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Briefe und Tagebücher



Schon als kleines Mädchen konnte ich dabei beobachtet werden, dass ich Ordnung unerlässlich fand. Es mag durchaus sein, dass mich darin meine Mutter und meine Großeltern mütterlicherseits als Vorbilder beeinflussten. Bei ihnen hatte jeder Gegenstand seinen eigenen Platz, diese Haltung habe ich wohl übernommen.

Auch viele Jahre später hat sich daran nichts geändert. Ich habe nie ein Vergnügen daran entdeckt, im kreativen Chaos zu leben.


Schon vor längerem habe ich beschlossen, mich von diversen Dingen zu befreien, die ich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr um mich haben möchte.

Derzeit liegt mein Fokus darauf, eine riesige Schachtel, in der sich alte Briefe, Ansichtskarten und Tagebücher befinden, zu sortieren. Eine Aufgabe, die mich weit zurückführt, nämlich auch in meine Kindheit und Jugend. Meine Gedanken, die ich in meinen frühen geheimen Tagebüchern und später in meinen Briefen an Freunde, Kollegen und an meine Familie festgehalten habe, sind wahrlich reichhaltig in ihren Farben und Szenen, ob ich mich darin nun freudig, hinterfragend, tiefschürfend, verständnisvoll, zugewandt, ängstlich, hoffnungsvoll, ehrlich, empört, verletzlich oder auch wütend gegenüber Menschen zeigte. Auch finden sich in meiner Schachtel Schriftstücke, die ich dann doch nie an einen Adressaten übermittelt habe. Manche Briefe und Ansichtskarten werden noch einmal gelesen, oft mit einem Lächeln im Gesicht, manchmal mit Überraschung über mich selbst, was ich bereits als Kind oder Teenager dachte; auch findet mich Betrübnis darüber, dass ich mich als Mensch unter Menschen manchmal ungerecht behandelt, unverstanden und auch hintergangen gefühlt habe. Die Absenderin einer Ansichtskarte kann ich überhaupt nicht mehr zuordnen, in meinem Gedächtnis findet sich kein Gesicht zu dieser Person, kein Erlebnis, das ich erinnern könnte.

Sehr berührend aber jedenfalls, dass es in all den unzähligen Schriftstücken auch viele Zeugnisse von Verständnis, Zuneigung, Wertschätzung, Empathie, Achtsamkeit und Liebe gibt, die mir entgegengebracht wurden und werden. Auch so manche Missverständnisse konnten ausgeräumt werden. Es gibt Unzähliges zu lesen, von Menschen, die für eine Weile mein Leben sehr bereichert haben, mit mir gemeinsam auf einem Bankerl verweilt haben, um dann ihre Wege fortzusetzen. Ich bräuchte keine Zeilen, um mich an diese Menschen zu erinnern. Sie haben Abdrücke auf meinem Herzen hinterlassen, manchmal sind ihre Spuren geradezu in mein Herz eingedrungen. Dort werden sie bleiben, solange ich die Fähigkeit besitze, mich zu erinnern. In Wehmut über ein paar wenige Menschen, die keine physische Präsenz mehr in meinem Leben einnehmen, laufen zwei still geweinte Tränen über meine Wangen.


Was sich mir in all den Schriftstücken offenbart, ist tatsächlich eine Reise durch viele Seelenlandschaften. Ich bin der Meinung, dass die Inhalte niemanden etwas angehen - außer mich.

Ich treffe eine bewusste Auswahl, wovon ich mich trennen werde. Ich werde all das, wovon ich mich trenne, in aller Sorgsamkeit tun, das verlangt mein Respekt vor den Verfasser*innen der Briefe und Ansichtskarten.

Meine Tagebücher aus meiner Kindheit kann ich (noch?) nicht loslassen. Ich weiß sie allerdings in respektvollen Händen, sofern ich eines Tages nicht mehr selbst entscheiden könnte, was damit geschehen soll. Ja, auch für diesen Fall ist gesorgt.


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