleines Atelier im Haus seiner Eltern hat. Mutter Lisa sorgt via Social Media dafür, dass begeisterte Menschen ihrem Sohn beim kreativen und bunten Malen folgen können. Keine Überraschung also, dass der kleine Laurent auch international bekannt ist und Interesse bei Menschen weckt, die viel Geld für Kunst ausgeben. Die Eltern glauben nach ihren Worten übrigens, dass ihr Sohn von dem Hype, den er auslöst hat, nichts mitbekommt. Genau das kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Jedenfalls gibt es aufgrund des großen Interesses in Katar(!) konkrete Pläne, Deutschland für einen längeren Zeitraum in Richtung Doha zu verlassen.
Kinder verstehen es hervorragend, sich ihrer Vorstellungskraft auf das Fantasievollste zu bedienen. Dabei erweist sich die Vorstellungskraft im Kindesalter auf dem Zenit ihres Ausdrucksvermögens. Kaum jemals wieder wird die Vorstellungskraft eines Erwachsenen an die fantasievollen Höhenflüge in der Kindheit heranreichen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vertraten Psychologen noch die Auffassung, Kinder müssten ihre Fantasiewelt hinter sich lassen, um zu mündigen Erwachsenen zu werden.
In unserem Jahrhundert warnen jedoch immer mehr Fachleute aus den Bereichen der Hirnforschung und Pädagogik davor, den Fokus bei der Förderung von Kindern zu sehr auf Rationalität und kognitive Lernziele zu legen. Immer deutlicher zeigen Forschungsergebnisse, dass gerade im freien Spielen jene Gehirnregionen angeregt werden, die für Fantasie und Kreativität verantwortlich sind - wesentliche Voraussetzungen dafür, alte Welten zu verlassen und auf Neues zuzugehen; zu entdecken, zu begreifen, zu verstehen, zu lernen. Für all das kann man Kindern nur große Freude wünschen.
#Kinder Foto: Pixabay, Ben Kerckx



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