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Narrenfreiheit

Autorenbild: C*C*



Eines Tages streute der Narr Nasreddin einen Ring aus Brotkrümeln rund um sein Haus.

Ein Passant blieb stehen und beobachtete ihn bei seinem merkwürdigen Tun. Er fragte ihn nach dem Grund.

"Das ist zum Schutz vor Tigern", antwortete Nasreddin. - "Aber hier gibt es doch keine Tiger!"

"Genau", erwiderte Nasreddin. "Du siehst, es wirkt." (aus der Türkei)


Hodscha Nasreddins historische Existenz gilt nicht als gesichert. Es wird aber angenommen, dass er im 13. bzw. 14. Jahrhundert in Anatolien gelebt hat. Die ihm zugeschriebenen Witze sind eine bunte Mischung aus Volksweisheit und Schlauheit, können aber auch derbe oder anzügliche Inhalte haben.


An früheren Königs- und Kaiserhöfen war es auch den Höflingen nicht gestattet, die Regierenden zu kritisieren. Kritik konnte sich auf den, der sie kundtat, gar tödlich auswirken.

Der Hofnarr gehörte über Jahrhunderte zu einem Hofstaat. Er, der Hofnarr, sollte in erster Linie nicht belustigen, sondern er sollte den König oder Kaiser daran erinnern, dass auch sein menschliches Dasein vergänglich ist und er zu jeder Zeit der Sünde verfallen könnte. Hofnarren galten als Sonderlinge, die sich keinen gesellschaftlichen Konventionen unterwarfen. Ihnen galt die Narrenfreiheit.


Zur Faschingszeit, in der wir uns gerade befinden, ist es schon lange üblich, den Politiker*innen die Leviten zu lesen. Der Höhepunkt des österreichischen Faschingstreibens findet alljährlich in Villach (Kärnten) statt: Ein Faschingsnarr wird jedenfalls wie immer die Rolle des Hofnarren übernehmen.


Ganz was anderes ... Wie weit darf eigentlich Satire gehen?

Die Tagespresse, eine österreichische Satire-Website, hat sich als Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgeschäftsstelle Niederösterreich, Abteilung zur Förderung der patriotischen Esskultur ausgegeben.

Unter dieser Adresse wurde ein Schreiben an Wirt*innen verschickt,

Betreff: Wirtshausprämie und Panierquote Neu

Inhalt des Schreibens ist die Aufforderung, die Speisekarten und Bezeichnungen der angebotenen Gerichte auf heimatverbundene Art und Weise zu überarbeiten.

Die Tagespresse will nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) rund um ihre Fake-FPÖ-Briefe vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ziehen. Der OGH gab der FPÖ recht. Begründung: "Ein durchschnittlicher Empfänger des Briefes konnte – auch wenn er den Inhalt befremdlich gefunden haben mag – aufgrund der angeführten Umstände davon ausgehen, dass tatsächlich eine der Klägerin zumindest im weiteren Sinn zuordenbare Aussendung vorliegt, zumal er keine anderen Anhaltspunkte hatte." (Quelle hier. Der Link enthält auch den tatsächlich lesenswerten Brief. Ich finde, dass das Schreiben sehr echt wirkt.)

Bin gespannt, wie die rechtlichen Streitereien für Die Tagespresse ausgehen. Jedenfalls verzeichnet Die Tagespresse seit den Briefen regen Zulauf von zahlenden Abonnent*innen.


Foto: Pixabay, congerdesign

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