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Mehr Vielfalt statt Einfalt!























Gestern sitze ich im Bus hinter vier jungen Menschen, "Baujahr 8" und "Baujahr 9", wie sie selbst untereinander betonen. Ich finde diese Formulierung seltsam, "Geburtsjahr" würde mir mehr einleuchten.

Meine Aufmerksamkeit wird geweckt, als das Mädchen der Runde, Baujahr 8, die Burschen, die ihr gegenübersitzen, auf "arische Merkmale" untersucht. Ja, richtig gelesen - ein Mädchen, welches eindeutig keine Merkmale dieser Art aufweist, wie es ebenfalls selbst betont, macht dies zum Thema. Einer der drei Burschen fragt, was sie denn damit meine? Nun erklärt sie, dass arische Menschen blaue Augen und blonde Haare hätten. Die Burschen sind überrascht, das Thema dürfte sie noch nicht beschäftigt haben. Ich sehe meine Nachbarin an, sie sieht mich an, beide sind wir sichtlich verblüfft ob dieses Themas - das kaum mit Zurückhaltung formuliert wird. Ein Bursche, Baujahr 9, fragt noch einmal nach den Merkmalen, das Mädchen erklärt: "Arische Menschen haben blaue Augen und blonde Augen." Weil sich das Mädchen verspricht, lachen die Burschen.

Dieser Satz bildet den Auftakt zu einer kurzen Unterhaltung mit meiner Nachbarin, in der wir uns über Schulunterricht und Bildungskriterien unterhalten. Meine Nachbarin meint wie ich, dass es heute an echter Bildung in den Schulen mangle, es sei nur wichtig, dass möglichst viel Wirtschaftsdenken geschürt werde. Ich erwähne auch die PISA-Tests, die ich für völlig unsinnig halte, da sie nur bestimmte Fächer abbilden. Wir sind uns auch einig, dass am Ende einer schulischen Laufbahn erwünscht sei, einheitlich zu funktionieren.

Dann muss ich auch noch mein Erlebnis anbringen, das ich vor kurzem hatte: Ein Mann sitzt mit seinem Hund "bewaffnet" in der Straßenbahn. Eine Frau unterhält sich am Handy in einer Sprache, die ich nicht einschätzen kann. Der Mann fordert barsch: "Sprich Deutsch, Tschusch!"

Ich bin völlig entgeistert, als ich diesen Satz höre. Der Mann wirkt sehr aggressiv, ich wage nicht, ihn anzusprechen. Den Hund habe ich auch im Auge. Hatte der überhaupt einen Maulkorb um? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, so dermaßen erschüttert war und bin ich. Eine alte Dame dreht sich um, nun erwarte ich mir ein paar mahnende Sätze. Sie meint: "Na, da komm mal in meine Richtung! Nur Schwarze in meiner Gegend, da traust dich nicht mehr auf die Straße!" - Der Mann hat also Gesellschaft gefunden. Er deutet in eine bestimmte Himmelsrichtung und sagt: "Da wird er's schon richten, der Kickl, in Mauthausen!" Mir wird in diesem Moment übel, ich suche das Weite. -

Meine Bus-Nachbarin ist wie ich über diese Sätze, die ich ihr schildere, ebenfalls erschüttert. Bevor sie den Bus verlässt, meint sie mit einem freundlichen und offenen Gesichtsausdruck in Richtung Schulbildung: "Mein Motto ist 'Mehr Vielfalt statt Einfalt'." In diesem Moment bin ich unendlich dankbar für unsere freundliche Unterhaltung.

4 Kommentare

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4 Comments


Brigitte Fuchs
Brigitte Fuchs
May 31

Unglaublich, was du da erlebt hast sowohl an Unwissenheit und Dummheit als auch an Rassismus und Menschenhass. Nur ein Glück, dass es auch die andere Seite der Menschen gibt, die differenziert denken und handeln.

Das Motto deiner Busmitfahrerin ist wunderbar. Ich nehme es mit in meinen Tag und alle fogenden Tage: "Mehr Vielfalt statt Einfalt!"

Danke dafür und lieben Gruss,

Brigitte

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C*
C*
May 31
Replying to

Liebe Brigitte,

es tut weh, solche Aussagen zu hören. Dabei gehe ich immer davon aus, dass sich solche Leute in ihren Welten noch eindeutiger benehmen. Es ist in erster Linie wohl Hass, der einem da im Herzen steht - weshalb ich auch freundliche und weltoffene Menschen, denen ich zufällig begegnen darf, so zu schätzen weiß.

Das Motto meiner Sitz-Nachbarin hat ja auch mich sehr inspiriert - ich glaube, wenn wir mehr Vielfalt erleben, ist uns auch wohler im Herzen! Wir könnten das Paradies auf Erden haben, wäre die Menschheit eine liebende ...

Ich wünsche Dir einen möglichst bunten Tag! Herzlich, C Stern

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Traude Rostrose
Traude Rostrose
May 30

Oh wei, liebe C*, ich habe jetzt eine Gänsehaut, und zwar keine wohlige.

Deine Erlebnisse in den Öffis sind dann doch ein bisschen mehr, als mir hier so an Braungesprenkeltem unter die Nase geweht wird. Wobei ich nicht weiß, was die Jugendlichen von der ganzen Sache wirklich halten, aber die Aggression, die die von dir geschilderten Erwachsenen zumindest verbal an den Tag legen, ist erschütternd. Und macht mir wirklich Angst, auch für manche meiner Familienmitglieder, die keine "weiße" Hautfarbe haben. Ich weiß nicht, wie es bei euch mit den Europawahlpakaten ist, aber bei uns stehen von der rechtesten Partei die allermeisten Plakatständer herum und auch sie wirken auf mich ungemein aggressiv. Schön, dass es auch noch andere Begegnungen gibt, wie…

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C*
C*
May 31
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Liebe Traude,

Gänsehaut vor Grauen, die habe ich auch des öfteren. In diesem Fall habe ich mit Übelkeit reagiert. Ich war schon am Ziel meiner Reise, hätte aber ansonst auch aussteigen müssen. In der Nähe solcher Leute will ich mich einfach nicht aufhalten. Ich möchte solchen Energien nicht ausgesetzt sein!

Ich glaube, das junge Mädchen war keinesfalls rassistisch unterwegs, es hatte ein offenes Wesen, hat diese Definition vielleicht im Geschichtsunterricht aufgeschnappt, möglicherweise wurde auch darüber diskutiert, wie Vorurteile geschürt werden. Die junge Dame hat sich wohl wenig dabei gedacht, ihren Aufklärungsunterricht im Bus abzuhalten. Es war befremdlich, aber weniger als die unfassbaren Aussagen des Hundehalters. Dazu die Zustimmung der älteren Frau - ich hätte früher dazu vermutlich etwas gesagt, aber…

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