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Muttertag




Ich kann nicht davon schreiben, Mutter eines Kindes zu sein. Denn ich bin es nicht - nicht in diesem Sinne ...


Ich bin Tochter einer Mutter.

Meine Mutter, die ich ganz lange, über so viele Jahre und oft mit sehr großer Verzweiflung gesucht habe. Nicht gesucht, weil ich etwa von meiner Mutter weggegeben wurde, sondern weil ich mich über so viele Jahre nicht angenommen fühlte.

Ich habe meine Mutter gesucht, zu greifen versucht, zu begreifen -

zu verstehen und letztlich auch so, wie sie nun einmal als Mensch, Frau und Mutter ist, anzunehmen versucht. Und langsam, Schritt für Schritt (und mit vielen Rückschritten!), gelingt es mir, dass es nicht mehr nur diese Versuche sind ... Ich bin so erleichtert, dass mir in diesem langen Weg der Suche nun, in ihren letzten Schritten auf ihrem Lebensweg, soviel Verstehen ihres Wesens möglich ist! Soviel Loslassen von altem Groll - hin zu Liebe und Mitgefühl, Sorge und aufrichtiger Zuwendung.


Über vieles, was sich zwischen meiner Mutter und mir schon bald in meiner Kindheit aufstellte wie eine Mauer, die nicht durchdrungen werden konnte, habe ich zutiefst gebrütet, auch in meinem Inneren und Äußeren gewütet und wir haben uns viele Male gegenseitig verletzt. Oft war ich zutiefst traurig, verzweifelt, nicht selten - besonders in jungen Jahren - voller Vorwürfe.


Meine Mutter hat mich gut versorgt, mit allem, was sie geben konnte - an materieller Zuwendung hat es mir nie gemangelt, aber ich konnte über weite Strecken unseres gemeinsamen Weges kein gemeinsames inneres Band wahrnehmen. Ich hatte über viele Jahre meines Lebens das Gefühl, nicht in ihr Leben zu passen. Sie an der Verwirklichung ihrer Träume zu hindern.

Ich habe nach Kräften versucht, diese Mauer zwischen uns einzuschlagen, einst mit zuviel Power und auch Wut, doch inzwischen ist daraus etwas anderes geworden: Ich trage die Steine, aus denen diese Mauer errichtet war, Stück für Stück ab, viele dieser Steine wendend, betrachtend und befragend. Bedächtig lege ich jeden Stein zur Seite und nun darf ich erkennen, dass sich meine Mutter von ihrem Leben oft im Stich gelassen fühlte. Sie war viele unzählige Male "vom Leben enttäuscht" und auch zutiefst erschöpft von all ihrem Tun in der Familie. Voller Empörung hat sie sich den Stürmen ihres Lebens entgegengestemmt und sich dabei oft auch tiefe Verletzungen zugezogen.


Und nun? All die Mühen - sie haben sich gelohnt, die Mauer ist abgetragen und ein Aufeinanderzugehen ist möglich geworden.


Meine Mutter ist auf ihrem langen Weg durch das Leben längst im Winter ihres Lebens angekommen. An den besonders kalten Tagen und Stunden in ihrem Winter greift sie nun oft nach meiner Hand und sucht darin Geborgenheit und Schutz. Oh, meine Mama, wie gern ich Dir inzwischen meine Hand reiche ...

Der Lebensweg meiner Mutter war steinig und voller widersprüchlicher Gefühle, voll des Kampfes - immer um Anerkennung und Liebe!

Ihren Lebensweg hat in den letzten Jahren ein dichter Nebel eingehüllt, in dem ihre Erinnerungen verschwinden und viele Bilder nicht mehr abrufbar sind. Meine Mutter wird immer stiller, schläft viel, ist häufig sehr verwirrt und gerät darüber auch oft in Wut. Sie träumt von ihren Eltern, besonders von ihrer Mutter. Vorgestern hat sie beim Fernsehen Werbung zum Muttertag gesehen. Da hat sie mich gefragt, was sie ihrer Mutter zum Muttertag schenken solle. Ihre Mutter, meine Großmutter, ist schon so viele Jahre nicht mehr unter uns ... Ich ahne, dass meine Mutter Sehnsucht hat ...

Mein Herz durchlebt so viele Gefühle. Es ist voller Wehmut, Trauer und auch Dankbarkeit für einen Weg der Annäherung und ja, auch der Liebe. Ein Wegstück des Aufeinanderzugehens hat sich aufgetan; etwas, das gerade durch die schwere Erkrankung meiner Mutter möglich geworden ist.

Zweifellos hätte ich mir unser Aufeinanderzugehen anders gewünscht, aber ich kann es nur so annehmen - und ich bin dankbar, auch für diese Chance.


Wenn Menschen, die an Demenz erkrankt sind, mit kleinen Kindern verglichen werden, dann hinkt dieser Vergleich auch ein bisschen: Denn der Geist der Kinder wächst ins Leben, gedeiht und dehnt sich aus, während sich der Geist eines an Demenz erkrankten Menschen immer mehr zurückzieht und schließlich vollkommen verblasst. Und dann ist es wichtig, mit großer Umsicht und viiiieeeeel Verständnis zu begleiten.


... Ich bin inzwischen "mütterliche Tochter" meiner Mutter geworden.





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