Wieder einmal lese ich in jenen Elternbriefen, die meine Eltern vor über 50 Jahren erhalten haben. Herausgeber war ein Katholisches Zentralinstitut für Ehe- und Familienfragen. Elternbriefe dieser Art werden von selbiger Stelle heute immer noch aufgelegt, ich bin allerdings nicht sicher, ob sie unserer aktuellen Lebenswelt angemessen sind. Ihre Erscheinung wirkt moderner, aber der Inhalt?
Nachfolgend Zitate aus dem alten Elternbrief, der sich mit dem Baby beschäftigt, das rund acht bis neun Monate alt ist:
Das tägliche Gebet
"Immer aufmerksamer bemerkt Baby am Morgen und am Abend, wenn die Mutter oder der Vater ihm ein Kreuz auf die Stirn macht und mit ihm betet. Es sind nur ganz wenige kindertümliche Gebete, und manchmal plappert das Kind schon ein paar Laute mit. Manchmal jauchzt es auch, weil es das rhythmische Versmaß wiedererkennt, oder es patscht vor Freude in die Hände. ...
Es gehört zum Respekt vor dem Kinde, dass der Erwachsene in der Erziehung ein Erwachsener bleibt und sich nicht sentimental verniedlicht. Er ordnet sich nicht in Sprache und Gebärden dem Baby unter und spielt nicht unbegrenzt mit ihm. In die Ordnung, die er vorlebt, soll das Kind hineinwachsen, keineswegs umgekehrt. Das Kind braucht diese Autorität, die ihm gleichzeitig Schutz und Entwicklungsanreiz bedeutet."
In einem weiteren Elternbrief (das Kind ist nun etwa ein Jahr alt) wird das Kind als "Wicht" bezeichnet, der auch schon mal "den wilden Max markiert: Wer plärrt, muss ein paar Minuten auf den Schmollstuhl."
Das Bild vom Kind hat sich jedenfalls in der Gesellschaft stark verändert, nicht immer zum Wohlgefallen mancher erwachsenen Menschen, die immer noch meinen, dass Kinder kein Selbstbewusstsein haben dürfen. Tragischerweise irritiert ein kindliches Selbstbewusstsein auch Erwachsene, die selbst als Kinder den Mund geschlossen halten sollten.
So eine Irritation über ein selbstbewusstes Kind habe ich anlässlich eines Zusammentreffens von Erwachsenen bemerkt, bei dem ein etwa achtjähriger Bub zugegen war. Dieser Bursche hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit einer ganz bestimmten erwachsenen Spielgefährtin spielen wollte. Dass er sich äußerte, wir anderen sollten uns dabei nicht einmischen, wurde dem Buben als frech ausgelegt. Das habe ich nicht verstanden, denn ein erwachsener Mensch zieht im besten Fall ebenso seine Grenzen. Grenzen aufzuzeigen ist auch für ein Kind wichtig.
Mich hat die Situation an meine eigene Kindheit erinnert. Da galt der Grundsatz: Erziehung vom ersten Tag an, durchaus mit Härte und Konsequenz (Link). Selbstbewusstsein zeigen war nicht gefragt, da wurde einem "der Mund gestutzt".
Für eine glückliche Kindheit ist es wichtig, so weit wie möglich auf die Grundbedürfnisse eines Kindes einzugehen und eine liebevolle emotionale Bindung zu fördern. Wenn das gelingt, kann ein heranwachsendes Kind eine gute Resilienz entwickeln.
Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern Vertrauen schenken, ihnen also zutrauen, dass sie Herausforderungen auch selbst meistern können.
Ein Kind muss spüren, dass es bedingungslos geliebt wird, nämlich so, wie es ist - um seiner selbst willen.
In den letzten Monaten ist neues Wissen über die "Reformpädagogin" Maria Montessori (1870 - 1952) zu mir durchgedrungen. Ich hatte bis vor kurzem immer den Eindruck, sie habe den politischen Vorgängen keine positive Beachtung geschenkt. Das ist leider nicht der Fall, denn es gab eine dunkle Seite der italienischen Ärztin und Biologin. Diese Schattenseite der so bekannten Vordenkerin war bislang kaum bekannt. Beschäftigt man sich näher mit ihren Aufzeichnungen, die nun auch in deutscher Sprache aufliegen, so offenbart sich ihr Traum vom "perfekten Kind". Sie muss zweifelsohne aufgrund ihres positiven Zugangs zur sogenannten Rassentheorie mit kritischem Blick gesehen werden. Ihr Ziel war es, dieses perfekte Kind zu erschaffen, es sollte nicht nur geistig, sondern auch körperlich vollkommen sein. Das perfekte Kind war für Maria Montessori das Kind einer "perfekten Rasse". So kann es aus heutiger Sicht eigentlich gar nicht mehr sein, dass man mit diesem Wissen Maria Montessori als Vorreiterin der Inklusion betrachtet.
Von Adolf Hitler und Benito Mussolini erwartete Montessori, sie würden sie dabei unterstützen, ein solches Kind zu kreieren. Maria Montessori war davon überzeugt, dass ihre Vision einer politischen Steuerung bedürfe. Erschütternd!
#Kinder #Menschsein Hier zwei Stellungnahmen zur Reformpädagogik nach Maria Montessori.
Das hört sich schon ein wenig komisch an und für mich noch ganz besonders, da ich in einem atheistischen Zuhause aufgewachsen bin. Inwieweit die Kindererziehung heute richtig oder nicht richtig ist, kann ich nicht und will ich auch nicht sagen. Ich weiß aber eins, dass ich es persönlich unmöglich finde, dass die entsprechenden Einrichtungen immer noch den Namen von Montessori tragen.
Liebe Grüße
Jutta