Ich sein
- C*
- vor 1 Tag
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Alleine, aber nicht einsam, und dabei nicht unglücklich. Mehrere Jahre war ich ganz bewusst Single - und sehr zufrieden. Ich habe in dieser so wichtigen und sehr aktiven Zeit etwas Wichtiges entdeckt: mich selbst.
Ich beobachte immer wieder Menschen, die das Mit-Sich-Sein überhaupt nicht aushalten, diese Menschen hetzen von Veranstaltung zu Veranstaltung, von Feier zu Feier, von einem Termin zum nächsten Termin, immer auch mit einer ausgesprochenen Hoffnung, jemanden kennenzulernen. Chats und Singlebörsen werden durchforstet, als könnten diese Überlebenselixiere sein. Singlesein wird eben als Scheitern empfunden. Immer wieder fragende Blicke von Außenstehenden, warum denn kein Mann, keine Frau gut genug sei, warum man so wählerisch sei, man solle doch nicht so hohe Ansprüche stellen.
Das Thema Einsamkeit brennt, damit wird von Geschäftstüchtigen auch gutes Geld gemacht - in Lebenshilfe-Büchern und im Internet finden sich zahlreiche Tipps, um dem Single-Dasein zu entrinnen.
Meine Single-Zeit war von einer großen Freiwilligkeit geprägt, ich habe es genossen, auf kein DU Rücksicht nehmen zu müssen, ich konnte meinen eigenen Rhythmus leben. In dieser Zeit habe ich wieder entdeckt, dass mir das Schreiben Freude bereitet, ich habe viel Zeit mit Musik und Tanz verbracht und Bücher waren enge Gefährten. Ich fand großen Gefallen an zahlreichen Vorträgen und Seminaren, sie haben mich häufig ein Stück weit zu mir selbst geführt.
Ein kleiner, feiner Freundeskreis war zu allen Zeiten vorhanden, ich fühlte mich also nicht einsam. Jene Dosis Alleinsein, die ich für mich gewählt hatte, war mir angenehm als Alternative zum Lärm einer Gesellschaft, die ich oft als hyperaktiv empfand und empfinde. Besorgte Blicke und Fragen aus der Verwandtschaft, mitunter auch Hinweise, dass die biologische Uhr ticke - muss man sich rechtfertigen? Auch gefragt von Menschen, die in ihren Beziehungen einsam und unglücklich waren, aber keinen Weg hinaus fanden oder diesen gehen wollten.
Das Mit-Mir-Sein habe ich auch genützt, um meinen Träumen vermehrt Aufmerksamkeit zu verschaffen und Visionen für einen neuen beruflichen Weg zum Erblühen zu bringen.
Ich habe damals mein Leben auf besondere Weise umarmt.
Und schließlich, in diesem tiefen inneren Frieden, spürte ich das Erwachen meines sicheren Gefühls, dass ich wieder bereit war, mich auf eine Beziehung einzulassen. Ich hatte Lust auf einen Gefährten, der mich, mein Wesen, mein Sein zu schätzen weiß. Meine innere Stimme führte mich auf den richtigen Weg - auch, wenn ich mir diesen Weg zuvor niemals zugetraut hätte.
Foto: C* - Ausstellung Touch Nature, Lentos, Linz
Ich habe mich irgendwann ganz bewusst für ein Single-Leben entschieden und ich habe es nie bereut. Natürlich habe ich auch sämtlichen klugen Sprüche zu hören bekommen und bedauernde Aussagen wie 'ach, dass ist aber schade!' bis zu völligem Unverständnis über mich ergehen lassen müssen. An Begriffe wie 'die Uhr tickt' oder hinter vorgehaltener Hand das Geflüster von wegen 'alte Jungfer werden' kann ich mich noch gut erinnern. Es gibt eigentlich unendlich viele Beispiele dafür, wie einem Ehe und Kinder als einzig Seligmachendes immer wieder vorgehalten wurde.
Bei Manchen, die sich damals solche Sorten gemacht haben, könnte man sich heute vorzüglich streiten, wer hier zur alten Jungfer geworden ist. Das hat nämlich nichts mit Ehe und Kinder zu tun, sondern ist…
Ja, Zwei-Samkeit setzt für mich die Fähigkeit zur Eins-am-keit voraus, sonst besteht die Gefahr des Brauchens, der Abhängigkeit etc.
Herzliche Morgengrüße