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Dancing Queen


Bewegt hat sich meine Mutter immer schon sehr gerne. Nicht nur, dass sie mit Begeisterung ihre - nach Möglichkeit - täglichen Stadtspaziergänge und Schaufensterbummel gemacht hat, auch in der Natur war sie häufig unterwegs. Urlaube in den Bergen hat sie stets genossen, egal zu welcher Jahreszeit - davon zeugen auch zahlreiche Ansichtskarten.

Und besonders in jungen Jahren hat sie gerne getanzt. Einmal habe ich sie gefragt, warum sie meinen Vater geheiratet hat. Ihre Antwort kam ohne Zögern: "Weil er ein guter Tänzer war."


An einen Silvesterabend kann ich mich noch gut erinnern, davon habe ich auch Fotos.

Der Abend verlief unvergesslich. Wir waren in meinen geliebten Nockbergen auf Urlaub, in einem gemütlichen Hotel haben wir damals das alte Jahr ausklingen lassen und das neue sozusagen eingeläutet.

Es ging feuchtfröhlich zu, es waren viele italienische Familien im Hotel - ein feurig feierndes Pärchen landete frühmorgens ziemlich betrunken und eng umschlungen auf dem Heuwagen, auf dem kurz zuvor noch ein großartiges Buffet angerichtet gewesen war. Und rundherum wurde getanzt, meine Eltern tanzten lachend auf die Kamera zu - und "klick".


Die Begeisterung fürs Tanzen ist offensichtlich noch in meiner Mutter verankert. Und auch, wenn der Alltag, der sie umgibt, unmittelbar in Vergessenheit gerät - frühe Erinnerungen und Begabungen sind noch gespeichert. Davon konnte ich mich auch gestern überzeugen. Als wir meine Mutter im Seniorenwohnhaus besuchen wollten, erhielten wir die Auskunft, dass sie beim Tanzen sei. Ich habe bislang gar nicht gewusst, dass im Haus auch Tanzen auf dem Programm steht. Meine Freude war groß, ich wollte natürlich wissen, ob wir wohl einen kurzen Blick auf die Tänzerinnen und Tänzer wagen dürften. Da dies kein Problem darstellte und uns auch der Gestalter der Tanzstunde herzlich in die kleine Runde bat, kam ich in den Genuss, meiner Mutter beim Tanzen und Singen zuzusehen. Mein tiefes Gerührtsein über ihre Begabung, ihre Beweglichkeit, ihr Taktgefühl (u.a. zum Schlager "Kriminal Tango"), ihr Kichern, ihre leuchtenden Augen vermag ich nicht in Worte zu kleiden, ich konnte meine Freudentränen kaum zurückhalten. Meine Mama, die immer wieder auch von starken Kreuzschmerzen geplagt wird, schmiegte sich in die Arme ihres ebenfalls betagten und feschen Tanzpartners und gab ihr Bestes, auch die anderen Damen fürs Tanzen zu begeistern. Der Tanztrainer holte eine Dame nach der anderen ab, die sich nicht so recht an ein Tänzchen wagten und doch Lust darauf hatten. Es war zu spüren, dass pure Freude im Raum lag.

Auch die "Macarena"-Choreografie wurde in sehr moderater Form so miteinander geübt, dass alle gut mitmachen konnten. Gleichzeitig verströmten die alten Damen und der mutige Hahn im Korb Ernsthaftigkeit in ihrem Eifer sowie große Begeisterung in ihrem Tun.

Denkwürdige Momente, in denen ich meine Mama als Dancing Queen erleben konnte.


6 Kommentare

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6 Comments


Rosa Ananitschev
Rosa Ananitschev
Feb 09

Deine Gefühle, liebe C Stern, kann ich gut nachempfinden. Man vermutet gar nicht, dass ein „alter“ Mensch sich noch so rhythmisch bewegen kann, dass Tanzen ihm noch so viel Spaß macht.


In unserer Familie war Tanzen, wie so vieles mehr, verboten. Meine Mutter war Baptistin, wie Du ja weißt, und für sie galt das als Sünde. Als Mädchen hätte ich so gern tanzen gelernt. Es gab in der Schule so etwas wie ein Tanzkreis, an dem ich ein einziges Mal teilgenommen hatte. Ich fand es so toll, Tanzschritte zu üben und mich dann im Takt der Musik zu bewegen. Es gab mir ein Gefühl der Sorglosigkeit, der Freiheit. Tja, bei dieser einen Übung ist es auch geblieben.


Herzliche Grüße

Rosa

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C*
C*
Feb 14
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Liebe Rosa,

ich gehöre zu denen, die meinen, dass Tanzen auch ein Ausdruck der Freude an "Gottes Schöpfung" sein kann. Viele Mystiker*innen und Naturvölker haben damit ihrer grenzenlosen Freude Ausdruck verliehen und tun es immer noch. Deshalb ist es für mich sehr schwierig, akzeptieren zu müssen, dass mit einem Tanz in manchen Religionen nichts Schönes in Verbindung gebracht wird.

Tanz kann Ausdruck von so vielem sein - und vor allem tut Leichtigkeit so gut!

Es ist nie zu spät ... 🌹

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Roswitha
Roswitha
Feb 03

das freut mich für dich, dieses miterleben, wunderbar. auch für deine mutter und die anderen bewohner/-innen freut es mich, geht doch musik sofort ins gemüt, und bewegung mit musik und menschen lässt soviel vergessen, gleichzeitig soviel fühlen. eine wunderbare art "alte seelen" sich jung fühlen zu lassen. ein schönes bild schenkst du uns, liebe c stern. schönen sonntag, roswitha

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C*
C*
Feb 03
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Ja, Musik geht sofort auf einen Menschen über, erfasst ihn ganzheitlich - lässt Schmerzen vergessen und gleichzeitig soviel Freude fühlen.

Es gibt eine sehenswerte Dokumentation zum Thema, der Film heißt "Mitgefühl - Pflege neu denken", zeigt die Arbeit in einem dänischen Pflegehaus für Menschen mit Demenz. Hier wird das Leben gefeiert, Umsorgungen und Körperkontakt sind wesentlich, ebenfalls stehen Gespräche, Spiele und das Gemeinschaftsgefühl im Mittelpunkt.

Ganz liebe Grüße und einen gut verbrachten Sonntag! C Stern

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Kleiner Staudengarten
Kleiner Staudengarten
Feb 03

Ojaaaa, da kann ich deine Freude angesichts der Lebhaftigkeit deiner Ma beim Tanzen verstehen. Letztens sah ich in meiner Lokalzeit einen TV-Bericht über ein Seniorenheim, welches diese Tanzstunden ebenfalls anbietet und die/alle teilnehmenden Bewohner werden wieder "jung" und erinnern sich an längst vergangene Zeiten voller Tatendrang.

Lieben Gruß und ein feines Wochenende wünscht dir Marita

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C*
C*
Feb 03
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Das kreative Freizeitangebot wird in diesem Haus immer wieder erweitert, das fällt mir auf und das weiß ich auch sehr zu schätzen. Das Erinnern ist so wichtig - das hält die Menschen interessiert an ihrer Umgebung, was für Menschen mit Demenz natürlich von großer Bedeutung ist. Meine Mutter war immer ein begeisterungsfähiger Mensch - ich bin dankbar, dass sie sich diese erhalten hat.

Ganz liebe Grüße zu Dir, einen schönen Sonntag! C Stern

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